Trotz familiärer Tragödien – Ulbig fordert härteres Vorgehen bei Abschiebungen

Markus Ulbig

Trotz hoher Abschiebequoten und einem deutlichen Rückgang bei der Zahl von nach Deutschland kommenden asylsuchenden Menschen hat Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) in der Leipziger Volkszeitung seine Forderung nach der Einrichtung eines sogenannten „Ausreisegewahrsams“ bekräftigt. In seinen Augen sei es „nicht akzeptabel“, dass Menschen ohne Bleiberecht untertauchen, um damit einer drohenden Abschiebung zu entgehen. Mit seiner Forderung geht Ulbig weiter als die im „Asylpaket II“ zu Jahresbeginn beschlossene Schaffung spezieller „Aufnahmezentren“ (BAE) für Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“.

 

Sachsen hatte allein im ersten Halbjahr 2016 insgesamt 1.896 Menschen abgeschoben. Im vergangenen Jahr waren es im gleichen Zeitraum noch 1.725 Menschen gewesen.

 

In der jüngeren Vergangenheit waren sächsische Unionspolitiker immer wieder mit populistischen Forderungen aufgefallen. Erst kürzlich hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in einem Interview mit der Rheinischen Post behauptet, „dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden“ und damit bei der Opposition und Menschenrechtsorganisationen für Empörung gesorgt. Kritik kam auch von Frank Ulrich Montgomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer: „Wenn Herr de Maiziere Zweifel an der Richtigkeit bestimmter Attesten hat, kann er sich an die zuständigen Landesärztekammern wenden und sie dort überprüfen lassen.“ Auch Wochen nach seinen Äußerungen hatte der Minister auch auf Nachfrage keine Quelle für seine Behauptung angeben können.

 

Ungeachtet der politischen Situation in den betreffenden Ländern wiederholte Ulbig noch einmal seine Forderung nach einer Einstufung der nordafrikanischen Maghreb-Staaten in die Liste der so genannten „sicheren Herkunftsländer“. Erst im Mai hatte der Bundestag mit den Stimmen von CDU und SPD für die Aufnahme von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer gestimmt. Im Bundesrat war das Vorhaben jedoch Mitte Juni unerwartet von der Tagesordnung gestrichen worden. Nach Auffassung des Innenministers soll die Maßnahme angesichts einer Anerkennungsquote von rund einem Prozent künftig „falschen Erwartungen“ in den Ländern Nordafrikas vorbeugen, sowie die Abschiebung abgelehnter Menschen in nordafrikanische Länder vereinfachen und beschleunigen.

 

Dass Abschiebungen immer auch mit persönlichen Schicksalen verknüpft sind, gerät beim bloßen Blick auf die Zahlen oft in Vergessenheit. Laut dem Sächsischen Flüchtlingsrat wurden in Sachsen in diesem Jahr in mindestens zehn Fällen Familien durch Abschiebungen voneinander getrennt. Für Aufsehen sorgte zuletzt ein Fall aus Riesa, bei dem eine Familie, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt und deren Kinder hier zur Schule gingen, auseinandergerissen wurde. Die schwerkranke Mutter wurde zusammen mit ihren drei jüngsten Kindern im Alter zwischen zwei und sieben Jahren nach Mazedonien abgeschoben, obwohl die Familie dort 1999 Opfer ethnischer Unruhen im Land geworden war. Dem Flüchtlingsrat zufolge wurde mit dieser Abschiebung nicht nur eklatant gegen Artikel 6 des Grundgesetzes, sondern auch gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen, da Kinder überall besonderen rechtlichen Schutz genießen und sie mit dieser Maßnahme einer zusätzlichen Gefährdung ausgesetzt sind.