Identifikationspflicht auf der IARC 2016

IARC 2016

Bei der International Animal Rights Conference 2016 ist eine Teilnahme neuerdings nur durch Angabe des Klarnamens und durch Vorzeigen des Ausweises möglich. Wir möchten eine solidarische Kritik an die Veranstaltenden richten und die Probleme aufzeigen, die aus unserer Sicht mit dieser Entscheidung verknüpft sind.

 

Hintergrund dieser Neuerung ist, dass 2015 eine Person vermeintlich als Spitzel der skandinavischen Pelzindustrie identifiziert wurde. Als Beweis für diese Anschuldigung brachten die Veranstaltenden vor, dass ein nennenswerter Teil der Bewegung eines skandinavischen Landes anwesend sei und diese den Verdächtigten nicht identifizieren könnten. Um den offensichtlich verängstlichten Menschen sammelte sich rasch eine Traube von rund hundert aufgebrachten Personen, bedrängten diesen und versperrten ihm den Weg nach draußen. Als Beleg, dass es sich um einen Spitzel handle gaben einzelne Menschen aus der Menschenmenge an, dass dieser ihnen unbekannt sei und seltsame Dinge gesagt habe.
Es ist wichtig einem solchen Verdacht nachzugehen und potentielle Spitzel des Platzes zu verweisen. In diesem Falle wurde die Person aber explizit daran gehindert den Tagungsort zu verlassen. Das Orgateam gab an, dass seine Personalien festgestellt werden sollen und er vorher nicht den Platz zu verlassen habe. Wenige autonom handelnde Tierbefreiungsaktivist_innen konnten den unter Panik stehenden Beschuldigten unter großem Protest der Menschenmenge aus dem Gelände eskortieren. Nach Angaben der Beteiligten wurde der Verdächtigte dann draußen auf der Straße von mehreren Aktivist_innen verfolgt und überfallen wobei sie sein Eigentum an sich nahmen, angeblich zur Identifikation. Dies alles von den Organisierenden getragen und unterstützt.

Die Verantwortlichen versprachen, diesen Vorfall aufzuarbeiten und öffentlich aufzuklären. Dies ist unseres Wissens bis heute nicht geschehen, obwohl die Veranstaltenden im Besitz der Personalien sind.

Stattdessen hat die Orga nun entschieden, zur Konferenz im September 2016, eine anonyme Teilnahme zu versperren und fordert von allen Teilnehmenden ihre jeweiligen Klarnamen offenzulegen, sowie einen amtlichen Ausweis bei der Registrierung vor Ort vorzuweisen. Mit der expliziten Ankündigung Menschen die dies verwehren keinen Zutritt zu gewähren. Es hilft dabei auch nicht, dass die Namenskärtchen beliebig bedruckt werden können, der bürgerliche Name von Personen muss bei der Anmeldung angegeben werden (siehe Screenshot).

Wir sehen hierin fundamentale Probleme und bitten die Orga darum ihre Position zu überdenken.

1. Anonyme Teilnahme beugt Repression vor.

Die Preisgabe der Identität erfordert ein sehr hohes Vertrauen in die Organisierenden. Dass nach Außen keine Weitergabe erfolgen soll ist etwas was nicht kontrolliert werden kann und auch die übliche Phrase der staatlichen Repressionsorgane die hier reproduziert wird. Zumindest Menschen im Organisationsteam erhalten Informationen und können die weitertragen. Insbesondere wenn wir berücksichtigen wie seriös mit einem unbestätigten Vorwurf im Jahre 2015 umgegangen wurde, entsteht kein verantwortungsvoller Eindruck. Ist sich die IARC der Verantwortung überhaupt bewusst, die sie damit für die Sicherheit der Menschen übernimmt? Gerade in einem Kontext in dem Spitzel der speziesistischen Industrie vermutet werden.
Sollte diese Liste doch wie auch immer in die falschen Hände geraten, würde dies eine erhebliche Gefährdung aller Gäste und der Bewegung bedeuten, egal ob diese illegalisierte Aktionen durchführen oder lediglich damit assoziiert werden.

2. Es gibt keinen Safe Space.

Hinzu kommt, dass die IARC hiermit einen safe space suggeriert. Wir können diesen Punkt gar nicht genug betonen: So einen gibt es nicht. Die Kulturfabrik ist offen für Leute die zufällig auf der Straße herumlaufen und direkt in dem Tagungsort neben dem Konferenzsaal befindet sich ein Restaurant welches erst angestrengt nachdenken muss, wenn ein Gast etwas veganes bestellt. Ein echter Spitzel, die_der sich nicht völlig dilettantisch anstellt, wird diesen Ort problemlos infiltrieren. Vermutlich ist dies auch schon geschehen. Die Gäste der IARC reichen vom gesamten Spektrum der Tierbewegung, von neuen Tierschutzleuten, über erfahrende Menschen die seit Jahrzehnten aktiv sind, über friedliche und militante Aktivist_innen und über Leute die nur Infoblätter verteilen wollen. Hier sind Menschen die erhebliche Repression erfahren haben und daher entsprechend vorsichtig sind und hier sind Menschen die mit Repression noch kaum in Berührung gekommen sind und daher entsprechend naiv sind. Diesem Spektrum muss die IARC Rechnung zollen und ihre Gäste über die Gefahren aufklären anstatt zu versuchen einen safe space zu suggerieren, der nicht hergestellt werden kann.

3. Menschen ohne Papiere

Es wird vorausgesetzt, dass alle Menschen über gültige Papiere verfügen, was nicht zwingend der Fall ist. Diese haben es ohnehin schwer die potentiell hohen Reise- und Konferenzkosten zu bezahlen. Diesen Menschen wird hiermit endgültig eine Teilnahme verwehrt.

4. Es kann keine Infiltration verhindert werden.

Durch das Sammeln von Namen kann keinem potentiellen Spitzel die Teilnahme verwehrt werden, da diese ja prinzipiell legal ist. Und auch die Aufklärung einer Bespitzelung kann im Nachhinein nur dann verfolgt werden, wenn ein Spitzel auffällig wird. Denn die Orga verspricht in die Namensliste nicht ohne dringenden Verdacht zu schauen. Und selbst wenn eine Recherche im Nachhinein einen Verdacht bestätigt, hat von dieser Information niemand mehr etwas, weil die Informationen bereits gesammelt wurden. Solange die Person hier keine Straftaten begeht kann auch keine rechtliche Verfolgung angestrebt werden. Was also soll der Sinn sein, Namen überhaupt zu sammeln?

 

 


 

 

Wir bitten die IARC dies als solidarische Kritik zu verstehen, denn wir finden die Konferenz hiervon abgesehen gut und wichtig. Bitte überlegt Euch ein Sicherheitskonzept welches die Identität und Privatsphäre von Menschen schützt.

Freiheit stirbt mit Sicherheit: Lasst uns nicht in unseren emanzipatorischen Kontexten die repressiven Methoden reproduzieren die wir eigentlich bekämpfen wollen.