Unzählige Akten und etwa 150 Zeugen- und Gutachterbefragungen später ist der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses fertig und liegt dem SWR bereits exklusiv vor. Trotz vieler Erkenntnisse gibt es immer noch offene Fragen.
Gut ein Jahr lang hat der NSU-Untersuchungssauschuss des baden-württembergischen Landtags versucht, Antworten auf brennende Fragen zu finden. Allen voran zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Der etwa 1.000 Seiten starke Bericht soll am Freitag in einer nicht öffentlichen Sitzung beschlossen werden.
Kiesewetter war Zufallsopfer
In einer der wichtigsten Fragen kommt der NSU-Untersuchungsausschusses zu einem klaren Ergebnis: Es gebe keinerlei Zweifel, dass die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Polizistin Michèle Kiesewetter ermordet und deren Kollegen schwer verletzt haben. Dafür sieht der Ausschuss eine Vielzahl belastender Indizien.
Die Tat habe Kiesewetter aber nicht persönlich gegolten, sie sei nur durch Zufall zum Opfer des NSU geworden. Helfer bei der Tat in Heilbronn könne man zwar nicht ausschließen, aber Hinweise gebe es auch keine.
Pannen bei den Ermittlungen
Auch zu den Ermittlungen nimmt der Bericht ausführlich Stellung: Es habe Fehler und Pannen sowie Fehleinschätzungen gegeben. Aber die Kritik bleibt hier verhalten. Unter dem Strich kommt der Ausschuss zu dem Schluss, dass die Ermittler selbst ganz ohne Fehler nicht auf den NSU als Täter gekommen wären.
Dass Kiesewetters Vorgesetzter Jahre zuvor im Ku-Klux-Klan gewesen war, habe mit dem Mord nichts zu tun. Deutliche Kritik wurde aber am disziplinarischen Umgang mit der Klan-Mitgliedschaft zweier Polizisten geübt. Der sei mangelhaft gewesen.
Nicht alle Erkenntnisse schlüssig
Es gibt aber auch Punkte, bei denen sich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses nicht sicher sind. Dazu zählt auch das Motiv für den Polizistinnen-Mord. Beate Zschäpe hatte vor dem Oberlandesgericht in München ausgesagt, dass es Mundlos und Böhnhardt um die Waffen der zwei Polizisten gegangen war. Daran gibt es im Untersuchungsausschuss Zweifel.
Auch für SWR-Reporter Mark Kleber, der den Ausschuss von Anfang an begleitet hat, sind nicht alle Antworten schlüssig. Zeugen wollen in der Nähe des Tatortes blutverschmierte Männer gesehen haben, der Untersuchungsausschuss kam zu dem Schluss, dass sie nichts mit dem Mord zu tun haben. Zeitabläufe und das Verhalten schienen nicht plausibel. Klebers Einschätzung: "Das geht mir zu weit. Da scheint das Motto zu sein: Was nicht ins Bild passt, haken wir einfach ab. Das finde ich unbefriedigend."
Obwohl der Ausschuss in vielen Fragen wichtige Informationen ans Licht gebracht habe, wirke die Abschlussbewertung doch sehr harmonisch "und in einigen Fragen viel zu selbstgewiss. Bei allem Zeitdruck, den es gab, frage ich mich schon, welche Rolle da vielleicht spielt, dieses Thema bloß nicht in den Wahlkampf zu ziehen", so Kleber.
Zweiter Untersuchungsausschuss soll verbleibende Fragen klären
Manche heißdiskutierte Fragen, zum Beispiel ob am Tattag in Heilbronn US-Dienste anwesend waren und ob die Täter ortskundige Helfer hatten, bleiben offen. Darum soll sich nach der Wahl ein zweiter Untersuchungsausschuss kümmern, ebenso wie um eine der Hauptfragen: Welche Unterstützung hatte der NSU in Baden-Württemberg? Dafür blieb schlicht keine Zeit, weil der Bericht vor der Landtagswahl noch fertig werden musste.