„Pro Deutschland“ im Existenzkampf

Erstveröffentlicht: 
26.07.2016

Als eine von 21 Parteien tritt „pro Deutschland“ im September bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus an. Für die Rechtspopulisten rund um Manfred Rouhs geht es auch finanziell um Sein oder Nichtsein. Zwischen der NPD, die selbst bangen muss, und der AfD bleibt wenig Platz.

 

Nach der Sitzung des Berliner Landeswahlausschusses vom vorigen Freitag steht fest: 21 Parteien werden bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September kandidieren. Solche mit sicheren Aussichten auf Mandate und solche, denen es eher darum geht, die Ein-Prozent-Marke zu schaffen und damit Staatsgelder für die weitere Arbeit zu ergattern. Zu Letzteren zählt die rechtspopulistische Kleinpartei „pro Deutschland“, die zum zweiten Mal in der Hauptstadt ihr Glück versucht.

 

„Stimmenzahl verdoppeln – 5 Prozent plus X für pro Deutschland!“ hat die Partei, für die ihr Bundeschef Manfred Rouhs und der Landesvorsitzende Günter Czichon auf den ersten Listenplätzen antreten, als Wahlziel ausgegeben. Man darf die Aussage als Beitrag zur allgemeinen Verwirrung auffassen, als Beleg dafür, dass eines der Grundprinzipen der Rouhs-Partei lautet: Mehr Schein als Sein. Stolz betont die Kleinpartei, man habe 2011 mit exakt 37 467 Stimmen 2,6 Prozent erreicht. Völlig falsch ist das nicht. Etwas Wichtiges sagt „pro Deutschland“ aber nicht: Nur bei den für den Parlamentseinzug völlig irrelevanten Erststimmen wurden diese 2,6 Prozent erzielt. Bei den wirklich wichtigen Zweistimmen kamen Rouhs & Co. vor fünf Jahren nur auf 1,2 Prozent, knapp ausreichend für Ansprüche an der staatlichen Parteienfinanzierung, aber weit entfernt von Mandaten.

 

„Echte Alternative“ contra „Alternative für Deutschland“

 

Doch auch wenn man die rechtspopulistischen Zahlenspielereien außer Acht lässt: Von einer Verdoppelung ihres Ergebnisses dürfte die Partei sehr weit entfernt sein. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Zahl der „pro Deutschland“-Wähler sinkt. Manche, die vor fünf Jahren für Rouhs stimmten, werden diesmal wohl ihr Kreuz bei der AfD machen. Die hat tatsächlich Chancen auf Sitze im Landesparlament. Und anders als „pro Deutschland“, deren Vormann einst für NPD und die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ aktiv war, haftet ihr nicht der Ruf an, nur alter (rechtsextremer) Wein in neuen Schläuchen zu sein.

 

Man selbst sei „die echte Alternative“, heißt bei „pro D“ zur Abgrenzung von der AfD. Ähnliches sagen auch Republikaner und NPD. Geholfen hat es ihnen bei den letzten Landtagswahlen kein bisschen: Die AfD sahnte nicht nur bei vorherigen Nichtwählern, bei CDU, SPD und Linken ab, sondern marginalisierte auch rechte Kleinparteien. (bnr.de berichtete) Die AfD sei eine „wirtschaftsliberale Partei“, ihr Berliner Landesverband „eine Partei der ,Besserverdienenden', die sich wirtschaftspolitisch an die FDP anlehnt“, meint „pro D“. Man selbst wolle „die Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie die kleinen Gewerbetreibenden und die mittelständischen Unternehmen stärken“, erklärt die rechtspopulistische Partei und übersieht, dass die AfD längst schon bei jenen Wählergruppen angekommen ist, die „pro Deutschland“ erst noch erreichen müsste.

 

Dabei ist die Partei dringend darauf angewiesen, trotz deutlich schärferer Konkurrenz mehr als 1,0 Prozent zu holen – politisch, aber auch finanziell. Politisch, weil der eigene, seit Jahren avisierte Durchbruch an den Wahlurnen bisher regelmäßig ausgeblieben ist. Dass „pro D“ im vorigen Jahr personell zulegen konnte, hatte zudem mit eigener Stärke nichts zu tun. Stattdessen profitierte man von den Zerfallserscheinungen der früheren Partnerpartei „pro NRW“.

