Freispruch bei Schwarzfahr-Prozess

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Am Mittwoch, den 10. Februar 2010 fand am Amtsgericht Karlsruhe ein Strafprozess gegen Matze F. statt. Ihm wurde die "Erschleichung von Leistungen" vorgeworfen. Er sei ohne Ticket und mit dem Vorsatz den Fahrpreis nicht zu entrichten in der Karlsruher Straßenbahn angetroffen worden, wurde im Strafbefehl unterstellt. Matze ging gut vorbereitet und gewappnet mit politischen Argumenten in den Prozess. Doch bevor er überhaupt richtig zu Wort kam, verkündete die vorsitzende Richterin schon den Freispruch.

 


 

Bereits am Vortag waren in Karlsruhe SympathisantInnen unterwegs, die in den Straßenbahnen und an den Haltestellen kostenfreie Gruppentickets sowie Fahrkarten für "mindestens eine Person" und Tageskarten, die "jeden Tag irgendeines Monats" gültig sind, verteilten.

"Aber mal ehrlich: das ist doch ein Scherz, oder?" fragen einige der Beschenkten kritisch. "Manche Kontrolleure wissen leider nicht Bescheid und akzeptieren die neuen Karten noch nicht.", antworteten die AktivistInnen dann immer wieder: "Aber überall dort, wo Sie es durchsetzen können, gilt das Ticket." Auch wenn bei einigen Menschen die Skepsis blieb und manche beteuerten, sie würden gerne für ihre Fahrkarten bezahlen - gelegentliches Schmunzeln oder Feedback wie "Gute Idee!" zeigten Matzes SympathisantInnen, dass ihre Aktion ankam.

Am nächsten Morgen vor Verhandlungsbeginn war in der Innenstadt "Mars TV" zu sehen.

 

Diesmal wollten die MarsianerInnen in ihrer beliebten Sendung zeigen, weshalb die Menschen auf der Erde Papierstücke namens "Fahrkarten" brauchten und zu welchem Zweck. Sie interviewten die Fahrgäste der Straßenbahn, um die sonderbaren Gewohnheiten auf der Erde hautnah mitzubekommen. Nach Gesprächen mit sonderbaren Menschen, die alle "Polizei" hießen, verschwanden die BesucherInnen zurück auf den Mars und die AktivistInnen besuchten den Prozess.

Auf dem Weg zum Gericht stellten sie dann fest, dass sie nicht die einzigen waren, die sich in Karlsruhe für Gratismobilität stark machten.

Unbekannte hatten an mehreren Straßenbahnhaltestellen die Sticker mit der Aufschrift "Außer Betrieb für kostenlosen Nahverkehr" auf die Bildschirme geklebt, sodass sie tatsächlich vorübergehend nicht nutzbar waren.

Die Verhandlung ging überpünktlich los, bevor ein großer Teil der Zuschauer überhaupt anwesend war. Durch zügigen Verhandlungsablauf wurde dem Angeklagten die Wahrnehmung seiner prozessualen Rechte, wie das Stellen von Anträgen sehr erschwert. Ziemlich schnell wurde die erste Zuschauerin des Saales verwiesen, weil die Richterin die kritische Frage, welchen Zweck das geforderte "Aufstehen" hätte, nicht dulden oder beantworten wollte.

"Mir ging es bei diesem offensiv geführten Prozess nicht nur darum, der Kriminalisierung von Schwarzfahren ein Ende zu setzen, sondern auch um aufzuzeigen wie die Interessen von einzelnen Verkehrsbetrieben durch autoritäre Gerichte geschützt werden." erklärt Matze.

Bevor er allerdings den Großteil seiner Anträge stellen konnte, schloss die Richterin gegen seinen Willen die Beweisaufnahme und verkündete den Freispruch. Der einzige Zeuge war wohl nicht kontaktierbar gewesen. Allerdings wurde in letzter Minute noch ein Ordnungsgeld gegen eine Zuschauerin verhängt, der die Richterin vorwarf sie wäre bei der Urteilsverlesung nicht stehengeblieben.

"Mit dem Prozess will ich für eine Gratismobilität werben. Denn Fahrkarten führen dazu, dass Menschen mit wenig oder keinem Geld von dieser Mobilität ausgeschlossen werden. meint Matze. Öffentlicher Nah – und Fernverkehr sollte kostenlos sein und sich nicht an den Lobbyinteressen der Konzerne und staatlichen Institutionen orientieren."