HH, Breite Str Prozess 22.Tag - Einlassung, Hausmeister und Zeugin aus dem früheren Umfeld einiger Beschuldigter

Breitesoli

Der Tag beginnt damit, dass Richter Halbach den Sonderband Elektropherogramme herum gibt für den nächsten Termin (Bilder von DNA).

 

Danach verliest er seinen Vermerk vom 31.5. In diesem berichtet er vom unangekündigten Auftauchen eines Anwalts der Verteidigung in seinem Büro. Dieser kündigte ein umfassendes Geständnis des von ihm vertretenen Angeklagten an und erwähnte, dass er die Ladung von Florenzia Felsendorff für nicht nötig hält. Zudem berichtete der Anwalt von einem Gespräch mit der Staatsanwaltschaft, die nun prüfe ob ein zusätzlicher Vorwurf (eine Sachbeschädigung in anderer Sache) wegen Geringfügigkeit eingestellt werden könne. Halbach sagte nichts zur Sache und informierte den Anwalt noch am selben Tag, dass er die Zeugin auf jeden Fall hören wolle.

 

Halbach fragt, ob die Verteidigung wie angekündigt etwas sagen wolle. Der einzige Beschuldigte, für den auf jeden Fall Erwachsenen-Strafrecht gilt, lässt daraufhin von seinem Anwalt eine Einlassung vorlesen.

 

Er gibt zu, dass die Vorwürfe, er sei derjenige der Waschbeckenteile geworfen und einen Farbeimer ausgeschüttet zu haben, zuträfen. Auch der Besetzungsvorwurf sei grundsätzlich richtig. Bewurf von schweren Gegenständen habe er nicht mitbekommen. Er habe damals und auch heute schwere Verletzungen ausgeschlossen. Sollte jemand verletzt worden sein möchte er sich entschuldigen. Von einer brennbaren Flüssigkeit im Treppenhaus habe er nichts gewusst und andere hätten auch nicht darüber gesprochen. Anfänglich waren sehr viele Leute im Haus.


Die Sache sei aus dem Runder gelaufen, damals sei er quasi obdachlos gewesen, bei gleichzeitigem Leerstand. Mittlerweile hätte er die Einsicht, dass es sinnvollere Wege gäbe damit umzugehen.

 

Richter Halbach nutzt die Einlassung um Druck aufzubauen, dass die anderen Beschuldigten sich ebenfalls einlassen sollten. Das Verfahren werde noch eine Weile dauern und auch bei Jugendlichen sei eine Kostenfolge möglich wenn auch nicht üblich.
Bis zur kommenden Sitzung solle die Verteidigung sich dazu verhalten.

 

Als erster Zeuge wird der Hausmeister Holger Haagen, 54 Jahre, aufgerufen. Er gibt an seit 8 Jahren für den ehemeligen Hausbesitzer Scheffler zu arbeiten. Die Häuser in der Breite Straße habe er gegen Ende aus Kulanz kostenlos mit betreut, da, weil sie leer seien, kaum Arbeiten angefallen wären.

 

An seinem Verhör sind vor allem zwei Dinge auffällig:

Er scheint sich abgesprochen zu haben. In wesentlichen Punkten sagt er auffällig das Gleiche wie Herr Scheffler. Diesen will er aber das letzte Mal vor dessen Verhör gesehen haben, zufällig im Treppenhaus, da er auch dessen Wohnhaus betreue. Beispielweise gibt er genau wie Scheffler an die Sicherungsmaßnahmen nach einer Demo begonnen zu haben, die ein halbes Jahr vor der Besetzung gewesen sei. Tatsächlich war die beschriebene Demo eineinhalb Jahre vorher.

 

Er sagt an vielen Stellen eine andere Version aus als Scheffler. Die Eingangstür ist durch Balken gesichert, nicht durch Platten. Scheffler hat die Sicherungsarbeit nie abgenommen, sondern lediglich zwei Fotos von ihm geschickt bekommen, ins Haus sind sie nicht durch den Schacht in den Keller auf der Rückseite gelangt, sondern durch ein rückseitiges Fenster in einen ehem. Laden im Erdgeschoss, das Treppengeländer war aus Metall usw.

