Plauen/Leipzig. Michael Oheim ist in diesen Tagen auf vielen Baustellen zu finden. Die in der heimischen Wohnung, wo der Sohnemann gerade ein eigenes Kinderzimmer bekommt, ist da noch die kleinste und überschaubarste. Denn der Wirt des Plauener Steak-Hauses ist auch Gründer der Aktion „Wir sind Deutschland“ (WsD), die seit August im Vogtland immer sonntags Tausende mobilisiert.
Eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland, eine strikte Umsetzung der vorhandenen Gesetze und mehr Basis – all das sind Forderungen, die auch von der fremdenfeindlichen- und islamkritischen Bewegung Pegida in Dresden geteilt werden. Doch im Gegensatz zu dieser setzen Oheim & Co. auf Kooperation mit Politik und Presse statt auf Konfrontation. „Wir wollen, dass konstruktiv und ehrlich berichtet wird“, umschreibt Oheim sein Anliegen. „Man muss sich nach außen hin öffnen, sonst ändert sich nichts.“ Rechte Hetzparolen sind darum unerwünscht. Wichtig sei, nicht an der Politik vorbei zu demonstrieren, sondern gemeinsam an Veränderungen zu arbeiten.
Mit Parteien hat die WsD, die eigentlich aus einer Facebook-Gruppe hervorgegangen ist, dennoch wenig am Hut, selbst mit der Alternative für Deutschland (AfD) nicht. Momentan gäbe es keine Partei, die man reinen Herzens wählen könne, findet Oheim.
Allerdings dürfen sowohl AfD als auch andere Parteien durchaus auf den Kundgebungen sprechen. Generell gilt aber: Redner müssen zuvor ihr Manuskript einreichen, damit es keine verbalen Entgleisungen gibt. Das trifft den Nerv von tausenden Vogtländern: Sonntag für Sonntag. Mal mehr, mal weniger – auch abhängig vom Wetter.
Umgedreht nimmt WsD auch beispielsweise an den 1. Bürgergesprächen teil, zu denen gestern Abend die Kirchen nach Plauen eingeladen hatten. Dafür setzen sich Oheim und Co. auch mit dem Landrat des Vogtlandkreises, Rolf Keil (CDU) und Plauens Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer (FDP) an einen Tisch. Oberdorfer, ein ausgewiesener Pragmatiker, sucht deshalb auch nicht die Konfrontation, sondern die Kooperation mit der WsD. „Die Demonstrationen bilden den Durchschnitt der Bürger und der Region ab und heben sich qualitativ von anderen Städten ab“, konstatiert er. Er selbst habe einige Veranstaltungen besucht. „Meinungsvielfalt und De-monstrationsrecht sind zwei Grundpfeiler der Demokratie, ich finde es gut, wenn die Menschen diese wahrnehmen. Es gibt eine ganze Menge offener Fragen, auf die die Politik derzeit keine Antworten gibt.“ Neben der Asylpolitik äußert sich die WsD deshalb auch zu Themen wie Russland-Politik oder Rüstungsexporten.
Der rasche Erfolg der Plauener Kritiker wird bei anderen Protestbewegungen durchaus mit gemischten Gefühlen gesehen. Dazu kommt, dass die WsD ihre Aktivitäten nicht mehr nur auf das Vogtland beschränkt, sondern mittlerweile auch in anderen Städten demonstriert. Beispielsweise in der Pegida-Hochburg Dresden – am vergangenen Sonntag zum ersten Mal. Für Pegida-Gründer Lutz Bachmann ist das ein klarer Affront. Ihm gilt die WsD ohnehin als der „von oben gesteuerte“ Versuch, Pegida zu spalten. Deshalb sagte er der WsD am vergangenen Montag den Kampf an. Pegida werde künftig im Vogtland aktiver werden, drohte Bachmann.
Oheim lässt das ziemlich kalt. Das Problem sei, dass zwischen den ganzen Organisationen, die kritisch mit der Asylpolitik umgehen, „Kindergarten“ herrsche. Dass die WsD so rasch gewachsen ist, habe durchaus zu Anfeindungen geführt. „Wir waren eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, so Oheim. Und offenbar mit dem richtigen Ton.
„Irgendwann“, sagt Oheim“, sollten sich alle mal zusammenraufen. Das würde Sinn machen.“ Er sieht die WsD nicht als Gegenbewegung zu Pegida, wohl aber als eine reale Alternative. Wenn alles nach Plan läuft, wird es auch noch in diesem Jahr WsD-Aktionen in Leipzig geben. In Bautzen gehen seine Anhänger auch schon auf die Straße.
Klar ist, dass die Demonstrationen Schritt für Schritt ausgeweitet werden sollen. Für all das aber, was danach kommen soll und für die langfristige Beseitigung der herrschenden Politikverdrossenheit , gibt es laut Oheim bisher „nur Gedankenansätze“. Sicher ist er sich nur in einem Punkt: „Es soll wieder von unten nach oben regiert werden und nicht umgekehrt.“