Polizeipräsident Merbitz: „Probleme können wir nur sachlich lösen“

Erstveröffentlicht: 
05.12.2015
Mehr als 350 Zwenkauer wollen bei der Einwohnerversammlung zur Flüchtlingsunterkunft Antworten
VON ULRIKE WITT

 

Zwenkau. Die im Gewerbegebiet „Am Wasserwerk“ geplante Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge ist seit Wochen Stadtgespräch. Wie groß das Interesse ist und welche Blüten Ängste treiben, zeigte sich Donnerstagabend bei der Einwohnerversammlung im Schulzentrum. Über 350 Bürger kamen, um von Bürgermeister Holger Schulz, Landrat Henry Graichen (beide CDU) und Polizeipräsident Bernd Merbitz Antworten zu erhalten. Moderiert wurde die Veranstaltung von Landtagsmitglied Oliver Fritzsche (CDU).

 

„Wir haben keine Wohnungen für 150 Leute. Um nicht die Turnhalle freiräumen zu müssen, wird der Pachtvertrag fürs Containerdorf vorbereitet“, sagte Schulz. Aktuell lebten fünf Syrer und Iraker in Zwenkau in zwei Wohnungen. Fünf Wohnungen stünden noch zur Verfügung. „Wir werden versuchen, die Flüchtlinge schnell in Ein-Euro-Jobs und gemeinnützige Arbeit zu bringen. Die Vereine haben schon Interesse angemeldet“, so Schulz. Als Bindeglied soll ein Integrationsbeauftragter im Rathaus wirken.

 

Graichen machte die Dringlichkeit klar: „Am 1. Januar 2015 hatten wir 1000 Flüchtlinge im Kreis. Bis Ende Oktober kamen 980 hinzu. Im November und Dezember werden es 1400 sein und für Januar wurden 830 angekündigt. Bislang.“ Die 2013, vor der Flüchtlingswelle getroffene Vereinbarung habe 60 Prozent dezentrale Unterbringung vorgesehen. Das Problem: „Je näher an Leipzig, um so weniger freie Wohnungen“, so Graichen. Das Containerdorf solle im April bezogen werden. „Der Betreiber steht noch nicht fest. Es gibt mehrere Interessenten“, sagte er. Klar sei, dass ein Heimleiter, ein Sozialarbeiter und Wachschutz in den Nachtstunden vor Ort sein werden.

 

„Die Situation stellt auch die Polizei vor wahnsinnig große Herausforderungen. Ich kann Ihnen nicht sagen, morgen kommt eine Hundertschaft und bleibt zwei Jahre“, sagte Merbitz. „Ich verspreche Ihnen aber, es wird ein zweiter Bürgerpolizist eingesetzt und die Streife erhöht. Außerdem wird das Revier Borna aufgestockt.“ Der Polizeipräsident, aber auch Schulz und Graichen wurden mehrfach von polemischen Zwischenrufen unterbrochen. Schulz kündigte darauf an, notfalls von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen und Störer des Saals zu verweisen. Als Merbitz betonte, „Probleme können wir nur sachlich lösen“, applaudierten die meisten Bürger.

 

Und sie hatten viele Fragen: Warum wird eine große Unterkunft aufgemacht statt zwei oder drei kleine? Was ist, wenn mehr Flüchtlinge kommen? Gehen sie zurück, wenn Frieden in Syrien herrscht? Wie werden sie versorgt? Wie stark wird das Stadtsäckel belastet? Gehen die Kinder in Kitas? Gibt es einen Gesundheitscheck? Wie werden wir geschützt? Bis hin zur Frage: Was ist, wenn ein Asylbewerber einen Kratzer an mein Auto macht?

 

„Wir haben ein Defizit im Haushalt 2016. Aber nicht wegen der Flüchtlinge, sondern weil uns wegen hoher Gewerbesteuereinnahmen die Schlüsselzuweisungen gekürzt werden“, sagte Schulz. Graichen erklärte, dass die Kosten der Unterbringung – 9300 Euro pro Jahr und Person – Land und Bund tragen. Erst ab 150 Flüchtlingen pro Unterkunft gebe es eine Sozialarbeiterstelle. Die Ankommenden seien untersucht, neue Kita-Plätze würden bei Bedarf geschaffen.

Heidemarie Lüth vom Aktionsbündnis „Zwenkau ist bunt“ meinte: „Die Flüchtlinge hoffen, bei uns Unterkunft und Frieden zu finden. Wir sollten ihnen dies geben. Und ich hoffe sehr, dass viele bleiben, wir uns kennenlernen und gegenseitig bereichern.“ Schulz versprach, sobald er Neues weiß, wieder einzuladen.