 

Interessant ist auch, dass der Tischler, wahrscheinlich mit Kolleg_innen, im Haus war um die Dielen großflächig rauszuholen. Der Haagen hatte ihm telefonisch mitgeteilt wie er ins Haus gelangen kann und selber nicht dabei.

Weiteres zum Komplex Haus“eigentümer“ Scheffler und Hausmeister Haagen findet sich bei Anna Elbe.

 

Am Nachmittag war Florenzia Felsendorff, 20 Jahre, als Belastungszeugin geladen, als Beruf gibt sie Barkeeperin an. Sie befand sich früher im Umfeld einiger Beschuldigter. Sie hat mehrfach bei der Polizei ausgesagt und dabei mehrere der Beschuldigten belastet.

 

Die Verteidigung weist Richter Halbach darauf hin, dass bei der Zeugin ein Aussageverweigerungsrecht nach §55, der Möglichkeit der Selbstbelastung, bestehe. Halbach gibt an dieses nicht zu sehen und darum auch nicht darauf hinzuweisen.

 

Zu Beginn wirft die Zeugin die Frage auf warum sie hier sei, da sie zum Tatzeitpunkt im Bett gelegen habe. Außerdem habe sie sich schon vor der Besetzung aus dem Verein zurückgezogen, in dem sie mit einigen der Beschuldigten im Vorstand gewesen sei.

 

Bei ihrer Zeuginnenbefragung durch Halbach gab sie nun an bei der ersten Aussage betrunken aus Wut und Eifersucht ausgesagt zu haben. Sie war ca.1/2 Jahr mit dem Beschuldigten der die Einlassung gemacht hat zusammen, er hätte sie betrogen, eine Trennung sei nie schön. – Ihre Aussage hatte zu seiner Festnahme und den darauf folgenden ca.6 Monaten U-Haft gesorgt.

 

Eigentlich hätte sie aber weder vor der Besetzung noch danach wirklich etwas gewusst. Die Bilder der Festgenommenen habe sie in der Zeitung gesehen, aber bei Bildern von Vermummten während der Besetzung keine Person erkannt. Ansonsten hatte sie Gerüchte gehört. Andere Aussagen wären allgemein gesprochen gewesen.

Halbach fragt welche Gerüchte sie denn gehört habe, eine Frage die die Verteidigung beanstandet da sie keine Mittelbarkeit zur Hauptverhandlung hat. Halbach will bei der Frage bleiben und nach einem somit nötig gewordenen Gerichtsbeschluss weist er die Beanstandung zurück und fragt nach von wem sie das gehört habe.
Die Zeugin gibt an, dies nicht mehr zu wissen und dass sie versuche das so weit es geht zu verdrängen. Ja, sie kennt den Angeklagten, sie hat mit ihm eine Beziehung geführt die weniger als sechs Monate ging und Anfang 2014 endete.

 

Halbach fragt nach dem Polizeibesuch im Jugendtreff Sulldorf.
Sie gibt an, dass sie damals bei einem Geburtstag gewesen sei und nicht ganz nüchtern. Ihre Aussage sei der Wut und dem Alkohol geschuldet gewesen, Ein Beziehungsende sei nie schön.

 

Halbach fragt der Reihe nach ob sie die anderen Betroffenen kenne. Sie gibt an mit einem im Vereinsvorstand gewesen zu sein, sie hätten zusammengearbeitet und seien befreundet gewesen. Zwei andere seien auch in dem Verein gewesen. Der Verein hieße Nutz(t)raum und habe sich mit der Zwischennutzung von Leerstand in Hamburg beschäftigt. Ihr Projekt sei das B20 gewesen, ein altes Autohaus mit 2.500m², das sie mit Leben gefüllt hätten. Sie hätten es entkernt, neue Wände gezogen etc. und Musikveranstaltungen und Partys gemacht. Die Betroffenen aus dem Verein kannten sich untereinander. Sie sei in Sülldorf davon ausgegangen nicht betrunken zu sein.

