Warum die Linken und die Rechten Putin so lieben

Über so viel Zustimmung am linken und rechten Rand kann sich natürlich Wladimir Putin nur freuen
Erstveröffentlicht: 
28.04.2016

AfD und Linkspartei werden vom gemeinsamen Hass gegen westlichen Liberalismus und "Amerikanismus" getrieben. Die größte Herausforderung für die Bundesrepublik besteht somit in zwei Pro-Putin-Parteien.

 

Bei der Alternative für Deutschland (AfD) handelt es sich im Kern um eine völkisch-nationalistische Partei, deren Daseinszweck die Zerstörung der liberalen Demokratie und der transatlantischen Einbindung Deutschlands ist. Dass in der AfD ein Grundsatzstreit zwischen liberal-konservativen und rechtsradikalen Kräften tobe, war von Anfang an weitgehend ein Mythos.

Mittlerweile ist überdeutlich, dass sich die Differenzen in der Parteiführung im Wesentlichen nur darum drehen, ob man mit dem Ziel einer völkisch umgekrempelten Republik bereits ohne Umschweife herausrücken oder sie aus wahlstrategischen Erwägungen vorerst noch verklausulieren soll.

 

Die maßgeblichen Türöffner für die immer offener auftretenden antiwestlichen Nationalrevolutionäre in der AfD sind dabei jedoch nicht Schreihälse wie Björn Höcke, deren Ansichten ohne Mühe auf einen Blick erkennbar sind.

Die Schlüsselfigur ist vielmehr Parteivize Alexander Gauland, der sich der bürgerlichen Mitte gegenüber stets erfolgreich als feingeistiger "konservativer Intellektueller" darzustellen verstand – und dort noch immer manchen findet, der auf diese Pose hereinfällt. Tatsächlich aber besteht Gaulands Vorgehen darin, die Akzeptanz für extreme Positionen im politischen Juste Milieu immer weiter auszudehnen, indem er sich nicht offen mit ihnen identifiziert, ihnen aber Diskussionswürdigkeit bescheinigt.

 

Gauland und die Nato

Ein frisches Beispiel dafür ist, wie er mit der Forderung nach dem Austritt aus der Nato umgeht, die in Anträgen zur Programmdebatte auf dem AfD-Parteitag an diesem Wochenende erhoben wird. Zwar spricht sich Gauland gegen diese Forderung aus.

Aufschlussreich ist jedoch, mit welcher Begründung er das tut. "Man kann die Nato nur von innen heraus verändern", sagte er der Rechtsaußenpostille "Junge Freiheit". Wer weg "von dem Versuch der Amerikaner möchte, die Nato als weltweite Eingreiftruppe für amerikanische Interessen zu benutzen, muss in der Nato bleiben".

 

Gauland hat offenbar registriert, dass eine große Mehrheit selbst unter den AfD-Wählern einen Nato-Austritt ablehnt und es nicht ratsam wäre, sie mit einer solchen Parole zum jetzigen Zeitpunkt zu überfordern.

Seine rechtsradikalen Kampfgefährten in der Partei hält er indessen bei Laune, indem er ihnen signalisiert, man könne dem Erzfeind USA mehr schaden und der Loslösung Deutschlands vom atlantischen Bündnis mehr nützen, wenn man die Nato von innen her unterminiere.

 

Inklusive die NPD

Langfristig, fährt er in der "Jungen Freiheit" fort, würde er es freilich vorziehen, die Nato durch eine europäische Friedensordnung mit Russland zu ersetzen. Diese Möglichkeit stelle sich derzeit aber nicht.

Spätestens hier fällt die frappierende Deckungsgleichheit zwischen den außenpolitischen Vorstellungen der Gauland-AfD und der SED-Nachfolgepartei Die Linke auf, die schon lange mit der Formel einer Ersetzung der Nato durch eine gemeinsame Sicherheitsstruktur mit Russland operiert.

