Nach einem Brandanschlag bleiben Versicherte lange auf ihren Schäden sitzen. Von den Tätern fehlt oft jede Spur. Versicherungen zahlen erst nach vielen Monaten, wenn die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen sind.
Eigentümer von Flüchtlingsunterkünften in Mitteldeutschland, denen hohe Kosten durch Brandanschläge entstanden sind, müssen lange auf Entschädigung warten. In den meisten Fällen wird der Täter nicht ermittelt und kann kein Geld eingeklagt werden – nur jeder vierte Fall wird bundesweit überhaupt aufgeklärt. Versicherer wollen die Schäden erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen begleichen. Doch das kann lange dauern, wie viele geschädigte Eigentümer von Asylunterkünften in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erfahren haben.
„Entschädigung kann sich über Jahre hinziehen“
Neun Monate nach einem Brandanschlag auf seine 68 Wohncontainer wartet Hendrik Schwarz aus dem sächsischen Dippoldiswalde noch immer auf die Versicherungssumme. Der Unternehmer einer Asphaltbau-Firma wollte die Gebäude dem Landkreis zur Unterbringung von Flüchtlingen verkaufen. In der Nacht vom 31. Oktober 2015 wurden sie jedoch komplett niedergebrannt. Von den Tätern fehlt bislang jede Spur. Schwarz, der zu diesem Zeitpunkt noch seine Firmenzentrale in den Gebäuden hatte, konnte diese nicht mehr verkaufen, musste nach dem Brand in andere Räumlichkeiten umziehen und den finanziellen Mehraufwand selbst stemmen.
„Neben dem Schaden an den Containern, hatten wir als Firma plötzlich kein Telefon, Fax und die notwendigen Räume mehr. Dann ermittelten Polizei und Versicherung. In dieser Zeit hatten wir keinen Auftragsein- noch Ausgang“, sagte Schwarz. Von dem entstandenen Schaden in Höhe von geschätzten 300.000 Euro zahlte der Versicherer bislang nur 30.000 Euro. Auf dem Restschaden bleibt der Geschädigte vorerst sitzen. Die Versicherung wolle erst zahlen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. „Im ungünstigsten Fall kann sich das jedoch über Jahre hinziehen“, sagte Schwarz ein. „Der Brandanschlag ist die eine Sauerei, das Verhalten der Versicherung die andere“, sagte er.
Geschädigter plant Untätigkeitsklage
Auch im thüringischen Rockensußra wartet der Immobilienunternehmer Markus Laukamp seit elf Monaten auf das Geld seiner Versicherung. Durch einen Brandanschlag im September 2015 auf drei seiner Gebäude, die als Asylunterkünfte geplant waren, ist ein Schaden von weit über 400.000 Euro entstanden. „Die Dachstühle sind ausgebrannt, das Löschwasser tat sein Übriges. Es ist bis hinunter in den Keller gelaufen.“ Die Häuser sind seither unbewohnbar.
Seine Versicherung hat bislang nur 20.000 Euro für Notrettungsmaßnahmen überwiesen. Zahlt der Versicherer nicht innerhalb eines Jahres, behält sich Laukamp rechtliche Schritte vor. „Sollten die Täter bis dahin weder gefasst, noch die Akte geschlossen sein, werde ich eine Untätigkeitsklage aufsetzen, um die Dinge in Gang zu bringen“, sagte der Geschädigte.
Versicherer will 40 Prozent des Schadens nicht zahlen
Ein ähnliches Bild im sachsen-anhaltinischen Tröglitz. Dort brannte im April 2015 der Dachstuhl eines Mehrfamilienhauses aus, in dem 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Seit über einem Jahr kämpft Manager Volker Bückmann, Eigentümer der Unterkunft, um eine Schadensregulierung durch seine Versicherung. Der entstandene Sachschaden liegt im mittleren sechsstelligen Bereich. Seine Versicherung, die Bayerische Hausbesitzerversicherung (BHVG), hat erst nach acht Monaten einen Drittel des Schadens beglichen.
Kurz vor Weihnachten vergangenes Jahr habe sich der Versicherer bei ihm gemeldet und angeboten, 60 Prozent des Schadens sofort zu zahlen. Bei Ablehnung wollte sich das Unternehmen bei allen weiteren Forderungen querstellen. „Die wollen einfach 40 Prozent des Schadens nicht bezahlen“, sagte Bückmann, der das Angebot nicht angenommen hat. Neben dem Brandschaden sei auch der Mietverlust für zwei Jahre mitversichert – ein Grund, warum der Manager überhaupt eine Police bei der Versicherung abgeschlossen hatte. „Gezahlt wurde nicht, ohne Begründung." Die Polizei stellte am 11. Juli die Ermittlungen im Fall ein. Ein Täter wurde nicht ermittelt. Bückmann hat bislang aber weder von seiner Versicherung etwas gehört, noch ist der Schaden reguliert worden. Die BHVG wollte sich auf LVZ-Anfrage nicht zum Fall äußern.