 

Halbach will wissen ob sie im Vorfeld von Planungen der Angeklagten gehört habe.
Sie verneint, etwa zwei bis drei Monate vor ihrem Geburtstag – Halbach wirft ein dies sei der 3.9.1995 – sei sie raus aus dem Verein. Nach der Besetzung habe sie Bilder in der Mopo gesehen und auf den Festnahmebildern habe sie natürlich Leute erkannt.

 

Halbach will wissen ob sie nach der Hausbesetzung gehört hat wer teilgenommen habe.
Sie sagt aus die Vornamen hätten ja in der Zeitung gestanden, sie habe sich nicht damit beschäftigt, sich auf die Schule und ihr Fachabi konzentriert.

 

Halbach fragt nach der Vernehmung.
Sie berichtet sie saßen drinnen und sie wurde von zwei Polizisten befragt. Ihr wurden Fragen gestellt und Bilder gezeigt aber sie hat keine Erinnerung. Sie hat gemeint, den Betroffenen zu erkennen mit dem sie zuvor eine Beziehung hatte, aber ist sie sich nicht sicher. Sie wollte ihn vielleicht auch erkennen.

Halbach fasst zusammen, ‚mit anderen Worten: Vielleicht haben sie ihm damals eine reinwürgen wollen, weil sie sauer waren und besoffen‘ worauf die Zeugin antwortet ‚so in etwa‘.

 

Habach fragt ob sie noch wen anders erkannt habe was sie verneint.

Halbach fragt ob sie Angst habe und bedroht wurde. Sie gibt an nicht körperlich bedroht worden zu sein und weist ihn darauf hin, dass er vielleicht mal in die Akte schauen solle. Halbach will nicht gucken, sondern es hören und sie berichtet von zwei bedrohlichen SMS nach ihrer 1. Aussage bei der Polizei. Diese habe sie bei der Polizei gemeldet.
Halbach verliest zwei Fotografien der SMS und stellt Fragen danach was sie bedeuten.

Die Zeugin gibt an, dass es danach keine schriftlichen Drohungen mehr gegeben habe, aber sie merke natürlich die Abneigung die ihr von verschiedenen Menschen entgegengebracht werde. Es habe keine weiteren Drohungen gegeben, nur Ausschluss von Events. Auch im Vorhinein auf ihre heutige Aussage sei niemand auf sie zugekommen.

 

Halbach beginnt Teile aus dem Verhör vorzuhalten. Zur Frage was sie rund um die Besetzung weiß, habe sie damals angegeben, dass drei der Betroffenen beteiligt gewesen seien. Woher sie das gewusst habe.
Sie gibt an, dass sie das aus den Nachrichten gewusst habe, sie habe das nicht angegeben damals, dass sie es aus der Presse habe weil sie nervös gewesen sei.

Halbach hält vor sie hätte ausgesagt, dass sie im Freundeskreis darüber gesprochen habe.
Sie gibt an, dass das Gerüchte gewesen seien wie sie ja schon gesagt hat. Sie war anfangs zögerlich in ihrer Aussage wegen der ehemaligen sozialen Bindung an den einen Betroffenen. Seinen Namen habe sie dann unter anderem genannt weil sie sauer war.

Halbach hält vor, sie habe ausgesagt im Vorfeld davon gewusst zu haben und versucht zu haben die Aktion auszureden.
Sie gibt an damit die Squatting Days gemeint zu haben. Sie habe alle im Verein angesprochen und niemanden besonders. Sie wurde jedoch ignoriert.

Halbach fragt ob sie gehört habe was eingesetzt werden solle, ob sie Gerüchteweise von Feuerwerkskörpern gehört habe. Sie gibt an diese seien doch ein ganz normales Mittel bei Demos und allem.