 

Tatsächlich geben sich führende Köpfe der AfD mittlerweile keine Mühe mehr zu verbergen, dass sie als politische Einflussagentur des Kremls zu agieren bereit sind. Sie stehen damit in einer Reihe mit nahezu allen rechtsextremistischen Parteien in Europa – inklusive der NPD, die längst mit Putin die Reihen fest geschlossen hat. Die Jugendorganisation der AfD verbündete sich jüngst offiziell mit Putins Parteijugend Junge Garde.

Gauland gab dem ebenso sein Plazet wie der Teilnahme des AfD-Europaabgeordneten Marcus Pretzell an einer Konferenz auf der völkerrechtswidrig annektierten Krim. Dort saß Pretzell mit fünf Teilnehmern auf dem Podium, die auf der Sanktionsliste der EU stehen, und sprach sich für die sofortige Aufhebung der Strafmaßnahmen gegen Russland aus.

 

"Souveränistisch" statt rechtsnational

Gauland geht sogar noch weiter, indem er de facto verlangt, der Westen solle die gewaltsame Abtrennung eines Teils eines souveränen europäischen Staates im Namen einer über dem formalen Völkerrecht stehenden, vermeintlich tieferen historischen Wahrheit legitimieren.

"Die Krim war russisch, ist jetzt wieder russisch, und sie wird nie wieder zur Ukraine zurückkehren", so Gauland laut "Spiegel". Das Etikett, das sich AfD-Aktivisten für ihre europäische Sammlungsbewegung rechtsnationaler Kräfte unter Einschluss von Putin-Russland ausgedacht haben, wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Hohn: Sie nennen sie "souveränistisch".

 

Dass sich Gauland auf einer Russlandreise vergangenen Dezember auch mit dem rechtsextremen Irrationalisten Alexander Dugin getroffen hat und ihn als angenehmen Gesprächspartner lobt, lässt zudem erahnen, auf welchem intellektuellen Niveau sich dieser vermeintlich sonore konservative Denker tatsächlich bewegt.

Dugin, ein einflussreicher Vordenker der nationalistischen Ideologie Putins, propagiert ein eurasisches, antiamerikanisches Großreich unter der Vorherrschaft Russlands. Das alles hindert die angeblich "antifaschistische" Partei Die Linke aber nicht daran, in Sachen Russland mit der AfD an einem Strang zu ziehen.

 

Aus demselben Holz geschnitzt

Wolgang Gehrcke, der für die Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags sitzt, verbreitete jüngst in einer Presseerklärung: "Eine Aufhebung der Sanktionen wäre ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der deutsch-russischen Beziehungen. Diese Beziehungen zu normalisieren, ist Ziel der Außenpolitik der Fraktion Die Linke." Und das just, da auf der von Russland annektierten Krim der Medschlis, die Vertretung der Krimtataren, als "extremistische Organisation" verboten wurde.

Dass die Linkspartei über solche brutalen Verstöße gegen Minderheiten- und Menschenrechte offenbar großzügig hinwegzusehen bereit ist, wenn es nur der "Normalisierung" des Verhältnisses mit der russischen Autokratie dient, lässt übrigens ihren hyperventilierenden Aufschrei gegen die Unterdrückung in der – mit Moskau verfeindeten – Türkei Erdogans in einem reichlich schiefen Licht erscheinen.

 

Nirgendwo sonst als in ihrer gemeinsamen Bereitschaft, sich für Putins neoimperiale Ansprüche ins Zeug zu legen, wird deutlicher, dass die vermeintlichen weltanschaulichen Antipoden AfD und Linkspartei in Wahrheit aus demselben Holz geschnitzt sind.

Beide werden in ihrem Innersten vom gemeinsamen Hass gegen westlichen Liberalismus und "Amerikanismus" getrieben – alles andere ist dagegen nur ideologisches Ornament. In der konzertierten Aktion zweier deutscher Pro-Putin-Parteien besteht heute die größte Herausforderung für die Verfassungsordnung der Bundesrepublik.