"Gut einparken und in Ihrer Wohnung aussteigen.[...] Das oberste Parkdeck ist nur reserviert für die Bewohner. Darauf aufgestockt entsteht ein neuer Wohnriegel mit 31 exklusiven Eigentumswohnungen – individuelle, großzügige und wertbeständige Wohnträume". 1)
Obenauf.Leben, dieser Claim wirbt für die Magnus31 (Friesenviertel). Mehr noch als auf die Penthouse-Wohnlage, wird damit auf die gesellschaftliche Positionierung durch die Wohnsituation angespielt. Im linksrheinischen Köln entstehen gerade über 30 gehobene oder luxuriöse Wohnanlagen in der Größenordnung ab 15 Wohneinheiten. Eine kritische Öffentlichkeit für diesen städtischen Wandel fehlt bislang. Hauptgrund ist dass, primär unbewohnte Grundstücke, wie Industriebrachen oder Bürokomplexe aufgewertet werden. Bei der sogenannten "New Build Gentrification" kommt es zu keiner direkten Verdrängung von Bewohner*innen und Privateigentum wird in Deutschland ohnehin als Privatsache behandelt. Dabei bleibt die indirekte Verdrängung unberücksichtigt.
Die Aufwertung eines Grundstückes, verändert sich nicht nur das Grundstück selbst, sondern wirkt auch die Nachbarschaft. Mit der Konzentration von Vermögenden, wandelt sich die lokale Infrastruktur, steigen die Lebenserhaltungskosten und werden die Mieten der umliegenden Nachbarschaft teurer. Die aufgewertete Lage wiederum, setzt die Anreize für Luxussanierung und direkte Verdrängung. Die Effekte sind umso spürbarer, je größer die Projekte sind. Gerade bei Großprojekten ist es aber oft erstaunlich undurchsichtig, wie viele Wohnungen entstehen und wer sie sich leisten kann. So ist nur bekannt, dass im Quartier Reiterstaffel, einem ehemaligen Polizeigelände in Marienburg, 500 Wohnungen entstehen, wovon 350 bereits verkauft sind. Der Anteil der Mietwohnungen und deren Preise wird verdeckt gehalten. In den PANDION Klosterhöfen & Klostergärten (Junkersdorf) entstehen 287 Eigentumswohnungen, im FLOW (Bayenthal) 250, im Radeberger Leben (Radeberg) 150 und im w-wie-wohnen (Ehrenfeld) 113 Eigentumswohnungen. Im Gerling-Quartier wurden bislang 139 Eigentumswohnungen fertiggestellt. Wie viele Wohneinheiten im zweiten Bauabschnitt geplant sind, war nicht in Erfahrung zu bringen.
Die New Build Gentrification kann als weiteres Zahnrad im Prozess der Neusortierung der Stadt entsprechend ihres Einkommens verstanden werden. Die attraktiven Wohnunglagen werden von Reichen besetzt. Der soziale Wohnungsbau dient bestenfalls als Schallschutzelement, an vielbefahrenen Straßen oder unattraktiven Lagen. Das als Patentlösung angepriesene Kooperative Baulandmodel (30% Sozialwohnungen ab 25 Einheiten), findet praktisch keine Anwendung - bislang ist keine einzige Wohnung dadurch entstanden. 2) Warum zeigt exemplarisch die geplanten Neubebauung des Deutsche Welle Areals wo dem Investor, wegen der angeblich hohen Kosten, keine Sozialwohnungen zuzumuten sei.
Die Vermarktung der Großprojekte wird von einem ausgeklügelten Marketing-Konzept begleitet. Im gehobenen und luxuriösen Segment müssen die Wohnungsangebote, um die Nachfrager konkurrieren. Um den Orten eine Aura des Außergewöhnlichen zu verleihen, nimmt man es auch mit der historischen Vergangenheit nicht zu genau. Etwa im Gerling-Quartier (Friesenviertel), hier wird mit der einstigen Wirtschaftsmacht des Gerling-Imperiums geprahlt, verschweigt aber dessen unrühmliche Schrumpfung und Ursache für den Verkauf der Konzernzentrale. Es wird die "klassische Eleganz" der "steingewordenen Pracht" gelobt, während die faschistische Symbolik der "kleinen Reichskanzlei" aus den Federn ehemaliger NS-Architekten verschwiegen wird. 3) Ein anderes Beispiel findet sich in Braunsfeld. Auf dem Gelände der ehemaligen Sidol-Fabrik entsteht bis Ende 2016 der Park Linné. Um die zukünftigen Bewohner*innen der 17 Eigentumswohnungen davon abzulenken, dass hier eine chemische Fabrik stand, beruft man sich auf den Botaniker Carl von Linné. Der hat zwar nichts mit dem Ort zu tun, aber in der Nähe ist die Villa eines Schokoladenfabrikanten und den Gattungsnamen der Kakaopflanze stammt bekanntlich von dem Botaniker. Grund genug, mit der "Schokoladenseite des Wohnens" zu werben. 4)
Oder bei der Bebauung des ehm. Cloth Werkes in Nippes, wo insgesamt über 1000 Wohnungen, inklusive hochpreisiger Eigentumswohnungen, entstehen.
