Prozess wegen Sitz-Demo: Urteil entfacht Streit unter Karlsruher Stadträten

Erstveröffentlicht: 
23.11.2015

Karlsruhe (Ramona Holdenried/Melanie Nees) - Eine Sitzblockade schlägt Wellen: Vor Gericht wehrten sich diese Woche zwei Kargida-Gegner gegen ausgestellte Bußgeldbescheide der Stadt Karlsruhe, die sie nach einer Sitzblockade erhalten hatten. Unterstützt wurden sie dabei von den Karlsruher Grünen, der Linke und der Kult-Fraktion- eine Haltung, die die CDU-Gemeinderatsfraktion nun scharf kritisiert.

 

Ein Protest im Rahmen der Kargida-Demos Ende März landete in dieser Woche vor Gericht: Am Montag verhandelte das Amtsgericht Karlsruhe die Fälle zweier Demonstranten, die mit einer Sitzblockade ein Zeichen gegen eine Kundgebung der islamfeindlichen Bewegung Kargida- die sich heute "Widerstand Karlsruhe" nennt- setzen wollten und sich gegen ein Verbot der anwesenden Ordnungshüter auflehnten.

 

Die Polizei erließ daraufhin Kostenbescheide von je 93 Euro für das Wegtragen der Gegendemonstranten. Zudem folgten städtische Bußgeldbescheide von 223 Euro wegen des Nichtbefolgens eines Platzverweises. Ein solcher Bescheid erreichte auch Anete Wellhöfer. Sie klagte vor dem Amtsgericht.

 

Grüne, Linke und Kult: "Das sind Bagatellen"


Nicht nur Wellhöfer, sondern auch Stadträte der Karlsruher Grünen, der Kult-Fraktion und der Karlsruher Linke kritisierten die Mahnbescheide. "Es handelt sich vielfach um die Verfolgung von Bagatellen", schreiben die Grünen-Stadträte Joschua Konrad und Daniela Reiff, die Kult-Stadträte Erik Wohlfeil und Max Braun sowie Sabine Zürn und Niko Fostiropoulos von der Karlsruher Linke in einem Brief an Oberbürgermeister Frank Mentrup, der ka-news vorliegt.

 

"In anderen Städten wurde auf eine solche 'Ahndung' von zivilgesellschaftlichem antirassistischen Protest verzichtet", heißt es in dem Brief weiter. Das fordern sie auch für die Kargida-Gegner. "Als tolerante, vielfältige und weltoffene Stadt, sollte Karlsruhe aus unserer Sicht diejenigen Menschen unterstützen, die sich für eben diese Werte einsetzen und mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement dafür sorgen, dass sich in Karlsruhe alle Menschen, egal welcher Religion oder Hautfarbe, angstfrei bewegen können und Flüchtlinge ohne diskriminierende Ressentiments aufgenommen werden."

 

Die Karlsruher Stadträte baten Oberbürgermeister Mentrup in ihrem Brief, sich im Namen der Stadt beim Polizeipräsidium, der Staatsanwaltschaft und dem Ordnungsamt dafür einzusetzen, mögliche Ermessensspielräume auszuschöpfen und die laufenden Verfahren soweit wie möglich einzustellen.

 

CDU: "Unerträgliche und nicht akzeptable Einflussnahme"


Für dieses Vorgehen ernten die sechs Stadträte nun harsche Kritik von der Karlsruher CDU-Gemeinderatsfraktion. "Es ist in meinen Augen ein Unding, dass Stadträte der Grünen, Kult und der Linkspartei den Oberbürgermeister auffordern, dabei zu helfen, Ordnungswidrigkeiten und Straftatbestände unter den Tisch fallen zu lassen. Die Begründung, dass die Meinung der betroffenen Gegendemonstranten lobenswert sei, lässt mich daran zweifeln, ob unser Grundgesetz und unsere Rechtsordnung von den Absendern richtig verstanden wurden", so der der Fraktionsvorsitzende Tilman Pfannkuch.

 

Die CDU sei dankbar, dass sich Bürger gegen Fremdenfeindlichkeit in Karlsruhe einsetzten. Dies müsse aber auf eine Weise geschehen, die nicht in Konflikt mit der Rechtsordnung stehe. Wer andere versuche, von ihrem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit abzuhalten, der handle eben unter Umständen nicht rechtskonform und müsse wie jeder andere auch mit Konsequenzen rechnen.

 

"Das Recht auf Demonstration ist grundgesetzlich geschützt. Aber die Teilnehmer sowohl einer Demonstration als auch einer Gegendemonstration müssen sich ihrerseits an Recht und Gesetz halten. Der nun von Mitgliedern von Grünen, Kult und Linken unternommene Versuch von politischer Einflussnahme auf die Arbeit der Straf- und Ermittlungsbehörden ist unerträglich und in einem Rechtsstaat nicht akzeptabel", so der CDU-Kreisvorsitzende Ingo Wellenreuther.

 

Gericht: Politischer Druck hat keinen Einfluss auf Urteil


Im Gespräch mit ka-news bestreitet der Pressesprecher des Karlsruher Amtsgerichts, dass politischer Druck Einfluss auf Urteile am Gericht hat. Das Amtsgericht milderte im Fall von Antete Wellhöfer das Bußgeld der Stadt von 223 auf 50 Euro. "Für ein Bußgeld gibt es immer einen Strafrahmen", betont der Presseprecher. Die Richter würden immer einzelfallbezogen über die Höhe entscheiden. "Was es auf keinen Fall gibt, ist eine politische Vorgabe", stellt er klar.