Das Mediterranean Anarchist Meeting (Anarchistisches Mittelmeertreffen) fand vom 9. bis 18 Oktober in Griechenland statt. Unter den Teilnehmenden waren hunderte Genoss*innen. Diese zehn Tage beinhalteten Aktionen und Veranstaltungen in Athen, Thessaloniki, Patras, Herakleion und Rethymno – während den Höhepunkt das dreitägige Treffen in Chania (Kreta) bildete.
Das Treffen wurde von der anarchistischen und internationalistischen Solidaritätskampagne, der „Drei-Brücken-Kampagne“, organisiert, die sich aus lokalen Initiativen und Zusammenschlüssen aus sieben verschiedenen griechische Städten zusammesetzt und von der IFA-IAF (International Federations of Anarchists) unterstützt wird. Finanziell ermöglicht wurde dieses Treffen durch die teilnehmenden Gruppen, Föderationen und Kollektive.
Ein dreitägiger Block von offenen Events fand vom 9. bis 11. Oktober in Athen statt. Dieser beinhaltete Diskussionen über Fragen wie die aktuelle Situation auf dem Balkan und dem dortigen Platz einer revolutionären Bewegung, die Frage nach dem Inhalt von Aktionen und heutigen Formen bzw. Möglichkeiten von Anarchistischer Organisierung in den Mittelmeer-Anrainer-Ländern, sowie zur Aktualität (επικαιρότητα) anarchistischer Ideen und Ideale. Desweiteren fand in der Gegend von Thisio eine offene Intervention gegen die Kriegsmaschinerie, Nationalismus und Faschismus während dieser drei Tage statt sowie ein Soli-Konzert für Gefangenenkämpfe in Zusammenarbeit mit dem „Fund of Solidarity with Prisoners and Persecuted Fighters“ (Soli-Fond für Gefangene und verfolgte Kämpfer*innen).
Ein viertägiger Sub-Block des Balkan Anarchist Meeting fand vom 11. bis 14. Oktober in Thessaloniki unter Teilnahme von hunderten Genoss*innen aus den Balkanländern statt. Während dieses Treffens wurde der Raum geschaffen, um Themen wie Antifaschismus, Antimilitarismus, Antinationalismus zu diskutieren sowie die Beschreibung der verschiedenen sozialen Bewegungen und Widerstandsformen in Balkanländern wie Slowenien, Rumänien, Serbien zu ermöglichen. Besonders beleuchtet wurde die Frage des Umgangs mit den derzeitigen Flüchtlingsrouten über den Balkan und Möglichkeiten der länderübergreifenden Flüchtlingssolidarität.
Am 14. Oktober fand in Patras eine Infoveranstaltung über die NO TAV-Kämpfe im Susatal im Norden Italiens statt, sowie eine über die Kämpfe der Bewohner*innen von des nordöstlichen Chalkidiki gegen die Gold- und Kupferminen.
Gleichzeitig gab es am 14.10 in Herakleion eine Infoveranstaltung über die EEZ (Exclusive Economic Zones) und deren Bedeutung für Energie- und Wirtschaftspolitik im Mittelmeerraum.
Am 15.10. fand in Rethymno eine gemeinsame Infoveranstaltung von türkischen Genoss*innen aus dem anarchistischen DAF-Netzwerk aus Zypern und Griechenland (anarchistische Gruppe aus Rethymno) statt.
Zusätzlich war die Drei-Brücken-Kampagne zeitgleich in Soli-Demos in Athen, Thessaloniki und Rethymno wegen der Anschläge und Morde an Kämpfenden in der Türkei präsent.
Zwei besonders bemerkenswerte Infoveranstaltungen fanden in Chania vom 16.-18. Oktober statt.
- Die erste wurden von Genoss*innen aus Syrien und der Türkei zum Thema „demokratischer Konföderalismus“ in den kurdischen Gebieten der Türkei und den kurdischen Autonomiegebieten in Rojava gehalten
- Die zweite beschäftigte sich mit der Bürgerkriegssitation in der Ukraine und der Role der internationalistischen Bewegung in Bezug auf die Entwicklungen dort.
Am 17. fand dann eine stimmungsvolle „Demo für internationale Solidarität“ der Kongressteilnehmenden mit mehr als 300 Leuten aus 17 Ländern in Chania statt.
