Blendlichter, Angelruten & Angriffe auf Journalisten: Was tat das Ordnungsamt bislang gegen die Gewalt bei Legida?

Erstveröffentlicht: 
01.03.2016

Von Beginn an galt der Pegida-Ableger in Leipzig als radikaler und auch gewaltbereiter als die Islamfeinde in Dresden. Bereits mit dem 21. Januar 2015 wurde klar, dass sich gewaltbereite Hooligans, rechtsextreme Kameradschaften und NPD-Mitglieder unter die Legida-Demonstranten gemischt hatten. Schon an diesem Tag traten sie teils vermummt auf, um anschließend Journalisten zu hetzen, warfen Steine auf Kamerateams und skandierten „Lügenpresse“. Auch wenn sich die Zahl der Teilnehmer seither von rund 5.000 immer weiter reduzierte – die Aggressivität blieb. Und bis zuletzt schaute das Ordnungsamt Leipzig dieser offenbar nur noch zu.

 

Dies soll sich nun, glaubt man den Ergebnissen des Vorgespräches zwischen Vertretern von NoLegida, „Leipzig nimmt Platz“ und dem Ordnungsamt am 25. Februar 2016, nachhaltig ändern. Die starken Strahler bei Legida, welche zuletzt durch die direkte Blendung von Journalisten praktisch die Vermummung ersetzt hatten, sollen nun laut Aussagen von NoLegida untersagt werden, die Angelruten verboten sein und Böller sind wie auch das Fischer-Utensil auf einer Demonstration eh untersagt, da sie nicht den Normen einer mitführbaren Fahnenstange aus Holz entsprächen (alle Antworten des Ordnungsamtes am Ende des Artikels in vollständiger Form).

 

Der Wille seitens der Stadtverwaltung, die Auflagen auch zu beaufsichtigen und gegebenenfalls vor Ort auch umsetzen zu lassen, scheint dennoch gering. Auf Nachfrage der L-IZ.de lässt das Ordnungsamt über die Kommunikationsabteilung der Stadt ausrichten: Bislang habe man die Benutzung der Blendlichter nicht untersagt, lediglich die von Legida genutzten Lichtmasten seien so auszurichten gewesen, dass die Gegendemonstranten davon nicht geblendet würden. Zu den Blendlichtern jedoch heißt es: „Ein Verbot der Benutzung von Handleuchten ist nicht als Beschränkung in Bescheiden formuliert.“

 

Nun könnte man vermuten, dem Ordnungsamt ist die Arbeit von Journalisten derart egal, dass es zwar beauflagt wurde die Gegendemonstrationen nicht zu blenden, aber bei den Pressevertretern ginge das klar. Doch das Problem, dass diese Leuchten offensichtlich sogar genutzt wurden, um einen körperlichen Angriff auf einen L-IZ – Redakteur zu unterstützen, ist eigentlich keines – so das Amt. Denn man ist der Meinung, diesen Einsatz gegen die Presse würde Legida ganz von allein regulieren. „Die fraglichen Leuchten wurden bisher gelegentlich von einzelnen Personen benutzt. In diesen Fällen ist zunächst ein Eingreifen durch Ordner angezeigt und im Regelfall ausreichend.“

 

Nun ist die Beschreibung eines nicht stattfindenden Idealfalls im Lichte der unzähligen Berichte über gezieltes Blenden zwar keine Antwort auf die Frage, wie das Ordnungsamt beim Ausbleiben des aufmerksamen Ordners bei Legida die Sache regeln möchte, doch im Zweifel könne man schließlich eh nichts ausrichten.

 

So heißt es auf die Frage, ob nach Kenntnis des Ordnungsamtes auch zur Unterbindung von Böllerwürfen und eben dem Mitbringen nicht gestatteter Gegenstände Kontrollen bei den Demonstrationsteilnehmern stattfinden würden: „Die Versammlungsbehörde ist zur Vornahme der genannten Handlungen weder selbst ermächtigt, noch hat sie Weisungsbefugnis gegenüber den Polizeivollzugsbehörden. Allerdings dürften regelhafte flächendeckende Personen- und Taschenkontrollen ohne besonderen konkreten Anlass einen erheblichen Eingriff in Rechte Dritter bedeuten, der gegenüber den Teilnehmern an einer nichtverbotenen öffentlichen Versammlung ohne konkreten Hinweis auf Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kaum gerechtfertigt scheint.“

 

Belastbare Auskünfte, ob es solche Kontrollen gäbe, könne „das Ordnungsamt hierzu mangels eigener Kenntnis nicht erteilen.“ In einer weiteren Antwort versichert das Amt dennoch, dass „die mit Bescheid erteilten Auflagen (…) regelhaft auf Einhaltung überwacht“ werden.

