Nach dem Massenmord von Paris werden die USA von einer Welle der Islamfeindlichkeit überrollt. Syrische Flüchtlinge werden mit «tollwütigen Hunden» verglichen.
Nach den Terroranschlägen in Paris wird die Kontroverse über die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in den USA von einer zusehends radikaleren Sprache sowie Forderungen nach einer amerikanischen Abschottung gegenüber Muslimen geprägt. In der vergangenen Woche wurden syrische Flüchtlinge von amerikanischen Politikern unter anderem mit «Klapperschlangen» und «tollwütigen Hunden» verglichen. Derzeit halten sich rund 2000 Flüchtlinge aus Syrien im Land auf, doch plant Präsident Obama 2016 die Einreise von weiteren 10'000 Flüchtlingen.
Schon jetzt formiert sich in beiden Kongressparteien, besonders aber unter Republikanern, Widerstand gegen die Flüchtlinge: Sie könnten nicht wirklich überprüft werden und seien somit ein terroristisches Sicherheitsrisiko. Hatten die USA seit ihrer Gründung politisch und religiös Verfolgten sowie Flüchtlingen aus Kriegsgebieten oftmals eine neue Heimat gewährt, so soll der Zustrom von Flüchtlingen aus muslimischen Ländern nach dem Willen vieler Kongressmitglieder jetzt strikt reguliert und gebremst werden.
Schändliches Kapitel der US-Geschichte
Am Mittwoch votierte eine breite Mehrheit im Washingtoner Repräsentantenhaus mit 289 gegen 137 Stimmen für neue Restriktionen bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Neben allen republikanischen Abgeordneten stellten sich auch 47 von 207 Demokraten hinter den Entwurf, der allerdings in seiner gegenwärtigen Form kaum den Senat passieren dürfte. Vor der Abstimmung waren demokratische Abgeordnete intern gewarnt worden, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die vorgesehenen Restriktionen wolle und eine Ablehnung der Vorlage deshalb politisch gefährlich sei.
Für landesweites Aufsehen sorgte auch der demokratische Bürgermeister der Stadt Roanoke in Staat Virginia. David Bowers wehrte sich gegen die Aufnahme syrischer Flüchtlinge unter Verweis auf die Internierung von 120'000 Menschen japanischer Abstammung während des Zweiten Weltkriegs, entschuldigte sich jedoch einen Tag später für seine Bemerkung. Präsident Franklin Roosevelt hatte nach dem japanischen Angriff auf Pearl Habor die Internierung verfügt. Sie gilt heute als ein schändliches Kapitel der US-Geschichte.
«Natürlich beissen einige nicht»
Die schärfsten Reaktionen kamen jedoch aus dem republikanischen Lager. So warnte der republikanische Präsidentschaftskandidat Ben Carson bezüglich der Aufnahme syrischer Flüchtlinge vor «tollwütigen Hunden», die niemand in seinem Viertel dulde. Carson fügte einschränkend hinzu, dies bedeute nicht, dass man «alle Hunde hasst». Der Afroamerikaner und frühere Neurochirurg, der laut Erhebungen noch immer den zweiten Platz im republikanischen Kandidatenfeld belegt, verlangte zudem die Einrichtung von Datenbanken mit Informationen über alle Einwanderer und Besucher.
Der texanische Landwirtschaftskommissar Sid Miller, ebenfalls ein Republikaner, verglich Flüchtlinge aus Syrien mit Klapperschlangen: «Natürlich beissen einige nicht, aber die sollten wir kennen, bevor wir sie ins Haus lassen», sagte Miller. Im Staat Tennessee verlangte Glen Casada, der republikanische Fraktionsvorsitzende im Staatsparlament in Nashville, den Einsatz der Nationalgarde gegen bereits im Staat befindliche Flüchtlinge aus Syrien. Elaine Morgan, eine republikanische Abgeordnete im Staatsparlament von Rhode Island, bezeichnete den Islam in einem Mail an Kollegen als eine «Religion und Philosophie», die alle Nicht-Muslime «ermordet, vergewaltigt und enthauptet».
Judenregistrierung in Nazi-Deutschland
Der in Umfragen führende republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump will die staatliche Registrierung von Muslimen in den USA nicht ausschliessen. «Wir werden gewisse Dinge tun müssen, die vor einem Jahr noch undenkbar waren», sagte Trump. Auf die Frage eines Journalisten, inwieweit dies noch unterscheidbar sei von der Judenregistrierung in Nazi-Deutschland, antwortete Trump: «Sagen Sie mir das doch, warum sagen Sie mir das nicht?».
Auch der republikanische Senator und Präsidentschaftskandidat Marco Rubio schloss sich dem Ruf nach einer schärferen Überwachung von Muslimen in den USA an und geiselte den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden als «Verräter», weil er die NSA und damit die amerikanische Aufklärung geschwächt habe. Rubio verlangte die Schliessung «aller Plätze, egal ob ein Cafe oder Restaurant oder eine Webseite, die Radikale inspirieren».
«Nicht das Gesicht des Islam»
Noch einen Schritt weiter ging der republikanische Präsidentschaftskandidat John Kasich. Der Gouverneur von Ohio will eine neue US-Behörde zur Verbreitung «jüdisch-christlicher westlicher Werte» im Nahen Osten einrichten. Präsidentschaftskandidat Jeb Bush warnte hingegen davor, den Islam insgesamt zum Feindbild zu machen und kritisierte Trumps Forderungen als «falsch», Bush warf dem New Yorker Milliardär vor, er manipuliere «die Ängste der Menschen». Dies aber bedeute «Schwäche, nicht Stärke».
George W. Bush hatte nach 9/11 wiederholt davor gewarnt, den Islam zum Feind zu machen. «Das Gesicht des Terrors ist nicht das Gesicht des Islam», erklärte der republikanische Präsident sechs Tage nach den Anschlägen in New York und Washington in einer Rede am Islamischen Zentrum in Washington.