Flashback des Voluntarismus

In der neuen Juli-Ausgabe der Onlinezeitung TREND geht es noch einmal um den Maoismus

 

Die Dokumentensammlung zur Kulturrevolution wurde ergänzt und Ende Juni die Materialsammlung für die Veranstaltung der NEA komplettiert. Von daher war es nur folgerichtig, gerade weil die NEA-Veranstaltung ein "Blick zurück nach vorn" sein will, in diese Ausgabe einen aktuell verbreiteten Text der MLM-Bewegung aufzunehmen. Darin werden die Erfahrungen des "Leuchtenden Pfads"(maoistische KP Peru) zu einer weltweit gültigen, revolutionären Strategie hochgerechnet und es finden sich darin solche Plattheiten wie z.B.: "dass heute ein Marxist zu sein bedeutet, ein Marxist-Leninist-Maoist, hauptsächlich Maoist zu sein."

Mensch mag sich über diese hemdsärmliche Art zu argumentieren weidlich mokieren. Doch dies wird dem subjektiv ehrlichen Anliegen jener Genoss*innen nicht gerecht! Ein Blick zurück in die Anfänge der Adaption der Mao Tse-tung Ideen in den 1960er Jahren in Westberlin und der BRD zeigt nämlich, dass solch Wortgerassel nur folgerichtig ist, wenn der Wille zur Tat drängt, obgleich und weil die Arbeiter*innenklasse keine Anstalten macht, die bürgerlich-kapitalistische Ausbeutungsgesellschaft aufheben zu wollen.


Insofern erscheint mir unter den gegenwärtigen  Bedingungen der Abwesenheit einer revolutionären Organisierung der Klasse in den Metropolen der Wiederbelebungsversuch des Maoismus als eine Art von Flashback des Voluntarismus, wie er weiland von der Student*innenbewegung praktiziert wurde. Denn so wie damals organisiert sich der Maoismus nicht auf der Grundlage einer nach  maoistischen Prinzipien geführten Untersuchung der Klassenverhältnisse, sondern überspringt diese Etappe des Parteibildungsprozesses erneut durch subjektivistische ex ärmelo-Einschätzungen:


"Auf dem dritten Plenum des Zentralkomitees der KPP 1992 präsentierte der Vorsitzende Gonzalo, dass die dritte Welt sich nach Europa ausdehnt, eine sehr wichtige These, hauptsächlich für die Kommunisten auf diesem Kontinent, eine Arbeit die er durch seine Festname nicht entwickeln konnte. Ein strategischer Hinweis für die Kommunisten, ohne welche man die sogenannte „Europäische Union”, den Krieg in der Ukraine, die Situation in den Balkanländern und im Balktikum neben anderen brennenden Themen nicht verstehen kann."

 

um bloß schnell zu einer vermeintlich revolutionären Praxis im Hier und Jetzt zu kommen.

Wer sich ein genaueres Bild von jenem MLM-Subjektivismus machen will, dem empfehle ich folgende Internetseiten:

Dass revolutionäre Politik nicht als Wissenschaft betrieben wird, die ausgehend vom Grundwiderspruch und den Haupt- und Nebenwidersprüchen planvoll in diese untersuchend, kämpfend und organisierend eingreift, um das Proletariat als Klasse für sich zusammenzuschließen, ist ein Mangel revolutionärer Politik, der konsequenterweise dazu führt, die Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse so zu belassen, wie sie sind.


Subjektivismus, Theoriefeindlichkeit und die Anbetung der Praxis des unmittelbaren Handelns aus Entrüstung, Erniedrigungsgefühlen und Wut führen gewöhnlich entweder zur Propaganda der Tat mittels Stadtguerilla bzw. zu artverwandten anarchistischen Konzepten oder in die Sackgasse des prinzipienlosen Mittuns im kapitalistischen Geschäfts- und Staatsbetrieb. An dessen Schnittstellen warten bereits selbsternannte Expert*innen für das Phantasma von der sozialen Gerechtigkeit im Kapitalismus. In der vorliegenden Ausgabe repräsentiert durch: "Mitglieder der Fachkommission der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und Piratenfraktion, Mitglieder von Mieter/innen-Initiativen Berlin", die es immer noch nicht leid sind, nach der politischen Totgeburt "Mietenvolksentscheid", Hoffnung zu stiften, dass durch gute Argumente den Ausgebeuteten und Unterdrückten ein wenig Hilfe „von oben“ zuteil werde. Dieser bürgerliche, auf Vorteilsnahme und Berechnung ausgerichtete Voluntarismus gehört quasi organisch zum spätkapitalistischen Geschäftsbetrieb. Er ist im Sinne von Gramsci Teil der notwendigen ideologischen Panzerung des staatlichen Gewaltapparates.


Eine sich revolutionär begreifende Linke, die allerdings selber nur voluntaristische Politik betreibt - ob mit oder ohne radikalem Vokabular,  macht eben gerade nicht den Unterschied zu bürgerlicher Politik deutlich. Sie befähigt die sich selbstorganisierenden Aktivisti*innen in ihren täglichen Verteilungskämpfen (siehe dazu in dieser Ausgabe die Artikel zu den Stadtteilkämpfen) dadurch weder zu einer politisch-praktischen noch zu einer theoretisch-ideologischen Selbständigkeit jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik und deren Personal.


Bestimmt von dieser Kritik am Voluntarismus werde ich ausgehend von meinen persönlichen Erfahrungen mit dem Maoismus der 1960er/70er Jahren   in der NEA-Veranstaltung "Wie der Maoismus nach Westberlin kam“ aufzeigen, welche Mao-Texte damals Schlüsseltexte für das Entstehen der maoistischen Bewegung in der BRD und Westberlin waren, um daran anknüpfend darzustellen, welche theoretischen und politisch-praktischen Schriften Mao Tse-tungs noch heute für eine sozialrevolutionäre politische Intervention bedeutsam sind.

 

 

Veranstaltung
Fr, 08.07.2016 | 19:30 Uhr | Bunte Kuh (Bernkasteler Straße 78 / Weißensee)
Wie der Maoismus nach Westberlin kam – Ein Blick zurück nach vorn
Veranstalter*innen: North-East Antifascists [NEA] & TREND Onlinezeitung
Referent: Karl-Heinz Schubert (TREND Onlinezeitung)