Gereizte Bürger, erstaunte Amtsleiterin

Erstveröffentlicht: 
21.01.2016
Aula zu klein: Info-Veranstaltung zu Flüchtlingen in Holzhausen abgesagt / Ortsvorsteher kritisiert die Stadtverwaltung

VON STEPHANIE VON ARETIN

 

Das hatte Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst nicht erwartet: Holzhausens Straßen waren am Dienstagabend – trotz Temperaturen unter dem Gefrierpunkt – voll. Von allen Seiten pilgerten Grüppchen zur Grundschule. Die Stötteritzer Landstraße vor der Schule war beidseitig zugeparkt. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Info-Veranstaltung zu den geplanten Flüchtlingsheimen in dem südöstlichen Leipziger Ortsteil musste die Aula, die 150 Plätze fasst, wegen Überfüllung gesperrt werden (die LVZ berichtete). Zu diesem Zeitpunkt standen noch etwa 200 Menschen vor der Tür. Später sagte die Sozialamtsleiterin das Bürgerforum ganz ab. Grund: Das Thema hatte einen Andrang ausgelöst, dem der Saal nicht gewachsen war.

 

„Ähnliche Veranstaltungen haben wir bereits in mehreren Stadtteilen durchgeführt“, begründete die Sozialamtsleiterin ihre Raumplanung. „Nie waren mehr als 150 bis 200 Menschen da. In Sellerhausen saßen wir sogar in einem halbleeren Saal.“ Erstaunt, erschrocken, schockiert? „Von allem ein bisschen“, spiegelte die Amtsleiterin ihre Gefühle angesichts der vielen Interessenten wider. „In Holzhausen waren bisher keine Flüchtlinge untergebracht. Es besteht kein Kontakt zu diesem Thema“, erklärte sie sich den Andrang und fügte mit Blick auf die angespannte politische Lage im Land leicht bitter hinzu: „Wir haben Januar 2016.“

 

Auf dem eiskalten Schulhof war die Stimmung unter den wartenden Bürgern gereizt. Mal machte das Gerücht die Runde, der Saal sei frühzeitig gezielt von Auswärtigen besetzt worden. Mal machten Leute ihrem Ärger Luft, dass die Veranstaltung nun womöglich weit weg nachgeholt werde. Auch nachdem Kador-Probst bekanntgeben hatte, dass noch in dieser Woche ein neuer Termin in einem größeren Objekt veröffentlicht werde, blieben viele vor Ort. „Wir warten, bis alle gegangen sind. Wir wollen nicht, dass die jetzt heimlich ohne uns diskutieren“, sagte eine Frau.

 

Ortsvorsteher Hans-Jürgen Raqué (CDU) konnte sich nicht vorstellen, dass auswärtige Stimmungsmacher ins Dorf gelotst worden seien. „Ich habe sehr viele Holzhausener im Saal gesehen“, sagte er. Allerdings ging er noch am Abend auf Distanz zur Veranstaltungsleiterin Kador-Probst. Gegenüber der LVZ äußerte er: „Ich habe im Vorfeld das Sozialamt auf das große Interesse im Ort hingewiesen und Vorschläge zum Beispiel zur Außenbeschallung gemacht. Leider wurden diese vom Veranstalter nicht berücksichtigt. Die Stadtverwaltung hätte reagieren müssen.“

 

Die Verwaltung plant, ab dem zweiten Quartal dieses Jahres 168 Flüchtlinge in einem früheren Bürokomplex in der Händelstraße und ein paar Monate später45 Flüchtlinge im ehemaligen Gemeindeamt in der Stötteritzer Landstraße unterzubringen. In den vergangenen Wochen hatte dies in dem 6340-Seelen-Ort, in dem laut Statistik der Stadt Leipzig 83 Ausländer leben, bereits zu einer erregten Facebook-Debatte und Flugblatt-Aktionen geführt, die sich gegen die Unterbringung richteten. Stadträtin Martina Hollick (Die Linke) kommentierte: „So denkt die bürgerliche Mitte, Hartz-IV-Empfänger gibt es in Holzhausen kaum.“ SPD-Stadträtin Nicole Wohlfarth wurde wie viele Bürger gar nicht erst in den Saal gelassen.