 

Finanzkonzept auf wackeligen Beinen

 

Finanziell droht Ungemach, weil eine Schlappe bei der Wahl in Berlin ein Riesenloch in den Etat reißen würde. Schon jetzt ist „pro D“ nicht auf Rosen gebettet. Der zuletzt veröffentlichte Rechenschaftsbericht für das Jahr 2014 wies lediglich Einnahmen von rund 150 000 Euro aus. (bnr.de berichtete) Mehr als ein Drittel (36 Prozent) floss aus Mitteln der staatlichen Parteienfinanzierung: knapp 55 000 Euro, die nun wegzufallen drohen. Auch die anderen Geldquellen sprudeln nur dürftig. An Mitgliedsbeiträgen nahm die Partei gerade einmal rund 11 000  Euro ein, pro Mitglied und Monat im Durchschnitt 82 Cent. Als Spenden verbuchte der Schatzmeister 83 000 Euro – ein Drittel weniger als im Jahr zuvor. Davon wiederum entfielen 25 000 Euro auf die letzte Rate einer auf vier Zahlungen gesplitteten Großspende, mit der nun nicht mehr kalkuliert werden kann. Das gesamte Finanzkonzept steht damit auf wackligen Beinen.

 

Der etwas mehr als 100 Mitglieder zählende Berliner Landesverband hat neben seiner Landesliste 26 Wahlkreiskandidaten sowie Listen für alle zwölf Bezirksverordnetenversammlungen aufgestellt. Mut schöpft man aus der Tatsache, dass es einem der „pro Deutschland“-Vorstandsmitglieder zweimal in diesem Jahr gelang, in Berlin Großdemonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern auf die Beine zu stellen.

 

Kampagne gegen Flüchtlinge

 

Ab Anfang August will die rechtspopulistische Partei „überall im Berliner Stadtgebiet plakativ sichtbar sein“. Mehr als 30 unterschiedliche Plakatmotive wurden bisher öffentlich präsentiert. „Mehr Bildung – Weniger Zuwanderung“ ist einer der zentralen, Slogans, mit dem man auch an die bisherigen Kampagnen gegen Flüchtlinge insbesondere im Osten der Stadt anknüpft. „Islamisten stoppen!“ ist auf einem anderen Plakat zu lesen, ergänzt durch eine Grafik mit durchgestrichener Moschee: Anti-Islam-Kampagnen gehören zum Standardrepertoire von Manfred Rouhs, bereits seit seiner Zeit bei „pro Köln“.

 

Nicht zuletzt will die Rouhs-Partei mit ihren Plakaten um die Zweitstimmen buhlen. „Die Zweitstimmen-Kampagne trägt dem Umstand Rechnung, dass bei der Berlinwahl 2016 zwei zuwanderungskritische Parteien mit Erfolgschancen auf dem Stimmzettel stehen: pro Deutschland und die AfD“, heißt es zur Begründung: „Bei der AfD entstehen aber vor dem Hintergrund des in Baden-Württemberg eröffneten Zerfalls der Partei Zweifel an der Fähigkeit, das eigene Programm auch parlamentarisch umzusetzen. Wer trotzdem in Berlin aus Protest AfD wählen will, mag dies mit der Erststimme tun – und seine Zweitstimme der echten, demokratischen Alternative zu Schwarz und Rot geben: pro Deutschland.“

 

Der Rundumschlag gegen die demokratischen Parteien aus dem Abgeordnetenhaus und der verhassten Gewerkschaften darf nicht fehlen. Vor den Büros von SPD, CDU, Grünen, Linken, DGB und ver.di will „pro D“ Plakate mit deren Logos aufhängen, versehen mit dem Spruch: „Sie bringen uns den Terror nach Europa“.

 

„Schikanen der alten politischen Kräfte“

 

Doch zunächst einmal ging Manfred Rouhs unlängst einmal mehr auf Betteltour. Weil die Berliner Verwaltung bei den zurückliegenden Wahlen die Erfahrung machen musste, dass Wahlplakate zwar schnell aufgehängt sind, aber nach dem Wahltag des Öfteren nicht wieder eingesammelt werden, verlangten die meisten Bezirksämter eine Kaution zwischen 1000 und 2000 Euro von den Parteien, bevor sie plakatieren durften. Rouhs witterte prompt einen Affront. Die Berliner Verwaltung habe sich „etwas Besonderes einfallen lassen, um für unerwünschte Konkurrenten des etablierten Politikbetriebes hohe Hürden aufzubauen“, schimpfte er. Er warb um Spenden oder alternativ zweckgebundene Darlehen: „Wir sind jetzt auf Ihre Hilfe angewiesen, um uns gegen die Schikanen der alten politischen Kräfte zur Wehr setzen zu können!“

 

Es ist die Rolle, die Rouhs eigentlich liebt: David gegen Goliath; Rouhs & Co. gegen eine Welt böser Feinde; und am Ende das Opfer, das doch noch triumphiert. Mit dem Triumph wird es diesmal aber wohl nichts werden. Vor allem, weil es eine Konkurrenz gibt, die das Spiel auf der Klaviatur des Rechtspopulismus weit virtuoser beherrscht als er.