Steigende Versicherungsprämien und Selbstbehalte
„Immer weniger Versicherer wollen diese Unterkünfte heute absichern“, sagte Hanna Stoffel vom größten deutschen Versicherungsmakler AON. Grund: das gestiegene Risiko eines Brandanschlags. Mehrere Versicherer hätten in der Vergangenheit zudem die Policen gekündigt oder Prämienzuschläge und Selbstbehalte für versicherte Gebäude erhöht, in die Flüchtlinge einzogen.
„Prämienänderungen für die Versicherung von Gebäuden entstehen, wenn sich deren Nutzung verändert. Denn dann gibt es eine veränderte Risikosituation“, sagte Ute Andrä der Sparkassen-Versicherung Sachsen, der größte öffentliche Gebäude-Versicherer im Freistaat. Eine veränderte Nutzung liege vor, wenn ein Hotel in ein Wohnheim oder eine Kirche in ein Veranstaltungszentrum umgewidmet werde. Das gelte auch im Fall der Umwandlung eines Gebäudes, das zuvor nicht als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde. Auch bauliche Veränderungen erforderten eine Neueinschätzung des Risikos. Beides könne „zu höheren Versicherungsprämien führen.“ Die Nationalität der Bewohner spiele bei der Beurteilung hingegen keine Rolle.
Auch die Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA) räumen mögliche Tarifänderungen etwa nach Bezug einer lange leerstehenden Gemeinschaftsunterkunft ein. Verändere sich das neu eingeschätzte Risiko „wird der Versicherer im Zweifel den bestehenden Vertrag kündigen“, sagte ein Sprecher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Dass Versicherer erst nach langer Zeit den Schaden begleichen, sei dem polizeilichen Verfahren geschuldet. „Erst nach Abschluss der Ermittlungen wird der Ort freigegeben und hat der Versicherer die Möglichkeit, den entstandenen Schaden zu begutachten.“ Wie lange ein solches Verfahren dauern kann, dazu konnten die Landeskriminalämter Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt keine Angaben machen.
Hohe Schäden, wenige Festnahmen, mittellose Täter
Laut ÖSA zahle die Gebäudeversicherung grundsätzlich für einen Brandschaden – egal ob durch einen Blitzschlag oder Brandanschlag durch Dritte verursacht. Sollte die Brandstiftung nachgewiesen und ein Täter verurteilt werden, kann sich die Versicherung das Geld von diesem zurückholen. „Wenn dieser mittellos ist, bleibt die Versicherung wahrscheinlich auf ihren Forderungen sitzen“, sagte ein Sprecher.
Dass Versicherungen und geschädigte Eigentümer gerade bei hohen Schadenssummen von den Verursachern kein Geld bekommen, ist jedoch eher die Regel. Einerseits deshalb, weil nur selten Täter ermittelt und verurteilt werden. 2015 lag die polizeiliche Erfolgsquote in Sachsen lediglich bei 22 Prozent, in Thüringen sogar nur bei 14,6 Prozent. In Sachsen-Anhalt hingegen konnte in 53,7 Prozent der Fälle ein Täter ermittelt werden.
Anderseits sind laut Bundeskriminalamt die Hälfte der ermittelten Straftäter solcher Delikte männlich und zwischen 18 und 30 Jahre alt. Die meisten stehen am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn und haben kein Geld. „Bezieht der Täter Hartz-IV, wird man von dem nichts bekommen“, sagt Andrea Titz vom Deutschen Richterbund. Das Existenzminimum sei nicht pfändbar. Aber selbst Täter, die Geld verdienen, können hohe Schadenssummen nicht begleichen. „Der Schadensersatz bei erwiesener Brandstiftung kann durchaus in die Privatinsolvenz führen“, sagt Piotr Malachowski, Zivilrechtsexperte beim Bundesinnenministerium. Denn sechsstellige Summen seien schnell erreicht.
Auch Unternehmer Laukamp glaubt nicht, das bei den Tätern – sollten diese gefasst werden – etwas zu holen ist. „Die Chance bei einem Schaden in der Größenordnung vom Verursacher Geld zurück zubekommen, schätze ich als sehr gering ein. Derjenige, der groß vermögend ist, hat andere Sorge, brennt aber keine Flüchtlingsheime nieder.“
Oliver Becker