Linke Gewalttaten werden notorisch verharmlost

Erstveröffentlicht: 
24.05.2016

In den Medien und auch unter Politikern ist die Auffassung weit verbreitet, Linke würden nur Gewalt gegen Sachen, Rechte aber gegen Personen ausüben. Sogar BKA-Präsident Münch sitzt diesem Irrtum auf.

Von Klaus Schroeder

 

Es sollte sich von selbst verstehen, dass extremistische Gewalttaten nicht gegengerechnet werden. Keine linke beziehungsweise rechte Gewalttat legitimiert eine Gewalttat der Gegenseite. Aus der Perspektive der Zivilgesellschaft sind extremistische Gewalttaten unabhängig von ihren politischen Zielen gleichermaßen abzulehnen. Dennoch fällt zumeist die Einschätzung insbesondere der politisch links motivierten Gewalttaten verklärend aus.

 

Die sprunghaft angestiegenen Anschläge gegen Asylunterkünfte und die Gewaltübergriffe gegen Flüchtlinge sind abstoßend widerwärtig und Ausdruck antizivilen Verhaltens. Doch sie rechtfertigen nicht von Linken ausgeübte Gewalttaten bis hin zur Selbstjustiz.

 

Die Verharmlosung politisch links motivierter Gewalttaten erfolgt in der öffentlichen Debatte zumeist auf zwei Ebenen. Zum einen wird in vielen Berichten und Kommentaren vornehmlich auf Straftaten hingewiesen, die auf der rechten Seite deutlich höher als auf der linken ausfallen.

 

Der Hinweis, dass bei den rechten Straftaten sogenannte Propagandadelikte mehr als die Hälfte der Straftaten ausmachen, während es auf der linken Seite keinen Straftatbestand des Propagandadelikts gibt, unterbleibt zumeist. Linke Demonstranten können zum Beispiel ungestraft Bilder der Massenmörder Lenin, Stalin und Mao zeigen und diese auch noch lobpreisen. 

 

Rechtfertigt das gute Ziel die bösen Mittel?


Zum anderen wird immer argumentiert, linke Gewalttaten seien harmloser als rechte. Kürzlich behauptete der BKA-Präsident Holger Münch auf einer Tagung zum Vergleich von Extremismen, die Zahl der Körperverletzungen sei unter rechten Gewalttaten höher als unter linken. Dem habe ich vor Ort widersprochen, ohne dass es zu einer Korrektur kam.

 

Weit verbreitet in den Medien und auch unter Politikern ist die Auffassung, Linke würden nur Gewalt gegen Sachen, Rechte aber gegen Personen ausüben. Unterschwellig dürfte zumindest auf der grün-linken Seite des politischen Spektrums das (gute) Ziel die Mittel (bis hin zur Gewalt) rechtfertigen.

 

Als ich vergangene Woche auf einer Tagung über Präventionsarbeit gegen politisch motivierte Kriminalität darauf hinwies, dass auch bei den Körperverletzungen die Linken die Statistik "anführen", erntete ich von den anderen Podiumsteilnehmern heftigen Widerspruch und sah im Publikum starkes Kopfschütteln ob meiner Bemerkung. 

 

Auch 2015 deutlich mehr rechte Straftaten als linke


Nun liegen die aktuellen Zahlen der politisch motivierten Kriminalität (PMK) für das Jahr 2015 vor. Wie gewohnt, liegen die rechten Straftaten weit über den linken. Bei der politisch motivierten Gewalt sieht es dagegen anders aus. 2246 linken Gewalttaten stehen 1485 rechte gegenüber.

 

Linke Gewalt richtete sich im Jahr 2015 vornehmlich gegen die Polizei (1430 Gewaltdelikte) und "gegen rechts" (1135 Gewaltdelikte). Die Summe dieser Gewaltdelikte (2565) übersteigt die in der Statistik als Gesamtzahl ausgegebene (2246). Warum, erschließt sich aus dem Bericht nicht. Bei den Körperverletzungen verzeichnet die Statistik 1354 auf der linken und 1177 auf der rechten Seite. Es kam zu 20 versuchten Tötungsdelikten, davon werden jeweils acht den Bereichen "links" und "rechts" zugeordnet.

 

Der Vergleich der extremistischen Gewalttaten zeigt ein leicht verändertes Bild. Nun liegen rechtsextremistische und linksextremistische Gewalttaten mit 1408 beziehungsweise 1608 Delikten dichter beieinander, wobei rechte Gewalttaten nahezu vollständig als extremistisch eingestuft werden.

 

Auf der linken Seite ist dies nicht der Fall, knapp 30 Prozent der linken Gewalttaten werden als nicht extremistisch charakterisiert, das heißt, nicht extremistische Linke verüben in hoher Zahl Gewalttaten. Es handelt sich um 638 Tatbestände, darunter viele Körperverletzungen. An der Zeit wäre es, die Öffentlichkeit aufzuklären, warum so viele auch schwerwiegende Gewalttaten nicht als extremistisch eingestuft werden und: Wer sind eigentlich die Täter?

 

Klaus Schroeder leitet an der FU Berlin den Forschungsverbund SED-Staat und lehrt als Professor am Otto-Suhr-Institut.