„Während der 3 Tage in Chania trafen wir uns, um zu diskutieren, um Erfahrungen, Gedanken über Möglichkeiten der Bewegung auszutauschen. Wir kamen zusammen, um Brücken zu bauen zwischen unseren lokalen und regionalen Kämpfen, um diese zu verbinden und um unsere Leute einen Schritt näher zusammen zu bringen. Wir kamen zusammen um unsere Vorschläge für einen libertären Konföderalismus von freien Regionen und Städte zu entwickeln und zusammen zu bringen als Gegenentwurf zum Bestehen der Nationalstaatlichkeit, hegemonialer Mächte und deren Aufteilung von Land und Meer. Wir trafen uns, um Würde, sozialer Befreiung und Anarchie näher zu kommen. So kamen nicht nur Genoss*innen aus den Mittelmeer- und den Balkanländern, sondern auch aus Großbritannien, Deutschland, Island, Schweden und den USA. Lasst dieses Treffen in diesem Sinne den Anfang darstellen, für eine konstante Erweiterung und Zusammenarbeit auf einer festeren, verbindlicheren Grundlage – perspektivisch auch auf der afrikanischen Seite des Mittelmeers.
Während des dreitägigen Höhepunkts des anarchistischen Mittelmeertreffens in Chania (Kreta), an der historischen Kreuzung des östlichen Mittelmeerraumes, haben wir neue Pfade der Zusammenarbeit und Solidarität geschaffen.
Aktivist*innen aus Gruppen, regionalen Föderationen, libertären Syndikaten und anderen autonomen Kollektiven formten einen Diskussionsrahmen, um die internationale anarchistische Solidarität praktisch voranzutreiben.
Dieser Rahmen beinhaltet:
1.) Die direkte Kooperation und Solidartät in Kämpfen und Formen des Widerstandes die sowohl auf der Balkan-Halbinsel als auch um das Mittelmeer-Becken stattfinden.2.) Ein Vorschlag für ein weiteres Treffen Anfang April 2016 mit dem Zweck der Formulierung einer Balkan Anarchist Front, die Föderationen, Vollversammlungen, Initiativen aus der Balkan Anarchist Area unter Nutzung der Drei-Brücken-Kampagne, um die fruchtbaren Organisierungserfahrungen des M.A.M. weiterzuführen.
3.) Eine Einladung an Genoss*innen aus Nordeuropa und Nordamerika zu ähnlichen Treffen, die dort abgehalten werden können.
Desweiteren sind auf die repressiven Bemühungen zu erwähnen, die das M.A.M. störten, bzw. in ihrem reibungslosen Ablauf behinderten. So gab es spezifische Vorfällen während und im Vorfeld des Kongresses:
• Mitglieder der Anarchistischen Drei-Brücken-Kampagne wurden mitten auf einer vielbefahrenen Straße von Athen von der Polizei durchsucht, was sowohl deren körperliche Durchsuchung beinhaltete, als auch ihrer Autos.
• Von Leuten, die an den dreitägigen Athener Veranstaltungen teilnahmen, wurden am letzten Tag des Events die Personalien durch die Polizei aufgenommen.
• Genoss*innen und Mitkämpfende wurden nach der Landung auf Kreta von der Polizei gestoppt, durchsucht und zwischenzeitig auf die Polizeistation in Chania verschleppt.
• Eine Genossin aus der Türkei (eine Anwältin) wurde festgenommen, wegen des Besitzes von zwei leeren Patronenhülsen ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen und anschließend abgeschoben.
Diese Vorfälle zeigen eindrücklich, dass der griechische Staat, auch nach der Koaliton aus SYRIZA-ANEL seine repressive Strategie in Hinblick auf die Bewegung, die versucht Kämpfe der Nachbarschaften zusammenzubringen genauso weiter verfolgt, wie seiner Vorgänger-Regierungen dies getan haben.
The Mediterranean Anarchist Meeting ist ein weiterer Schritt in den alltäglichen Aktionen und der Präsenz von Anarchisten an den Orten, wo sie wohnen, leben und arbeiten – mit dem Ziel der Schaffung einer Welt von Würde und Freiheit zusammen mit all jenen, die Widerstand leisten und anfangen, Formen der Organisierung von Unten zu schaffen.
Zurückgekehrt in unsere Heimatorte, fühlt sich jede*r von uns stärker – und bestärkt darin, dass es das Leben wert ist, dafür zu kämpfen.
Solidariät ist eine Waffe.“
Chania, 18. Oktober 2015