Danke für den Diskussionsbeitrag und die Erwähnung von “Rassismus tötet!” - Leipzig als “Lichtblick”. Aber die Kampagne unter dem Motto “a monday without you” ist keine Kampagne dieser Gruppe, sondern wird von unterschiedlichen Menschen und Gruppen getragen. An dieser Stelle sei im weiteren darauf hingewiesen, dass es für eine linksradikale Praxis nicht durchdacht ist, Gruppen innerhalb einer Kampagne aus der (eventuell) selbst gewählten Anonymität herauszuholen.
Der Hinweis, dass sich weite Teile der radikalen Linke aus den regelmäßigen Gegenprotesten gegen Legida zurückgezogen haben, ist richtig. Auch “Rassismus tötet!” Leipzig stellt, über den gesamten Zeitraum der Gegenproteste betrachtet, keine Ausnahme dar. Ebenso ist folgender Aussage zuzustimmen: “Das Ziel eines radikalen linken Aufbruchs sind nur in zweiter Linie die Köpfe von Legida, OfD, Thügida etc.pp., sondern vielmehr staatliche Instanzen, die genau diesen Strukturen Auftrieb verschafft haben, die per Asylrechtsverschärfungen nationalistisch-rassistische Auslese gestärkt und solidarische Grundlagen des Zusammenlebens zerstört haben.”
Ein Problem in Deutschland, Sachsen und auch Leipzig ist sicherlich, wo und wie zuerst interveniert werden sollte: Gegen die rassistische Dauermobilisierung? Gegen den alltäglichen Rassismus? Oder doch gegen die rassistischen Institutionen und ihre Schreibtischtäter*innen, wie es während der Blockade an der HTWK-Turnhalle zu erleben war?
In der Regel wird sich verzettelt und die Konzentration auf einen Schwerpunkt wird für den nächsten “Brennpunkt” aufgegeben. Die Ermüdungserscheinungen sind überall spürbar und die permanente Repression bei allen Interventionen gegen die rassistischen Mobilisierungen trägt ihr übriges dazu bei, dass viele sich verabschieden oder die Pausen immer länger werden.
“Wir müssen reden!”
Was fehlt sind Erfolgserlebnisse und Interventionen, aus denen neue Kraft und Mut gewonnen werden kann. Dafür würde es sich in der Vorbereitung für Aktionen lohnen, sich gemeinsam darüber auszutauschen, was mögliche Ziele wären und wie diese erreicht werden können, um nicht wieder enttäuscht nach Hause zu gehen. Dies ist auch bei den Aktionen gegen Legida zu erleben, wo bei vielen nur noch die Frage im Raum steht, hingehen oder etwas anderes machen. Dafür braucht es richtigerweise einen Grad der Organisierung und einen Austausch unter den Gruppen, was offensichtlich nur bedingt funktioniert.
“Mit Asylrechts-Verschärfer*innen gegen Legida & Co.?”
Zu teilen ist ebenfalls die Kritik an der Zusammenarbeit mit Vertreter*innen von SPD und Grüne, gerade vor dem Hintergrund, dass es noch im vergangenen Jahr innerhalb der radikalen Linken in Leipzig eine klare Position zu den Parteien und ihren Vertreter*innen gab. Die öffentlich in Erscheinung tretenden Organisator*innen von “Leipzig nimmt Platz” können nicht von ihren Parteien und deren Verantwortung für den gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus getrennt werden. Gut nachzuvollziehbar auch hier: stopasyllaw.blogsport.eu.
Auch Vertreter*innen der Partei “Die Linke” gehören zu jenen, die es zu kritisieren gilt, wie von “the future is unwritten” Leipzig oder Antirassist*innen aus Thüringen zu Recht hingewiesen wurde.
Für eine emanzipatorische Kritik
Etwas durchaus zu Befürwortendes hat der Text ausgelöst: Ihm folgte auf der Plattform Indymedia linksunten eine rege Diskussion über die Wahrnehmung von “Leipzig nimmt Platz”, das Agieren der “linksradikalen Szene” in Leipzig und ihr Wandel sowie damit einhergehende Befürchtungen. Auch wenn wir nicht alle Beiträge inhaltlich teilen, so erachten wir diese Diskussion als notwendig und wichtig.