"Mit der Projektbezeichnung für die Stadthauswohnungen soll an Josefine Clouth erinnert werden. Die Witwe des Gründers der Clouth-Werke hat sich in harten Zeiten durch Milde, Wohltätigkeit und Engagement für die Arbeiterfamilien einen Namen gemacht." Wie kann man dieses Andenken besser ehren als mit 17 exklusiven Eigenheimen, gegenüber den ehemaligen Arbeiterhäuser? 5)
Unangefochten, die Spitze des Zynismus-Rankings findet sich in der Vinzenzallee in Köln-Lövenich. Hier bauen die Wohnungsgesellschaften des rheinischen Braunkohlereviers WBG/GSG, 21 luxuriöse Reihenhäuser unter dem Projektnamen: "Die Lichtung". Während Sie 30 km weiter den Hambacher Forst roden, um ineffiziente und umweltschädliche Braunkohle in die Luft zu blasen, verfügen die Häuser, neben Garten, über einen Privathain in wählbarer Größe ("für eine pflegeleichte Waldatmosphäre"). Während das Mutterunternehmen RWE mehreren Tausend Menschen ihre Heimat nimmt und jahrhunderte, alte Dörfer abreißen lässt, wirbt sie damit: "Menschen ein Zuhause zu schaffen, ein Zuhause, das zu der persönlichen Lebenslage passt, ein Zuhause, das zur Heimat wird.". Das Musterhaus der Lichtung ist übrigens Sonntags zwischen 13 und 16 Uhr geöffnet und freut sich über Interessent*innen. 6) In der Nachbarstraße entsteht das nächste Luxusding mit 27 Eigentumswohnungen Prezioso, Motto: "Tu. Saltanto tu. Hier zählen nur sie". 7)
Aber auch die Architektur kann eine Marketingstrategie sein. Besonders wenn sie von einem prominenten Architekten geschaffen wurde. Das "Arthron – Home by Herz" ist eine Anspielung auf den Architekten Manuel Herz. Dieser wurde durch sein Gebäude legal/illegal bekannt, welches bewusst gegen die Abstandsflächenregelungen verstieß, um durch eine spektakuläre Architektur höhere Verkaufspreise zu erzielen. 8) Als "Kunstwerk" eines namenhaften Architekten, können jetzt auch die 18 Eigentumswohnungen im Arthron (Bayenthal) vermarktet werden.
Die Architektur kann als Ausdruck des eigenen Lebensstils inszeniert werden. So entstehen auf dem Gelände des ehemaligen Hauptzollamt, welches vom Bund an einen privaten Investor verkloppt wurde, 81 Eigentumswohnugen: "...ein neuer Raum für urbane Pioniere, für charakterstarke Typen mit außergewöhnlichen Ideen" und vollem Portmonee. Das 55frames (Südstadt) dessen Präsentation bereits wie der feuchte Traum eines Webdesigners daher kommt, konzentriert sich auf Lifestyle Marketing.
"Für Originale, die Architektur als konsequenten Rahmen Ihrer Persönlichkeit verstehen". 9) Getreu der Devise: Wie ich wohne, so bin ich.
Dabei spiegeln die Wohnverhältnisse weniger die Persönlichkeit wider, als die Positionierung innerhalb der Gesellschaft. Den über 5000 Obdachlosen, 4000 Geflüchteten, welche in Turnhallen und Containern schlafen, fehlt nicht der Sinn für moderne Architektur, sondern eher an den Möglichkeiten.
Luxusprojekte sind nicht nur ein Spiegelbild der sozialen Ungerechtigkeit, sondern immer auch ein Beitrag sie zu erhalten, denn jedes neue Luxusghetto nimmt der Möglichkeit, gutes Wohnen für alle zu schaffen, sprichwörtlich den Platz weg. Das gilt besonders im dicht bebauten Köln. Einer Studie der Kölner Stadtverwaltung hat das potenziell nutzbare Bauland mit den prognostizierten zukünftigen Wohnbedarf verglichen. Selbst wenn Grünflächen bebaut und der Wagenplatz "Wem gehört die Welt" verdrängt werden, fehlt die Fläche für 17.000 Wohnungen. 10) Der Konkurrenzkampf um Wohnraum, geht weiter.
Quellen
1) http://www.magnus31.de/objekt
2) http://www.ksta.de/koeln/mieterverein-koeln-mietpreisbremse-sote-23542074
3) http://gentrificationcologne.blog.com/2015/12/06/gerling-quartier/
5) http://www.josefineclouth.de/
6) http://www.lichtung-koeln.de
8) http://bauwatch.koelnarchitektur.de/pages/de/architekturfuehrer/64.legal_illegal.htm
9) http://www.55frames.de
10) http://www.ksta.de/koeln/stadtentwicklung-wohnungsbau-statt-schrebergarten-23630966