Protest gegen Pegida: Im Satirekanal ist die Peggy da

Erstveröffentlicht: 
17.01.2016

Strategiekonferenz in Dresden suchte nach wirksameren Formen des Protestes gegen Pegida – und tat sich schwer damit

 

Gegen Pegida in Dresden halfen bisher weder Großaktionen noch wöchentlicher Protest und Ignorieren. Eine Konferenz suchte jetzt nach wirksameren Ansätzen. Dabei könnte auch Satire eine große Rolle spielen.

 

Dresden. In Dresden könnte es demnächst Demonstrationen geben, bei denen Pegida draufsteht, ohne dass Pegida drin ist: Plakate mit grotesken Forderungen, Reden mit wirrem Inhalt – Parodien der Hetzveranstaltungen, die seit über einem Jahr im Wochentakt stattfinden und auf denen Ressentiments gegen Zuwanderer, die Politik und die »Lügenpresse« geschürt werden. Denkbar ist auch ein satirischer Kanal beim Videodienst Youtube – Arbeitstitel: »Peggy und Lutz«, in Anspielung auf den Pegida-Gründer und Ex-Kleinkriminellen Lutz Bachmann.

 

Die Ideen stammen aus einem der Workshops bei einer Strategiekonferenz, zu der unter anderem das Bündnis »Dresden nazifrei« am Wochenende geladen hatte. Ziel war eine »grundsätzliche Neuausrichtung« der Proteste gegen Pegida. Die haben sich in Dresden, anders als in etlichen anderen Städten, bisher als weitgehend wirkungslos erwiesen. Ganz gleich, ob Bündnisse zu breit angelegten Demonstrationen aufriefen, ob Woche für Woche zu kleineren Aktionen eingeladen wurde oder ob man Pegida, wie nach der Spaltung am Jahresanfang 2015, zu ignorieren suchte: Keine der Strategien hatte nennenswerten Erfolg. Bachmann & Co. mobilisieren nach vorübergehender Flaute wieder Tausende; ihre hasserfüllten Parolen haben das Klima in Sachsen nachhaltig vergiftet.

 

Bei der Konferenz wurde an zwei Tagen sowie in 14 Workshops einerseits noch einmal der Versuch unternommen, das Phänomen »Pegida in Dresden« zu verstehen und einzuordnen. Während etwa der Politikwissenschaftler Hans Vorländer von der TU Dresden, der am Mittwoch ein neues Buch zum Thema vorstellt, von einer rechtspopulistischen »Empörungsbewegung« spricht, wurde Pegida bei der Konferenz als »faschistoid« eingestuft. Zu den förderlichen Bedingungen für das Gedeihen gerade in Dresden zählte man die »sächsischen Verhältnisse« mit einer speziellen Melange von Dresdner Dünkel, DDR-Mentalität und langjähriger CDU-Alleinherrschaft. Folge sei unter anderem, dass jegliches Engagement für soziale Veränderung als linksextrem diffamiert werde. Derzeit, klagt ein Teilnehmer, sei Pegida in weiten Teilen der Bevölkerung als Podium für »besorgte Bürger« akzeptiert; als jene, die »Probleme« machen, sehe man die Gegendemonstranten. »Wie man diesen Diskurs dreht«, hieß es selbstkritisch, »darüber sind wir uns noch nicht einig.«

 

Es ist ein Fazit, das auch unter der Konferenz als Ganzes stehen könnte. Die aufgeworfenen Themen erinnerten teils an schon vor Jahren geführte Debatten, so in der Frage, wie radikale Linke und bürgerlicher Protest gebündelt werden können. Diese bewegte Dresden schon, als es um wirksame Aktionen gegen die Naziaufmärsche zum 13. Februar ging. In der Arbeitsgruppe einigte man sich, dass gemeinsame Aktionen einerseits nicht zuerst auf die Wiederherstellung des »guten Rufs« der Stadt zielen dürften (woran vielen Bürgern gelegen ist), andererseits aber radikaleren Linken auch nicht »globale Systemkritik« zur Voraussetzung für das gemeinsame Handeln machen dürften.


Bei der grundlegenden Frage freilich, wie wirksamer Protest praktisch organisiert werden kann, gab es wenig Neues. Bei wöchentlichen Demos gebe es ein »unfassbares Missverhältnis« zwischen organisatorischem Aufwand und tatsächlicher Zahl der Teilnehmer, bilanzierte eine Arbeitsgruppe; zudem sei wegen der Übergriffe von Pegida-Anhängern »die Sicherheit einfach nicht mehr gegeben«. Nötig seien »kreative Formen des Protestes«; wie sie aussehen sollen, blieb vorerst offen. Umstritten blieb die Forderung, man solle stärker auf soziale Fragen eingehen. Pegida schaffe es, »Leute bei Themen wie Wohnen und Rente abzuholen, unsere Antwort aber ist leider oft nur eine moralische – dass Rassismus schlecht ist«, sagte ein Teilnehmer. Andere indes warnten davor, soziale Missstände quasi als Entschuldigung für Rassismus zu akzeptieren.

 

Ansonsten war viel vom Wunsch nach stärkerer Vernetzung die Rede; davon, dass Lokalpolitiker stärker zur Positionierung gedrängt und Flüchtlinge in die Proteste einbezogen werden sollten. Alles sinnvoll, aber alles nicht wirklich neu. »Da werden alte Räder neu ins Rollen gebracht«, resümierte eine Teilnehmerin aus Potsdam und fügte hinzu: »Wir haben offensichtlich noch keine neue Idee – aber was uns gerade entgegen rollt, ist eine völlig neue Entwicklung.« Wie dieser begegnet werden kann, bleibt eine knifflige Frage – auch nach der Strategiekonferenz, deren Ergebnisse nun zunächst zusammengefasst und im Laufe dieser Woche veröffentlicht werden sollen.