Zentral für einen Debattenbeitrag war der Verweis auf eine “sich verändernde Leipziger Szene”. Dieser Hinweis ist so überraschend nicht. Die “Leipziger Szene” befindet sich ständig im Wandel und ist keinesfalls statisch, so wie es der Kommentar suggeriert. Die/der gleiche Autor*in hält den Wandel zwar hoch, will aber keine inhaltliche Diskussion, ansonsten wäre die Kritik des Ausgangstextes nicht auf ein “Meckern” reduziert worden. Wir schließen uns an dieser Stelle dem entsprechenden Kommentar an, denn damit wird es sich leicht gemacht: Abweichende Meinungen und Perspektiven werden als “Meckern” markiert, somit als nicht relevant angesehen, weshalb sich mit dem Anliegen nicht weiter beschäftigt werden muss. Inhaltliche Debatten bleiben damit auf der Strecke.
Und hier wird der Ausgangstext wieder zentral: Er plädiert am Ende für eine “Reorganisation und Kooperation der Kräfte”. Der pessimistische Unterton, der hierbei mitschwingt, verdeutlicht die Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand der “linksradikalen Szene”. Es soll auf Kooperation – und damit auf Austausch von Perspektiven, Ansichten und Meinungen – gesetzt werden, um durch diese Debatten zu Strategien zu kommen, die eine Organisation ermöglicht, um Legida sowie anderen rassistischen Formationen – auch bürgerlichen und staatlichen – entgegentreten zu können. Dies wird sicherlich nicht mit einfachen Diskussionen verbunden sein. Vielleicht wird sich an einigen Stellen auch nicht geeinigt werden können. Dennoch halten wir politische Debatten, vielleicht auch Streit, für etwas Positives.
“Für einen linksradikalen Aufbruch”? – Diesen gibt es längst!
Der Text hat Haken. Einer ist die verkürzte Perspektive auf linksradikales Agieren: Es wird behauptet, die “radikale Linke in Leipzig (sei) am Ende”, da sie nichts aktiv gegen Neonazis und Rassist*innen mache. Damit wird “der” radikalen Linken lediglich die Funktion des Abwehrkampfes gegen Rassismus und Neonazimus zugeschrieben. Dadurch werden etliche weitere Kämpfe gegen gesellschaftliche Zustände ausgelassen – Kämpfe, die (auch) in Leipzig stattfinden. Es wird unterschlagen, welche Bandbreite an Organisationsformen und Beteiligungsmöglichkeiten besteht, zu welchen Themen Gruppen, Initiativen und Kontexte arbeiten, die allesamt gesellschaftlichen Wandel herbeiführen und bestehende Zustände überwinden wollen.
Es werden letztlich feministische Kämpfe, Kämpfe um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus – etwa Zwangsarbeiter*innen sowie der Opfer rechter Gewalt in Leipzig – unter den Tisch fallen gelassen. Kämpfe von trans-, inter- und queeren Personen sowie Lesben, Schwulen und Bisexuellen werden ausgeblendet. Es werden hochschulpolitische Auseinandersetzungen, Initiativen zum Schulstreik und die Solidarisierung mit Amazon-Mitarbeiter*innen unsichtbar gemacht. Alle Zusammenhänge, die Refugees bei ihrem Kampf gegen das Asyl- und Unterbringungssystem unterstützen, werden vergessen. Gruppen, die zu Entmietung und Gentrifizierung arbeiten und gegen Repression agieren, werden außer Acht gelassen. Auch Akteur*innen in umweltpolitischen Themen müssen Erwähnung finden. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen und soll verdeutlichen, dass die hiesige Szene nicht zum “Aufbruch” angehalten werden muss, sie in verschiedensten Auseinandersetzungen steckt und (wohl) oft nicht voneinander weiß, Kämpfe zu selten zusammen gedacht und verbunden werden.
Der Perspektive des Leipziger “Feministischen Kampftags-Bündisses” ist demnach zuzustimmen: “Es ist notwendig nicht übereinander, sondern miteinander zu reden und zu agieren. Nur so kann eine ernsthafte Solidarität und ein gemeinsamer Kampf gegen bestehende Verhältnisse geführt werden!”.
Unsere Positionierung zu “Asylrechts-Verschärfer*innen, Legida & Co.” findet sich hier:
- “Die Rechten zu Boden – Für konsequenten Antifaschismus”
- “5 Years of Anger and Sorrow – Fight Racism”
“Rassismus tötet!” - Leipzig im Mai 2016