Zu Zeiten in denen das “Vertrauen in die Sicherheit in Flammen aufgeht”, wie die BZ als altbekanntes linksradikales Sprachorgan titelte, schien es einer Gruppe der richtige Moment, am helllichten Tag die Straßen Kreuzbergs mit einer Fahrraddemo zu blockieren um diesen Zustand ungehemmter Angriffe auf das Bestehende zu kommunizieren und einen Ort für kollektive Aktionen zu schaffen.
Aus der
Erfahrung, dass unangemeldete - und erst Recht nächtliche Spontis -
nicht gerade die Stärke der Berliner Szene zum Ausdruck bringen und
nicht mehr als verlässliche, mobilisierungsfähige Aktionsform
angesehen werden, haben sich Menschen an die letzte größere
Fahrraddemo am Spreewaldplatz erinnert, die in dieser Form die Bullen
komplett überfordert hatte.
Ziel dieser Fahrraddemo in
Solidarität mit der Rigaer 94 war es zum einen, diese Form der Demo
auszuprobieren, mit der Hoffnung, dass die Bullen dafür erstmal kein
Konzept hätten und wir zudem auf Fahrrädern schwerer zu stoppen
wären. Zum anderen hatten wir breit und öffentlicher mobilisiert in
der Hoffnung, dass Menschen, die nachts nicht in Kleingruppen
unterwegs sein können oder wollen, im Hellen und ohne große
Repressionsgefahr dazu stoßen würden.
Alle kamen in bunt, es wurden farbenfrohe Tücher verteilt und so konnten wir uns unverdächtig sammeln, ohne bereits von herumschleichenden Bullen entdeckt zu werden. Es gab Musik, Körbe mit Farbeiern und Weihnachtsbaumkugeln, Flyer und es schien als wäre die Route nicht spontan gewählt. So starteten 80 Menschen laut rufend in den Bergmannkiez, beklecksten die alte Hausverwaltung der R94 ('Belima'), Banken und Neubauten bis zur Dresdner Straße mit Farbe. Der erste Bullensixer fuhr uns stumpf hinterher, aus der Zivikarre scannten die üblichen Pommesgesichter unsere vermummten Erscheinungen, doch erstaunlicherweise war es den Bullen bis vor den O-Platz nicht möglich ihre Kräfte sinnvoll zu sammeln. Für uns war es gut bis dahin zusammen zu bleiben auch wenn die Sirenen lauter wurden, da die Parks und belebten Straßen Möglichkeiten zum Umziehen und Untertauchen boten.
Dass
nur so wenige Menschen mobilisiert wurden, hat leider dazu geführt,
dass die Angriffe auf Objekte an der Route nur im Stress durchgeführt
werden konnten und im Falle eines Farbangriffs auf relevantere Ziele,
keine Deckungsmasse für die einzelnen Werfer*innen vorhanden gewesen
wäre. Wir haben auch gelernt, dass breite Straßen vor allem den
Stress mit Autos erhöhen und die Zielsicherheit für Farbbomben
erschweren.
Die Freude über unsere Rufe gegen (steigende) Mieten,
Bullen und Henkel konnten wir an den Gesichtern von etlichen
Autofahrenden und Schaulustigen erkennen, die uns auch zuriefen und
lachten, was uns überraschte und später mehrmals als positives
Feedback an uns herangetragen wurde.
Wir glauben, die Aktionsform macht Sinn: Es war von Anfang an dynamisch und motivierend auf dem Rad unterwegs zu sein. Klar, beim Thema 'R94' hatten die Bullen richtig Bock uns am Ende in die Finger zu kriegen, doch trotz ihrer Spielwiese 36 haben sie es mal wieder nicht geschafft.
Wir werden weiter auf den unterschiedlichsten Ebenen gegen diesen Drecksstaat und seine stadtpolitischen Köpfe im Kampf um die Rigaer alle Mittel ins Feld führen, die den Druck erhöhen, Henkel schlaflose Nächte und unangenehme Interviews einbringen und die dazu führen, dass bundesweit in Schweineställen um Unterstützungskräfte gebettelt werden muss: Für einen schwarzen Juli!
Die Demo am Samstag ist eine weitere Möglichkeit der Zuspitzung, darf aber nicht zu einem Moment der vermassten Konsumhaltung werden. Wir freuen uns wenn sie so groß wie erhofft und so angriffsbereit wie nötig sein wird, denken aber, dass die Rigaer Straße und ihre Bewohner*innen unsere täglichen Gedanken, unseren täglichen Mut und unsere unkalkulierbaren Einsätze im Stadtgebiet und weit darüber hinaus benötigen.
Unser Haus – Unsere Straßen – Unsere Stadt!
Samstag | 09.07.2016 | 20:30 | Wismarplatz
Grüße an die wundervollen Menschen im Vorder- und Hinterhaus der 94!
Wir sehen uns auf der Straße!
Chaot*innen on Tour – Sektion Fahrrad