Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat bei seinem Besuch in Polen mehr Kompetenzen für die europäische Grenzschutzagentur Frontex angemahnt. Sie brauche noch mehr Zuständigkeiten, um bei Bedarf autonom entscheiden zu können, sagte der sächsische Ministerpräsident am Donnerstag nach einem Gespräch mit Frontex-Chef Fabrice Leggeri in Warschau. Nötig sei auch eine bessere Vernetzung von Institutionen, die mit der Registrierung und Aufnahme von Flüchtlingen zu tun haben.
Tillich kritisierte, dass an verschiedenen Stellen Fingerabdrücke von Flüchtlingen genommen, diese aber in keine gemeinsame Datenbank eingespeist werden. Frontex müsse in die Lage versetzt werden, seine Aufgaben zu erfüllen - nicht nur auf dem Papier.
Flüchtlingskrise soll europäisch gelöst werden
Am Mittwoch war Tillich in Warschau mit der polnischen Staats- und
Regierungsspitze zusammengetroffen. Anlässlich seines Antrittsbesuches
als Bundesratspräsident kam er mit Polens Staatspräsident Andrzej Duda
und Ministerpräsidentin Beata Szydło zusammen. Im Gespräch mit der
Ministerpräsidentin Szydlo habe er den Willen Polens vernommen, sich in
der Flüchtlingsfrage an einer europäischen Lösung zu beteiligen, sagte
Tillich.
Bundeskanzlerin Merkel sei nicht isoliert, Europa
brauche eine gemeinsame Lösung und eine gemeinsame Antwort auf die
Krise. "Gelingt das, dann wird Europa gestärkt daraus hervorgehen.
Gelingt das nicht, werden wir alle ein Problem haben", so der
Bundesratspräsident.
Tillich verteidigt polnische Nationalkonservative
Tillich warb am Mittwoch erneut um Verständnis für den Nachbarn. "Ein starkes Europa ist nur dann ein starkes Europa, wenn es auch ein starkes Polen gibt", sagte er. Gleiches gelte für Deutschland. Eine gute Voraussetzung sei, wenn jeder in der EU respektvoll mit dem anderen umgehe.
Die deutsch-polnischen Beziehungen
gelten seit dem Amtsantritt der nationalkonservativen Regierung in
Warschau im November als belastet. Tillich hatte schon in der
vergangenen Woche mehr Verständnis für Polen und andere mittel- und
osteuropäische Staaten angemahnt und von einem "oberlehrerhaften"
Auftreten der Deutschen gesprochen.
Im Gepäck hat Tillich zwei
wertvolle Möbelstücke, die an das Museum des Wilanów-Palastes
zurückgegeben werden sollen. Bei Recherchen nach NS-Raubkunst stellte
sich heraus, dass das Kabinettschränkchen und der Damenschreibtisch aus
dem 18. Jahrhundert aus Warschau stammen. Das Wilanów-Palais war 1944
nach dem Warschauer Aufstand von deutschen Truppen geplündert und in
Brand gesetzt worden.
Am Donnerstagnachmittag reiste Tillich weiter nach Paris, wo er den Präsidenten des französischen Senats, Gérard Larcher, treffen wird. Mit Blick auf die Gespräche in Paris hob er ausdrücklich auch die engen Beziehungen zwischen Frankreich und Sachsen hervor. Erst im Oktober hatte Tillich Frankreich besucht. Dabei ging es um den Ausbau der wirtschaftlichen Kontakte zwischen Frankreich und dem Freistaat Sachsen insbesondere in der Mikroelektronik und Luftfahrttechnik.
Tillich betonte: "Wir können stolz sein auf die gute, enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn. Zu guten Beziehungen tragen persönliche Begegnungen und Gespräche auf verschiedenen Ebenen maßgeblich bei."