Türkischer Staat beginnt aggressive Kampagne gegen die kurdische Bewegung und ihre Unterstützer_innen in Europa

Bremer Solidaritätskomitee Kurdistan

CDU in Bremen beteiligt sich und warnt Bürgerschaft vor der „unheilvollen Allianz“ zwischen deutschen Linksradikalen und kurdischer Bewegung.

Während Erdogan in der Türkei seine Macht weiter ausbaut, den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung intensiviert, jegliche Opposition ausschaltet und die Türkei in eine islamisch-faschistische Diktatur umbaut, rückt nun verstärkt auch Europa in den Fokus seiner Politik. Die Bundesrepublik steht dabei im Zentrum, nicht nur weil hier über drei Millionen türkische und kurdische Bürger_innen leben, sondern auch, weil die Bundesregierung immer schon ein wichtiger Verbündeter der Türkei war und Erdogan aktuell bei der Umsetzung seiner Interessen Rückendeckung gibt.

 

Vor diesem Hintergrund ist die kleine Anfrage der CDU in der Bremer Bürgerschaft weder Zufall noch Einzelfall, sondern Teil der aggressiven Kampagne des türkischen Staates gegen alle Kritiker_innen.

 

Spätestens seit dem erfolgreichen Kampf um Kobanê genießt die kurdische Befreiungsbewegung weltweit eine breite Solidarität und Unterstützung. Eines der wichtigsten strategischen Ziele des AKP-Regimes im Ausland ist es deshalb, das Ansehen der kurdischen Bewegung zu schädigen und Aktivist_innen anzugreifen. Informationen zufolge soll diese Ziel nun europaweit verstärkt und auf unterschiedlichen Ebenen angegangen werden:

 

  1. durch Mobilisierung und Radikalisierung der türkischen Bevölkerung und gezielte Spaltung zwischen der türkischen und kurdischen Bevölkerung in der BRD

  2. durch eine breite Kampagne zur Diffamierung und Kriminalisierung der kurdischen Bewegung, kurdischen Vereine, ihrer Anhänger_innen sowie ihrer Aktivitäten aber auch deren Unterstützer_innen,

  3. durch die verstärkte Strafverfolgung von türkischen und kurdischen linken Aktivist_innen in der BRD,

  4. durch den Aufbau und die Stärkung von islamistisch-nationalistischen Gruppierungen.

 

Einfluss übt die AKP in Europa v.a. über den 2004 gegründeten Verein der „Union europäisch-türkischer Demokraten“ (UETD), der als direkter verlängerter Arm des AKP Regimes agiert und inzwischen über eine finanzstarke und gut strukturierte Vereinslandschaft in ganz Europa verfügt. Die UETD gibt sich nach außen als harmlose Vorzeige-Interessenvertretung der türkischen Bevölkerung in Europa. In der Realität fördert sie jedoch die Radikalisierung der türkischen Bevölkerung und mobilisiert nicht nur gegen Kurd_innen, sondern gegen alle nicht-türkisch-sunnitischen Minderheiten wie Alevit_innen, Yezid_innen, Armenier_innen etc. Gleichzeitig erweitert die UETD den Einfluss der AKP in Europa, in dem sie sich eng mit Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen vernetzt bzw. ihre Mitglieder diese gezielt unterwandern.

 

Anders als früher, mobilisiert die UETD in letzter Zeit verstärkt auch zu Großdemonstrationen auf die Straße. Bereits am 10.04.2016 hat sie zusammen mit einem Bündnis aus kemalistisch-nationalistischen und faschistischen Gruppen unter dem Namen „Initiative Friedensmarsch für die Türkei“ bundesweit zu Demonstrationen gegen den „Terror der PKK und des IS“ aufgerufen1. Auf türkisch u.a. unter dem Motto: „Alles für das Vaterland – Märtyrer sterben nicht, das Vaterland kann nicht geteilt werden“. Ein Ziel ist dabei auch, eine Eskalation zwischen Türk_innen und Kurd_innen auf der Straße zu provozieren, was – wie in den 90er Jahren – den Ruf der kurdischen Bewegung in der Öffentlichkeit schädigen und eine weitere Kriminalisierung begünstigen würde.

 

Zum 01.06. folgten ca. 5000 Menschen dem Aufruf der UETD und anderen nationalistischen Gruppen zu einer bundesweiten Großdemo gegen die Anerkennung des armenischen Völkermordes durch den Bundestag in Berlin – aus vielen Städten wurden Busse kostenlos gestellt und das Mobi-Video lief stündlich auf allen türkischen Kanälen2. Bisher folgten den Demoaufrufen nicht so viele Menschen wie erwartet, aber die Radikalisierung der türkischen Bevölkerung nimmt auch in der BRD deutlich zu. In Bremen sind am 10.04 trotz facebook-Mobilisierung keine Nationalist_innen auf der Straße erschienen, dafür aber zwei Wochen später. Am 29.04 marschierten von der Linken weitgehend unbemerkt 200-300 türkische Nationalist_innen und Faschist_innen in die Bremer Innenstadt und hielten auf dem Marktplatz eine Kundgebung ab.

 

Bei der Radikalisierung spielt inzwischen auch der Moscheeverein DITIB eine wichtige Rolle. Er ist dem beim türkischen Ministerpräsidenten angesiedelten Amt für Religionsangelegenheiten Diyanet unterstellt und wird von diesem kontrolliert. Diyanet bildet die meisten der in der BRD tätigen Imame aus und schreibt die Predigten zentral für alle Moscheen. Viele der Imame und leitenden Mitglieder von DITIB sind Mitglieder des türkischen Geheimdienstes MIT oder arbeiten für diesen3. In den Predigten wird zunehmend ein konservativer Islam gepredigt und schon mal für den „Märtyrertod“ geworben.