 

Halbach hält weiter aus der Aussage vor, sie kenne die Leute und sei davon ausgegangen, dass die nicht nur Federn fallen würden. Sie würden stattdessen "schwere Geschütze" auffahren. Eben auch weil alle vorbestraft waren. Ihr sei klar gewesen, dass "die ins Gefängnis gehen".
An Richter Halbach gewandt erklärt sie, er müsse sich nur im Saal umsehen. In der linken Szene sei es eher üblich im Knast zu sitzen. Und dass sie nicht gewusst habe was da rausfliegen soll.

 

Halbach hält weiter vor. S. und die die gefasst worden sind seien es gewesen. Die Zeugin wieder holt sie habe Fotos von den Festgenommenen in der Presse gesehen. Darauf liest Halbach aus der Aussage von einem Gespräch das sie mit den Beschuldigten in einer Ecke der B20 geführt hat.
Die Zeugin sagt es sei eher ein Monolog gewesen.
Die Verteidigung unterbricht die Befragung mit dem Hinweis an Halbach das er schon komplett verhalten müsse, da es um eine nicht stattfindende Party geht.
Daher ergänzt die Zeugin, dass es da wohl um die letzte Party ging und der Vorstand darüber reden musste.

In der weiteren Befragung gibt die Zeugin an, zum Beziehungsende sei es gekommen, weil sie eifersüchtig gewesen sei. Der Angeklagte habe sie mit seiner Ex-Freundin betrogen. Die Eifersucht war der Hauptgrund für das Beziehungsende und seitdem habe sie keinen Kontakt mehr zu ihm. Es sei im Frühjahr 2014 zu Ende gewesen.

 

Halbach fragt ob sie Ulrich Gehner kenne.
Die Zeugin gibt an, er sei einer der älteren Vorstandsmitglieder gewesen. Am Anfang habe sie sich besser mit ihm verstanden als am Ende. Sie habe nie mit ihm über die Besetzung gesprochen.

 

Halbach hält ihr aus der 2. Aussage vor, dass sie zu einer anderen Sache nichts sagen wollte, weil sie die Jungs schwer belastet habe, obwohl sie nicht wusste, ob das so passiert ist. Sie ergänzt, dass sie noch einmal über ihre Aussage nachgedacht habe und freiwillig noch einmal zur Polizei sei, um zu sagen dass ihre Aussage auf Gerüchten beruht.

Der Beisitzende Richter will wissen ob sie abgesehen von den Bedrohungen noch mit jemand anders über die Vernehmung gesprochen habe.
Die Zeugin gibt an mit Freund_innen, die nichts damit zu tun haben darüber gesprochen zu haben, weil sie eine Schulter und ein Ohr zum mitteilen brauchte. Sie habe dadurch Kraft und auch Ratschläge bekommen; in erster Linie sich von den Leuten fern zu halten. Inhaltlich hätten sie nicht gesprochen.
Zwischen der zweiten Vernehmung und heute habe sie mit Freund_innen über ihre Ängste und Sorgen gesprochen.

 

Halbach will wissen ob es einen speziellen Grund für Angst und Sorge gebe.
Sie gibt an, sie sei das erste Mal vor Gericht und sei daher nervös. Auf nachfrage sagt sie, eine Taktik habe sich nicht überlegt, zumal sie nicht wusste, was sie erwarten würde.

 

Die Staatsanwaltschaft hat keine Fragen.

 

Der Verteidiger des Betroffenen der die Einlassung gemacht hat hält eine Aussage aus der Vernehmung vor, in der sie gesagt hat, er habe eigentlich immer nette Transparente gemacht und friedliche Aktionen, falls er dabei sich das nicht erklären könne. Die Zeugin bestätigt, dass das so stimmt.

 

Damit endet die Befragung. Für den nächsten Tag ist die Sachverständige Röscheisen geladen.