Viele gegenwärtige Momente, die in dieser Gesellschaft gelebt werden, scheinen außergewöhnlich fruchtbar für Zynismus und Defätismus. Und ich spreche über Belange, die über mein eigenes Wohl hinausgehen. Es sind Haltungen, denen du täglich begegnen kannst, in der Form eines „Ich-weiß-alles-besser-als-du“ oder eines Masterplans um ohne Hindernis durch das Leben zu bummeln. Aber, schwerwiegender, diese Verhaltensweisen folgen als Resultat von verschiedenen Graden des Burnouts oder der Desillusionierung. Die Kapazität zu revoltieren kann nicht nur auf dem Optimismus gegenüber dem Ungewissen beruhen und während die Rebellion nichts an ihrer Dringlichkeit verloren hat, verhindert dies allein nicht, in einer Sackgasse zu landen.
Eine anarchistische Position muss ihren Ausdruck in der Aktion finden, oder es werden nur Wörter im Wind sein, die schnell ihre Fadenscheinigkeit beweisen. Die Frage ist dann wie? Mehr noch, wie, von einer anarchistischen Position aus, in die sozialen Beziehungen intervenieren? Denn es ist hier, in den sozialen Beziehungen, wo die Reproduktion der Autorität stattfindet. Gegen die organisierte Abhängigkeit, die uns (abwechselnd oder gleichzeitig) in die Rolle von Unterdrückten und UnterdrückerInnen steckt, sollten wir nach Autonomie streben. Ausgehend von der Zurückweisung der Repräsentation, der Entfremdung und dem Versuch, unsere Leben nicht nach den Forderungen und Normen dieser Gesellschaft zu formen. Vielleicht wurde dies einst als individuelle Emanzipation bezeichnet. Aus dieser Perspektive umfasst ein anarchistisches Projekt, das auf einen sozialen Kampf abzielt, die direkte Aktion und die informelle Organisation, und erschwert dadurch, dass sich Machtbeziehungen einschleichen. Der Kampf muss in sich selbst ein Bruch sein, der versucht sich auszuweiten.
Sicherlich sind Nischen alternativer Praxis und verbesserte soziale Beziehungen nicht befriedigend. Jeder subversive Versuch probiert die Mechanismen der Kontrolle und Unterwerfung zu sabotieren und wird auf KomplizInnen treffen. Wir können selbst Momente der Begegnung schaffen oder wir können uns an Momenten der Wut beteiligen. Und die Potentialität all dieser Momente liegt in der Fähigkeit, eine radikale Kritik gegen jede Autorität voranzubringen und Autonomie zu realisieren (das heißt keine Repräsentation, keine Delegation, sondern direkte Aktion). Oft werden wir (wieder) mit Bemühungen der Rekrutierung und Rekuperation konfrontiert, die im Winde des Banners der Einheitsfront daher geflattert kommen. Sei es durch das Zusammenführen der Kämpfe verwaltet von linken Militanten/BürokratInnen oder durch eine ansprechende Rhetorik in den Versammlungen, die versucht ein hegemoniales Narrativ aufzuzwingen (welcher aus einer bewussten Vagheit, aus all den Charakterzügen einer Ideologie nur eine fehlt: Konsistenz). Manche streben danach, SprecherIn zu sein (von den PressesprecherInnen, zu denjenigen, die mit den Machthabenden verhandeln, aber auch über die selbsternannten Intellektuellen der Bewegung), gegen welche wir Blasphemie betreiben müssen.
Während die Integrationsmaschine des Wohlfahrtsstaats wankt, (einem Sozialstaat, der, so oder so nur einen beschränkten Zugang garantiert und darauf abzielt BürgerInnen hervorzubringen; ProduzentInnen und KonsumentInnen) werden die Illusionen vieler zerschlagen. Dies scheint ein fruchtbarer Boden zu sein, für neue Arten der Politik und alte Identitäten, basierend auf den Hirngespinsten von Rasse, Ethnie, Nation, Religion, oder anderen Ideologien, deren MöchtegernanführerInnen versuchen, mit der neuesten Mode Schritt zu halten. Vielleicht führt dies dazu, dass manche denken, AnarchistInnen würden mit der Zeit nicht Schritt halten können. Wir denken, dass wir außerhalb der Zeit dieser Gesellschaft sind und wir werden dafür sorgen, dass wir den Rhythmus der Herrschaft unterbrechen.
Inhalt:
4 - Italien -Die Grenze zerstören - Am Brenner und überall
10 - Deutschland - Der Konflikt gegen RWE hat sich intensiviert...
13 - Belgien - Das Blutbad und seine Welt
16 - Belgien - Ein kurzer Überblick über die soziale Situation in Brüssel
18 - Belgien - Über den kommenden Prozess gegen Anarchisten und Antiautoritäre
20 - GB - London 2016: Das Terrain des Kampfes in unserer Stadt
24 - Spanien - Kommuniqué über die letzten repressiven Schläge in Barcelona
26 - Chile - Für einen anarchistischen und aufständischen 29. März
28 - Chile - Im Kampf gegen das Patriarchat, aber vor allem... Gegen jede Form der Autorität!
30 - Mexiko - Unbeugsam gegenüber der Macht