[S] Eine Einschätzung der aktuellen Situation rechter Hetze und antifaschistischen Protestes im Kreis Esslingen und Göppingen

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Mit einem kurzen Rückblick auf die vergangenen Aktivitäten in Uhingen, Wernau, Plochingen und Wendlingen möchten wir die aktuelle gesellschaftliche Situation, die lokalen Faschisten sowie die Rolle der Antifa-Bewegung etwas beleuchten.

 

In Uhingen wurde am Freitag, den 6. November zu einer öffentlichen Sondersitzung des Gemeinderates eingeladen.

Wir mobilisierten sofort mit einem kurzen Aufruf zu einer Kundgebung direkt vor der Sitzung. Ziel war hierbei die Faschisten von der Veranstaltung fern zu halten. Im Vorhinein klärten AntifaschistInnen die Uhinger AnwohnerInnen über den Neonazi Manuel Maier auf und übersprühten Nazischmierereien am dortigen Bahnhof.

Letztlich schaffte es kein einziger Neonazi auf die städtische Veranstaltung. Während die Neonazis vermummt in einer Gruppe durch Uhingen zogen, war die Kundgebung auf eine mögliche Konfrontation gut vorbereitet. Nach Beendigung der Kundgebung zog eine antifaschistische Demo zum Uhinger Bahnhof. Auf dem Weg dorthin, provozierten türkische Faschisten, später wurde die Nazigruppe entdeckt und bis in einen REWE-Markt gejagt. Dort mussten die Neonazis über 1,5 Stunden unter massivem Polizeischutz verweilen, ehe sie in einer Polizeieskorte aus der Stadt evakuiert wurden.

Bei der Abreise wurden die Naziautos zumindest etwas angegangen. Dabei wurden schon vorher enttarnte Zivilpolizisten, welche teilweise vermummt und bewaffnet AntifaschistInnen angreifen wollten, von ihren Kollegen der Beweis- und Festnahmeeinheit brutal verprügelt und festgenommen.

Kurz gesagt: Die Nazis konnten weder rassistische Hetze verbreiten, sondern mussten unter Polizeischutz aus „ihrer“ Stadt gebracht werden.

 

Nur einen Tag später organisierte die Antifaschistische Aktion Esslingen Kundgebungen im ländlichen Wernau und in Plochingen gegen die dortigen Naziumtriebe. Die Neonazis vom Vortag ließen sich hier nicht blicken, so konnte antifaschistische Basisarbeit betrieben werden.

 

Am Montag, den 9. November, dem Gedenktag der Reichspogromnacht von 1938 fand eine linke, antifaschistische Gedenkveranstaltung in Cannstatt statt. Am Abend machte die AfD eine rassistische Veranstaltung in Wendlingen im Kreis Esslingen. An dem dort angekündigten Protest der lokalen Jusos beteiligten sich auch einige AntifaschistInnen aus der Region. So kam es direkt an der Halle zu Protesten und mehrere Neonazigruppen wurden aus der Stadt gejagt.

 

Die Situation in der wir uns befinden


In ganz Europa erstarken rassistische und faschistische Organisationen, welche mit simplen Erklärungsmustern rassistisch gegen Geflüchtete und insbesondere Muslime und Muslima hetzen. Während der Staat offensichtlich mit einem humanitären Umgang mit Geflüchteten überfordert ist, wird ein Großteil der karitativen Arbeit auf die Schultern von ehrenamtlichen Lohnabhängigen verlegt. Europaweit werden deutlich verschärfte Asylgesetze durchgesetzt und sich weiter mit Zäunen, Mauern und Kontrollen abgeschirmt. Ein Zusammenspiel aus wirtschaftlichem Kalkül und moralischer Kälte.

Trotz teilweise verbaler antirassistischer Phrasen von Seiten der Sozialdemokratie oder den Grünen bietet die rassistische Politik der Mächtigen extrem Rechten und Faschisten einen Nährboden und jede Menge Zündstoff für Angriffe und Anschläge auf Geflüchtete und deren Unterkünfte.

Im Zuge von rassistischen Großaufmärschen, wie in Dresden, Erfurt oder Berlin und unzähligen Angriffen auf MigrantInnen versuchen rechtspopulistische und faschistische Parteien - teilweise mit Erfolg - daraus Profit zu schlagen. Konservative und sozialdemokratische Parteien hingegen versuchen ihr WählerInnenpotential am rechten Rand der „Mitte“ nicht zu verlieren, indem sie selbst weiter nach rechts rücken...

… ein Rechtsruck in der Gesellschaft schreitet voran.

 

Während wir als organisierte AntifaschistInnen die großen Zusammenhänge stets im Auge behalten müssen, heißt es für uns vor allem lokal und konsequent zu handeln.

 

In unserer Region äußern sich rechte Tendenzen neben der reaktionären „Demo für Alle“ in Stuttgart durch faschistische Hetze und einem Wiedererstarken der Naziszene im Kreis Esslingen und Göppingen. In Uhingen versuchen Neonazis gezielt und konzentriert gegen geplante Unterkünfte für Geflüchtete zu agieren. Sie treten hierbei in größeren Gruppen von bis zu 30 Personen bei Informationsveranstaltungen auf, verteilen rassistische Flugblätter und versuchen im Stadtbild durch Sprühereien und Sticker präsent zu werden. Ihre Strategie ist einerseits sich im Ort als lokale „besorgte Bürger“ darzustellen und auf der anderen Seite dominant und einschüchternd zu wirken. Eine Drohkulisse wird aufgebaut, mit der sich die Faschisten verankern und lokale Netzwerke für ihre Hetze aufbauen wollen.

