V-Mann "Piatto" steht im Mittelpunkt - NSU-Untersuchungsausschuss in Brandenburg nimmt Arbeit auf

Erstveröffentlicht: 
11.07.2016

Brandenburg ist das siebte Bundesland, das einen eigenen NSU-Untersuchungsausschuss einsetzt. Er soll mögliche Versäumnisse des Brandenburger Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie aufklären. Am Dienstag trifft sich der Ausschuss zum ersten Mal.

 

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags nimmt am Dienstag seine Arbeit auf. Bei dem ersten Treffen wollen die zehn Ausschussmitglieder die ersten Beweisanträge beraten. Ihre Aufgabe soll es sein herauszufinden, ob der Brandenburger Verfassungsschutz die Taten des rechtsextremen NSU-Trios durch restriktiven Umgang mit Informationen begünstigt oder die Strafverfolgung gar erschwert hat.

 

Im Raum steht der Verdacht, dass Brandenburgs Verfassungsschutz mögliche Erkenntnisse über das NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe nicht an andere ermittelnde Landes- und Bundesbehörden weitergeleitet haben könnte. Dabei steht vor allem die Rolle des Brandenburger V-Manns "Piatto" im Mittelpunkt der Untersuchungen.

 

"Piatto", ein einschlägig vorbestrafter Neonazi, wurde vom Landesverfassungsschutz unter diesem Decknamen als Verbindungsmann geführt. Er hatte Ende der 90er Jahre und damit bereits weit vor Beginn der Mordserie auf drei sächsische Skinheads hingewiesen, die sich bewaffnen und nach Südafrika absetzen wollten. Diese Informationen sollen vom Verfassungsschutz nicht ausreichend beachtet worden sein, so der Vorwurf.  

 

Abschlussbericht soll bis Herbst 2019 fertig sein


Dem Ausschuss mit offiziellen Titel "Untersuchungsausschuss zur organisierten rechtsextremen Gewalt und Behördenhandeln, vor allem zum Komplex Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)" gehören Landtagsabgeordnete aus den Fraktionen von SPD, CDU, Linke, AfD und Bündnis 90/Die Grünen an. Insgesamt hat das Gremium neun ordentliche, stimmberechtigte Mitglieder sowie neun Stellvertreter. Den Vorsitz hat der Landtagsabgeordnete Holger Rupprecht (SPD) inne, der selbst nicht stimmberechtigt ist. Er hat vorab angekündigt, dass die Sitzungen des Ausschusses - im Gegensatz zur ersten Sitzung am Dienstag - soweit wie möglich öffentlich sein sollen.

 

Die Abgeordneten sollen in den nächsten Jahren Antworten auf die 34 Fragen finden, die im Antrag zur Einsetzung des Ausschusses formuliert sind. Nach Angaben von Rupprecht soll der Ausschuss ab September einmal im Monat tagen. Ob die Abgeordneten "Piatto" selbst erneut anhören, sei noch nicht entschieden, sagte Rupprecht. Er legte dies aber sehr nahe: "Es sind noch einige Fragen offen"Neben der Rolle "Piattos" und der Arbeit der Brandenburger Verfassungsschützer soll auch der "Aufklärungswillen des Innenministeriums" im Zusammenhang mit den NSU-Morden beleuchtet werden, wie etwa CDU-Obmann Jan Redmann sagte. Der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses soll noch in dieser Legislaturperiode, also bis spätestens Herbst 2019 vorliegen. 

 

Siebtes Bundesland mit eigenem NSU-Untersuchungsausschuss


Brandenburgs NSU-Untersuchungsausschuss ist bereits der siebte seiner Art in Deutschland. Ähnliche Ausschüsse tagen seit 2012 in Thüringen, Sachsen und Bayern, später folgten die Landtage von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen. Im Bundestag hatte der 3. NSU-Untersuchungsausschuss in der vergangenen Woche seine letzte Sitzung vor der Sommerpause.

 

Das NSU-Trio soll in den Jahren 2000 bis 2007 zehn Menschen ermordet haben, neun der Opfer waren Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft. Aufgeflogen war der NSU im November 2011 nach einem gescheiterten Banküberfall. Als einziges noch lebendes Mitglied des Trios steht Beate Zschäpe unter der Anklage der Mittäterschaft in München vor Gericht.