Verbot von Altermedia: Der schwierige Kampf gegen Nazis im Netz

Erstveröffentlicht: 
27.01.2016

Hetze gegen Flüchtlinge und Juden, Hakenkreuze, Lobreden auf Adolf Hitler: All das konnte man auf der Webseite Altermedia finden. Jetzt ist das deutsche Neonazi-Portal verboten. Aber die Gefahr durch Rechtsextreme im Internet ist dadurch lange nicht gebannt.

 

Von Stephanie Lob

 

"Asylantenflut" ist noch eines der harmlosesten Wörter, die man bis Mittwochfrüh auf der Webseite Altermedia finden konnte. Von "jüdischer Jauche" war dort die Rede, von "Ausländerbanden, die Jagd auf weißes Fleisch" machen. "Adolf Hitler" zählte zu den meistgeklickten Begriffen auf der Homepage. Inzwischen ist die Seite nicht mehr zu erreichen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sie verboten.

 

Die beiden mutmaßlichen Betreiber der Plattform, eine 47-Jährige und ein 27-Jähriger, sind in Polizeigewahrsam. Die Bundesanwaltschaft hat sie festnehmen und ihre Wohnungen durchsuchen lassen. Der Vorwurf: Gründung einer kriminellen Vereinigung und Verbreitung volksverhetzender Inhalte. Diese reichen laut den Ermittlern von "Gewaltaufrufen gegen in Deutschland lebende Ausländer über die Verächtlichmachung von Menschen anderen Glaubens und anderer Hautfarbe bis hin zur Leugnung des Holocausts."

 

Eine Seite von Neonazis für Neonazis

"Altermedia war viele Jahre lang die maßgebliche Nachrichtenseite der rechtsextremen Szene", sagt Johannes Radke. Er ist freier Journalist und Rechtsextremismus-Experte und arbeitet bei der "Zeit" unter anderem für das Blog Störungsmelder. "Altermedia war eine Seite von Neonazis für Neonazis, da wurde kein Blatt vor den Mund genommen", sagt er. Umso erstaunlicher, dass das Portal mit Unterbrechungen seit dem Jahr 2003 online war. Und jährlich geschätzte fünf Millionen Zugriffe verzeichnete.

 

"In den vergangenen Jahren hatte die Relevanz von Altermedia allerdings abgenommen", sagt Johannes Radke. "Das liegt an sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter." Zudem habe es der Seite nicht gut getan, dass die damaligen Betreiber im Oktober 2011 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. "Bereits damals hieß es, die Webseite sei verboten", erinnert sich Radke, der den Prozess verfolgte.

 

Der Trend ist klar: Seit einigen Jahren weichen Anbieter rechtsextremer Inhalte zunehmend in die sogenannten sozialen Netzwerke aus. Die von den Bundesländern gegründete Initiative "jugendschutz.net" zählte zuletzt gut 1.400 Webseiten und mehr als 4.700 Social-Media-Beiträge. Junge User würden " subtil und mit modernen, lebensweltnahen Angeboten geködert", heißt es in dem aktuellen Bericht zu "Rechtsextremismus online 2015". "Vor allem dann, wenn Beiträge an aktuelle Themen anknüpfen, erreichen sie eine immense Nutzerzahl, auch über Szenekreise hinaus", heißt es. Das zeigen auch die Debatten um Flüchtlinge und wachsenden Islamismus.

 

"Wird eine Seite gesperrt, machen drei andere auf"

Deutsche Ermittler tun sich schwer damit, gegen Neonazis im Netz vorzugehen. Das liegt auch daran, dass die sich die rechte Szene technisch versiert ist und sich rechtliche Schlupflöcher zunutze macht. Im Fall Altermedia stand der Server, über den die Inhalte ins Web gestellt wurden, zunächst in den USA, später in Russland. Ohne Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden geht da nichts.

 

Zudem schießen rechtsextreme Angebote wie Pilze aus dem Boden: "Wird eine Facebook-Seite wegen anstößiger Inhalte gelöscht, werden drei andere aufgemacht", sagt Johannes Radke. Gerade junge Nutzer seien "ein Riesenpotenzial". "Früher musste ich im Dorf zu der Bushaltestelle gehen, wo sich die Neonazis trafen. Heute genügt ein "Like", und man bekommt eine Nachricht mit Freundschaftsangeboten aus der rechtsextremen Szene. Man wird in Chats eingeladen oder bekommt ein Video zugeschickt, das geht ganz schnell." Die nüchterne Bilanz des Experten: "Bei der Nutzung moderner Medien waren die Neonazis immer ganz vorne mit dabei."