 

Eine faschistische Taktik, wie sie in vielen Regionen Deutschlands gefahren wird und im Zusammenspiel mit anderen Faktoren – vor allem dem nicht ausreichenden antifaschistischen Widerstand – oft die Grundlage von faschistischen Brandanschlägen und pogromähnlichen Zuständen bildet.

 

Wer sind die Nazis und (geistigen) Brandstifter?


Die Neonazis sind größtenteils altbekannte Gesichter der „Autonomen Nationalisten Göppingen“, der „Freien Nationalisten Esslingen“ und der Kleinst-Ortsverbände der „NPD“ Ostalb, Göppingen und Esslingen.

Nach dem offensichtlich gescheiterten Versuch nach Bamberger und Dortmunder Vorbild im Raum Göppingen die faschistische Partei „Die Rechte“ aufzubauen, dem Verbot der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ und dem „Ausstieg“ des ehemaligen Landesvorsitzenden der Partei Daniel Reusch zumindest aus der organisierten Szene, sind die Neonazis gemeinsam mit Faschisten aus der Region Villingen-Schwenningen dabei, sich der v.a. in Bayern aktiven faschistischen Partei „Der III. Weg“ anzuschließen. Diese tritt eben auf der einen Seite pseudorevolutionär und völkisch-rassistisch auf, auf der anderen Seite sehr identitär und „bürgernah“.

Zu den zentralen Akteuren gehören die aus der Haft entlassenen, Ex-ANGP-Kader Manuel Raffael Maier und Manuel Ganser. Aus dem selben Spektrum kommen Dennis Konrad, sowie die Sascha Udo Teichmann aus Deizisau und der Neonazi Nico Jaumann aus Notzingen.

Bei den Aktionen kamen zudem weitere Faschisten aus anderen Städten zur Unterstützung dazu.

 

Aufgaben der antifaschistischen Bewegung


Aus der aktuellen Situation ergeben sich konkrete Aufgaben für unser Handeln als Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Es ist klar, das längerfristig nur eine gesellschaftlich breit aufgestellte Bewegung sich dem Rechtsruck entgegenstellen kann. Hier fehlt es an aktiven und klar antifaschistisch positionierten Bündnissen, welche lokal arbeiten und Rechten den Nährboden und das Terrain entziehen. Hier ist es für uns sehr wichtig, eine gute Zusammenarbeit mit verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräften auf die Beine zu stellen und Spaltungsversuchen eine Absage erteilen. Dennoch dürfen wir uns nicht darauf verlassen, dass das „Naziproblem“ von anderen oder von sich selbst gelöst wird.

 

Daher können wir nicht nur auf den Aufbau von Strukturen und Bündnissen setzen, oder gar nur im Alltag sich antifaschistisch positionieren, sondern müssen in bestimmten Situationen und vor allem bei öffentlichen Auftritten der rechten Akteure ganz direkt selbst aktiv handeln.

Wir müssen von Anfang an rassistische Hetze im Keim ersticken.

 

Ganz direkt heißt das für uns, dass wir, wenn nötig, auch auf die so oft kritisierte „Feuerwehrpolitik“ setzen müssen und kurzfristig und spontan gegen aufkommende rechte Dynamiken oder faschistische Aktionen vorgehen müssen. Dabei ist es wichtig neben partizipativen Mitteln auch andere effektive Methoden im Kampf gegen die Faschisten nicht zu vernachlässigen.

 

In der heutigen Zeit ist es eben enorm wichtig auch auf bewährte und effektive Mittel der Antifa-Bewegung zurück zu greifen :

  • Recherche-Arbeit zur Einschätzung der rechten Strukturen und um rechte Akteure, sowie deren Treffpunkte und Ähnlichem an die Öffentlichkeit zu ziehen und den Druck gegen sie zu erhöhen

  • Handfeste Verdrängung der Faschisten aus den Straßen und Kneipen

  • Vielfältige Widerstandsformen gegen rechte Auftritte und Versammlungen

  • Eine gute Zusammenarbeit zwischen AntifaschistInnen aus größeren Städten und eher ländlicheren Regionen

 

(Als ein positives Beispiel möchten wir die teils militante Verhinderung des rassistischen Aufmarsches am Sonntag, den 8. Oktober 2015 in Weil am Rhein, an der Grenze zur Schweiz, benennen. Die GenossInnen vor Ort haben direkt den ersten Versuch eine rassistische Demo zu veranstalten schlagkräftig verhindert.)

 

All diese Mittel und Formen des antifaschistischen Kampfes - gegen einen teilweise bundesweit organisierten Feind - können wir nur effektiv werden lassen, wenn wir uns organisieren.

Das bedeutet für uns schlagkräftige, eigenständige antifaschistische Strukturen über Stadtgrenzen hinweg aufzubauen. Diese müssen mit einer politischen Klarheit den antifaschistischen Kampf auf mehreren Ebenen organisieren und in der Perspektive eine einheitliche, antifaschistische Organisation anstreben.

 

Der antifaschistische Kampf ist heute brandaktuell und notwendig. Wir sind in einer gesellschaftlichen Situation, in der wir uns heute gegen reaktionäre Maßnahmen und rechte Präsenz in der Gesellschaft wehren müssen, damit wir auch in Zukunft mit linken, antikapitalistischen Antworten auf die kapitalistische Krise an die Klasse der Lohnabhängigen treten können.

 

Für einen aktiven und entschlossenen Antifaschismus!

Die antifaschistische Aktion aufbauen!

 

Berichte und Fotos zum Tagesgeschehen der Proteste findet ihr:

Uhingen - Beobachter News

Wernau, Wendlingen, Plochingen - Antifaschistische Aktion Esslingen - Beobachter News

Wendlingen - Beobachter News