Darf der Wahlprüfungsausschuss des Sächsischen Landtags rechtlich bindende Eide abnehmen? Nein, sagte die Staatsanwaltschaft Dresden und wollte zwei Anzeigen gegen Frauke Petry, Sachsen- und Bundeschefin der AfD wegen Meineid- und Falschaussagevorwürfen nicht weiter verfolgen. Ja, sagt einen Tag später die Generalstaatsanwaltschaft Dresden und ordnet an: Die untergeordnete Behörde muss die Vorwürfe weiter prüfen.
Die Staatsanwaltschaft Dresden muss nun doch gegen AfD-Chefin Frauke Petry wegen Meineids und Falschaussage ermitteln. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wies die Staatsanwaltschaft Dresden am Dienstag an, die Vorwürfe weiter zu prüfen. Sie hob die Einstellungsverfügung der untergeordneten Behörde auf.
Staatsanwaltschaft Dresden sah keinen Ermittlungsgrund
Die Dresdner Staatsanwaltschaft hatte erst am Vortag mitgeteilt, sie habe den Anzeigenvorgang wegen des Verdachts des Meineides und der uneidlichen Falschaussage vor dem Wahlprüfungsausschuss des Sächsischen Landtages eingestellt. Ihre Begründung: Der Ausschuss sei "keine zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle" im Sinne des Strafgesetzbuches.
Generalstaatsanwaltschaft: Strafbarkeit gegeben
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist jedoch anderer Meinung. Sie verweist auf Paragraf 8 (Absatz 2) des Sächsischen Wahlprüfungsgesetzes, wonach Zeugen von dem Wahlprüfungsausschuss vernommen und vereidigt werden können. Deswegen komme bei einer falschen Aussage vor dem Gremium grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen eines Aussagedelikts in Betracht, erklärte die oberste Anklagebehörde in Sachsen. Sie gab die Akten zur weiteren Prüfung der Vorwürfe an die Staatsanwaltschaft Dresden zurück.
§ 8, Absatz 2 des Sächsischen Wahlprüfungsgesetzes Geladene Zeugen und Sachverständige sind erforderlichenfalls zu hören und, falls der Wahlprüfungsausschuß dies für geboten hält, zu vereidigen. Die Beteiligten haben das Recht, Zeugen und Sachverständigen durch den Vorsitzenden sachdienliche Fragen vorlegen zu lassen. Nach Abschluß einer etwaigen Beweisaufnahme ist den Beteiligten Gelegenheit zu Ausführungen zu geben. Das Schlußwort gebührt dem Einspruchsführer.
Linke begrüßt Entscheidung
Dieser Vorgang zwischen den beiden Anklagebehörden sagt nichts darüber aus, ob Petry als Zeugin vor dem Wahlprüfungsausschuss nun die Wahrheit gesagt oder gelogen hat. Der Linke-Abgeordnete André Schollbach glaubt Letzteres – er hatte eine der beiden Anzeigen gegen Petry erstattet. Er begrüßte dementsprechend die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft. Sein Parteikollege und Ausschussmitglied Klaus Bartl warf der Dresdner Staatsanwaltschaft eine öffentliche Bloßstellung des Landtagsgremiums vor. Nur mit einer Korrektur der Entscheidung durch die übergeordnete Behörde sei die Angelegenheit für ihn noch nicht beendet. Bartl will, dass sich das Parlament mit dem Vorgang befasst
Die Geschwindigkeit, mit der auf die Fehlentscheidung der Staatsanwaltschaft Dresden reagiert wurde, ist außergewöhnlich. Dies spricht dafür, dass mit der Einstellungsverfügung ein dicker Bock geschossen wurde.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Lorenz Haase, sagte MDR SACHSEN, die Behörde werde entsprechend der Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft die Prüfung der Anzeigen fortsetzen. Der nächste Schritt wäre in diesem Fall ein Brief an Landtagspräsident Matthias Rößler, in dem Ermittlungen gegen Petry angekündigt werden. Legt Rößler keinen Widerspruch ein, ist die Abgeordneten-Immunität der AfD-Chefin für die Ermittlungen aufgehoben.
Hintergrund: Landtagswahl-Listenplatz-Gerangel
Der Ursprung des Streits um Petrys Äußerung liegt im Landtagswahlkampf 2014. Damals hatte die AfD ihre Listenkandidaten aufgefordert, der Partei ein Darlehen zur Verfügung zu stellen. Die für die Plätze eins bis zehn Nominierten sollten je 3.000 Euro zahlen, die folgenden je 1.000 Euro. Im Falle einer Wahl des Kandidaten war vorgesehen, dass sein Darlehen automatisch in eine Spende umgewandelt wird. Dies ist in einem Vertragsentwurf festgehalten, der dem MDR vorliegt.
Der frühere Bautzener AfD-Kreischef, Arvid Samtleben hatte ursprünglich einen Listenplatz bei seiner Partei, zahlte die geforderte Wahlkampfspende aber nicht. Dieser Umstand ist nach Ansicht Samtlebens ein Grund, weshalb er wieder von der Liste gestrichen wurde. Samtleben will nun über einen Einspruch gegen das Ergebnis der Landtagswahl den Abgeordnetensitz erlangen, den er ohne die Streichung von der AfD-Liste eingenommen hätte.
Das Problem: Frauke Petry erklärte bei einer Anhörung zu dem Einspruch vor dem Wahlprüfungsausschuss im November 2015, die Spende sei freiwillig gewesen. Damit wäre Samtlebens Vorwurf und somit auch sein Wahleinspruch haltlos. Wird der Einspruch als berechtigt anerkannt, bestünde die Möglichkeit, dass ein AfD-Abgeordneter sein Mandat an Samtleben abgeben muss. Unter Umständen könnte sogar die ganze Landtagswahl für ungültig erklärt und neu angesetzt werden. Dies hängt von der Meinung ab, die sich der Wahlprüfungsausschusses auf Grundlage der Zeugenaussagen bilden wird, auch der von Frauke Petry. Derzeit läuft das Verfahren im Gremium noch.