Sachsen behält 270.000 Euro von Flüchtlingen ein

Erstveröffentlicht: 
24.02.2016

In Deutschland müssen Asylbewerber ihr Vermögen abgeben, um zu ihrem eigenen Unterhalt beizutragen. Wie viel sie von ihrem Geld behalten dürfen ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Welche konkreten Summen wurden von Flüchtlingen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen einbehalten?

 

Die Flucht nach Deutschland kostet ein kleines Vermögen. Wenn Flüchtlinge hier ankommen, haben sie oft alles was geht, zu Geld gemacht. So zwei Studenten aus Syrien, die in einer Leipziger Flüchtlingsunterkunft beim Abendbrot sitzen. Der eine hatte noch 50 Euro, der andere fünf Euro dabei, als sie in Deutschland ankamen. Das Geld durften sie behalten, denn die Summen liegen unter dem Mindestfreibetrag von 200 Euro, den Asylsuchende laut Gesetz behalten können.

 

Sachsen-Anhalt nimmt nichts

Andere bringen mehr mit. Um das festzustellen, werden sie befragt oder sogar durchsucht. Die Umsetzung des Gesetzes ist Ländersache. Laut Innenministerium Sachsen-Anhalt wird den Asylsuchenden gar kein Geld abgenommen, in Thüringen laut Migrationsministerium nur selten: rund 18.000 Euro im Jahr 2015. In Sachsen, wo im selben Jahr etwa gleich viele Antragsteller registriert waren, wurde grundsätzlich alles über 200 Euro einbehalten, laut Innenministerium insgesamt mehr als 270.000 Euro.

 

Kritik an Praxis in Sachsen

Harald Lölein vom Paritätischen Wohlfahrtverband sagt: "Der Grundsatz, dass wenn man über Vermögen verfügt, dass man dies erstmal aufbrauchen muss, ist ja ein Grundsatz im Sozialrecht generell." Dagegen sei nichts einzuwenden. Denn auch Hartz-IV-Empfängern wird Vermögen gegen staatliche Leistungen aufgerechnet. Anders als bei Asylsuchenden gilt hier ein Grundfreibetrag von 150 Euro pro vollendetem Lebensjahr. Bei einem 50-Jährigen wären also beispielsweise 7.500 Euro frei vom Zugriff des Staates.

 

Weniger als 200 Euro Selbstbehalt?

Das Gesetz für Asylsuchende ist strenger und uneindeutiger, sagt Lölein: "Da steht ja auch, bei der Anwendung bleiben ferner auch Vermögensgegenstände außer Betracht, die zur Aufnahme und Fortsetzung der Berufsausbildung und Berufstätigkeit unentbehrlich sind. So, das weiß kurz nach der Einreise ja niemand. Und insofern ist es schon sehr problematisch, hier alles Geld abzunehmen außer den 200 Euro." In Sachsen wurde Asylsuchenden sogar mehr als 200 Euro abgenommen, sagt Ali Mouradi, Vorsitzender des sächsischen Flüchtlingsrats: "Wir haben Schwarz auf Weiß in einem Schreiben der Landesdirektion, dass der Selbstbehalt von 50 Euro, und das ist nirgendwo in der Regel drin." Statt 200 nur 50 Euro?

 

Dresdner Innenministerium beruft sich auf Gesetzesänderung

Das Schreiben der Landesdirektion stammt vom Juni 2015. Dazu teilt das Innenministerium schriftlich mit: "Die Festlegung auf 200 Euro Selbstbehalt ist eine Neuregelung aus den geänderten Asylbewerberleistungsgesetz vom Herbst des vergangenen Jahres. Vorher stand die Festlegung weitgehend im Ermessen der jeweiligen Behörde." Falsch, sagt Claudius Voigt von der Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender. Denn die Gesetzesänderung gelte bereis seit März letzten Jahres. Wurde Asylsuchenden in Sachsen also zu viel Geld abgenommen? Das müsse geprüft werden, fordert Voigt: "Das Mindeste ist, dass ein Bescheid erlassen wird, in dem steht, warum wird das so gemacht, was kann ich dagegen tun, wo kann ich das gerichtlich oder behördlich überprüfen lassen."


Die Pressestelle des Innenministerium war trotz mehrfacher Nachfrage nicht bereit, die aktuelle Gesetzeslage und Umsetzung im Detail zu erklären. Einen Beleg erhalten Asylsuchende in Sachsen laut Flüchtlingsrat nicht. Eine Überprüfung wird also kompliziert werden.