 

Seit Merkel zum Dauergast in der Türkei geworden ist, werden in der BRD zudem vermehrt türkische und kurdische Linke verhaftet und verurteilt. So wurden Anfang 2015 zehn Mitglieder der linken türkischen Organisation ATIK wegen § 129 b verhaftet und 17 kurdische Aktivisten sind von der Kriminalisierung betroffen. Erst Ende April wurde wieder ein kurdischer Aktivist in Bremen verhaftet. Aber auch mit der kurdischen Bewegung solidarische linksradikale Strukturen sind zunehmend von Repression betroffen, wie die Hausdurchsuchung der Korn in Hannover gezeigt hat.

 

Auch der türkische Geheimdienst MIT ist in der BRD sehr aktiv und verfügt über ein umfangreiches Netz aus Informant_innen, mit dem türkische und kurdische Aktivist_innen ausgespäht werden. Die 2015 in der BRD verhafteten Mitarbeiter des MIT hatten über 3000 Namen von Oppositionellen mit ausführlichen Informationen in ihrem Gepäck – auf Druck der türkischen Regierung und als Verhandlungsmasse im sogenannten Flüchtlingsdeal wurden sie Anfang 2016 wieder freigelassen. Der MIT arbeitet dabei eng mit dem BND zusammen und ist insbesondere auch in Bremen und Bremerhaven aktiv. Im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Izmir und Bremen kommen auch immer wieder Mitarbeiter_innen des MIT zu Besuch und stehen in engem Austausch mit den hiesigen Behörden. Der ehemalige türkische Polizeipräsident Hanefi Avci hat in seiner Autobiographie dazu geschrieben, dass er u.a. in Bremerhaven ausgebildet wurde und viele Methoden der Repression und Überwachung gegenüber kurdischen Aktivist_innen in Deutschland gelernt habe. Gegenüber dem ZDF Nachrichtenmagazin Frontal21 erklärte ein ehemaliger MIT Mitarbeiter zudem, auch Mord gehöre zu den Methoden des MIT in Europa4. Dies zeigte sich zuletzt durch die Morde an den drei kurdischen Aktivistinnen in Paris 2013.

 

Aufgrund der massiven Angriffe auf Oppositionelle aber auch religiösen und ethnischen Minderheiten in der Türkei sind neue Angriffe auch in Europa nicht unwahrscheinlich – sei es direkt durch den MIT oder durch islamistisch-nationalistische Gruppierungen, die den Wink des AKP-Regimes verstanden haben und in die Tat umsetzen. Vor diesem Hintergrund hat der kurdische Verein birati e.V. erst vor kurzem auf einer Demonstration betont, dass - sollte es zur Ermordung von Aktivist_innen in der Bundesrepublik kommen - die volle Verantwortung bei der AKP und der Bundesregierung liegt.

 

Die Bremer CDU hat am 24.5. eine kleine Anfrage in der Bürgerschaft eingereicht, in der sie den kurdischen Kulturverein birati e.V. als einflussreiches „regionales Ausführungsorgan der PKK“ bezeichnet und des Terrorismus beschuldigt und dabei auch einzelne Namen hervorhebt5. „Sorge bereitet der CDU dabei auch die Zusammenarbeit mit deutschen linksextremen oder autonomen Gruppierungen“. Diese unheilvolle Allianz sei in vielen Städten zu beobachten. Entsprechend will die CDU u.a. vom Senat wissen, wie dieser die Zusammenarbeit der kurdischen Bewegung mit „linksextremen oder autonomen Gruppen“ bewertet und was Bremen präventiv gegen diese Art des Terrorismus unternehme. Die Anfrage ist von Dr. Orguzhan Yazici und Röwekamp unterschrieben. Yazici gilt als smarter und netter Abgeordneter und ist in allen möglichen Ausschüssen der Bremer Politik aktiv. Und gleichzeitig – wen hätte es gewundert – macht er Wahlkampf für die AKP und ist Mitglied der UETD. Das ist weder Zufall und noch Einzelfall, sondern Ergebnis der jahrelangen guten Lobbyarbeit und gezielten Unterwanderung. Inzwischen sind Mitglieder der UETD, aber auch Mitglieder faschistischer und islamistischer Organisationen wie der Grauen Wölfe und der Gülen-Bewegung in fast allen Parteien, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Plattformen etc. gut vernetzt und aktiv.

 

Die Anfrage der CDU ist vor diesem Hintergrund nicht als zufällige Idee eines einzelnen Landesverbandes zu sehen, sondern ein Teil der neuen Kampagne des türkischen Staates gegen oppositionelle Gruppierungen und Einzelpersonen auch im Ausland.

 

Wir fordern deshalb alle linken Gruppen und Einzelpersonen auf, sich mit der kurdischen Befreiungsbewegung und den türkischen und armenischen Linken hier zu solidarisieren. Angesichts der Zunahme rassistischer und faschistischer Tendenzen in allen Bevölkerungsanteilen, muss unsere Antwort ein internationalistischer Antifaschismus sein. Dazu gehört auch, dass wir unsere Recherche über die Aktivitäten von Nazis, AfD & Co. auch auf die von türkischen Faschist_innen und religiösen Fundamentalist_innen ausweiten müssen.

 

Wenn Spaltung und Kriminalisierung das Ziel der Gegenseite ist, werden wir näher zusammen rücken, uns kennen lernen, gegenseitig unterstützen und unsere Kämpfe zusammen führen.


Bremer Solidaritätskomitee Kurdistan



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http://kurdistan.blogsport.de/2016/04/05/10-04-kein-fussbreit-den-tuerkischen-faschisten/