 

So baut man einen gordischen Knoten auf. Erst schreibt man keine konkreten Auflagenbescheide, an welchen sich die Polizei orientieren und diese durchsetzen könnte, dann vertraut man auf die Ordner bei Legida und im Finale stellt man fest, dass man schließlich der Polizei keine Weisungen erteilen kann. Welche daraufhin die Blendstrahler vor Ort auch nicht unterbindet, während der Legida-Ordner feixt. Bei alledem schaute bislang das Ordnungsamt bei der „regelhaften Überwachung“ zu und hatte dennoch keine Kenntnis, was so vor Ort an Maßnahmen zur Durchsetzung der Maßnahmen stattfand.

 

Da ist es dann auch schon fast egal, dass sich das Ordnungsamt in einer reichlich seltsamen Erläuterung ergeht, dass der „Veranstalter niemanden blenden darf“ (siehe Screenshot), aber die Presse irgendwie seit dem 5. November 2015 dieser „niemand“ war. Eleganter wäre die Ausrede für das eigene Nichtstun wohl gewesen, dass strenggenommen Markus Johnke der Veranstalter ist und selbst nie geblendet hat.

 

Festzuhalten ist wohl eine knappe Woche vor dem nächsten Legida-Aufzug, dass man nunmehr wohl den neuesten Legida-Auflagenbescheid abwarten sollte. Und genau beobachten, was darin erfasst und was weggelassen wurde. Denn noch scheint das Ordnungsamt ganz fest zu glauben, dass es sich bei den Übergriffen auf Journalisten um bedauerliche Einzelfälle auf einer ansonsten „genehmigten“ friedlichen Versammlung handelt. Der Rest wird sich dann am 7. März 2016 vor Ort erweisen müssen, wenn es wieder im feinsten Nazisprech heißt „Lügenpresse, Lügenpresse“ („auf die Fresse“).

 

Apropos vor Ort: Am Donnerstag, den 3. März 2016, hat die Leipziger Polizeidirektion Journalisten zu einer weiteren Besprechung rings um das Thema „Legida gegen die Medien“ eingeladen. Die L-IZ.de wird dabei sein. Schon jetzt sind alle schwer gespannt, ob es diesmal mehr als warme Worte gibt.

Zur Erinnerung – der friedliche Legidateilnehmer vom 1. Februar 2016, am Ende der energisch einschreitende Ordner

Die gesamten Fragen der L-IZ.de ans Ordnungsamt Leipzig, gestellt am 17. Februar 2016, beantwortet am 01. März 2016 – Bearbeitungszeit im Ordnungsamt demnach 13 Tage.

 

1. Am 5. November 2015 verkündete die Stadt Leipzig auf dem eigenen Twitteraccount, verstärkt auf das Mitbringen von „Blendlichtern“ auf Legida-Demonstrationen zu achten (Screenshot anbei). Hat dieses Vorhaben Eingang in die Versammlungsauflagen des Ordnungsamtes gefunden?

 
Die betreffende Antwort auf Twitter bezog sich offensichtlich allein auf den Lichtmast, der nach den Erklärungen der Organisatoren des Legida e.V. bei den Versammlungen betrieben wurde, um den Raum zwischen den Versammlungsorten auszuleuchten. Um Beeinträchtigungen zu vermeiden, wurde als Beschränkung in Bescheide aufgenommen, dass die Ausrichtung so zu erfolgen hat, dass eine Blendung der Gegenversammlung unterbleibt.

 

2. Wurde das Mitführen von diesen Leuchten während der Demonstrationen von Legida beauflagt/untersagt?


Ein Verbot der Benutzung von Handleuchten ist nicht als Beschränkung in Bescheiden formuliert.

 

3. Wenn nein, warum nicht?

 
Die fraglichen Leuchten wurden bisher gelegentlich von einzelnen Personen benutzt. In diesen Fällen ist zunächst ein Eingreifen durch Ordner angezeigt und im Regelfall ausreichend.

 

4. Im Zuge der Berichterstattungen nach Beobachtungen vor Ort führen Legida-Teilnehmer Angelruten aus Fiberglas mit sich. Ist dies laut Beauflagungen der Stadt Leipzig statthaft?

 
In Beschränkungsbescheiden werden üblicherweise eine Reihe von gefährlichen Gegenständen benannt, die bei der Versammlung nicht mitgeführt werden dürfen. Angelruten sind nicht ausdrücklich benannt. Jedoch ist die zulässige Beschaffenheit von Transparent-, Fahnen- und Plakatstangen beschrieben. Angelrouten entsprechen dieser nicht.

 

5. Am 1. Februar 2016 wurde ein Böller aus dem Demonstrationszug Legidas Richtung umstehende Personen geworfen. Ist das Mitführen von Pyrotechnik laut Beauflagungen der Stadt Leipzig gestattet?

 
Das Verbot des Mitführens pyrotechnischer Erzeugnisse wie auch von Laserpointern findet in aller Regel Eingang in Beschränkungsbescheide, so auch am 01.02.2016  – nicht nur bei der Legida-Versammlung. In Hinblick auf die Verwendung von Pyrotechnik belässt es die Behörde bei einem ausdrücklichen Hinweis auf das bereits bestehende gesetzliche Verbot der Verwendung von pyrotechnischen Erzeugnissen der Kategorie 2 im Zeitraum vom 2. Januar bis 30. Dezember eines jeden Jahres gemäß § 23 der ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV), wonach die in Rede stehenden Erzeugnisse im genannten Zeitraum nur durch Inhaber einer nach dem Sprengstoffgesetz (SprengG) erteilten besonderen Erlaubnis verwendet (abgebrannt) werden dürfen.

 

Verstöße können gemäß § 46 Nr. 8b  der 1. SprengV i. V. m. § 41 Abs.1 Nr. 16 SprengG als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden. Bei der Legida-Versammlung am 01.02.2016 wurde der „Böllerwerfer“ von Ordnern des Veranstalters der Polizei zur Identitätsfeststellung übergeben. Der Feuerwerkskörper war in der Nähe der Teilnehmer des Aufzuges von Legida selbst explodiert.

 

6. Wenn es nicht gestattet ist, wie ist das Geschehen am 1. Februar 2016 zukünftig wirksam zu unterbinden?

 
Grundsätzlich besteht Einvernehmen mit allen Veranstaltern von Versammlungen, dass das Zünden von Pyrotechnik zu unterbleiben hat. Allgemein hängt die Feststellung der jeweils  Verantwortlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Nach Feststellung der Personen, die pyrotechnische Erzeugnisse einsetzen, ist gegen diese jedenfalls ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten. Würden Versammlungsleiter den Einsatz unterstützen oder nicht gegen diese Personen vorgehen, wäre zu prüfen, ob die Versammlungsleitung gegen ihre versammlungsrechtlichen Pflichten verstoßen hat. Dies war jedoch in den Versammlungen  („beider Seiten“) regelmäßig nicht der Fall.

 

7. Finden nach Kenntnis des Ordnungsamtes vor Beginn einer Legida-Demonstration Taschenkontrollen und Kontrollen von Personen auf nicht gestattete Gegenstände statt?

 
Belastbare Auskünfte kann das Ordnungsamt hierzu mangels eigener Kenntnis nicht erteilen. Die Versammlungsbehörde ist zur Vornahme der genannten Handlungen weder selbst ermächtigt, noch hat sie Weisungsbefugnis gegenüber den Polizeivollzugsbehörden. Allerdings dürften regelhafte flächendeckende Personen- und Taschenkontrollen ohne besonderen konkreten Anlass einen erheblichen Eingriff in Rechte Dritter bedeuten, der gegenüber den Teilnehmern an einer nichtverbotenen öffentlichen Versammlung ohne konkreten Hinweis auf Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kaum gerechtfertigt scheint.

 

8. Wenn ja, in welchem Umfang finden diese statt (Stichproben, Kontrolle aller Teilnehmer, gar keine Kontrollen vor Beginn)?

 
Die mit Bescheid erteilten Auflagen werden regelhaft auf Einhaltung überwacht.