Deutschland korrigiert Flüchtlingspolitik

Erstveröffentlicht: 
11.11.2015
De Maizières nächste Überraschung: Auch für Syrer gilt wieder das Dublin-Verfahren Von Dieter Wonka und Anne-Béatrice Clasmann

 

Berlin. Deutschland will syrische Asylbewerber wieder nach dem Dublin-Verfahren in andere EU-Länder zurückschicken, über die sie in die Europäische Union eingereist sind. Wie ein Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizère am Dienstag bestätigte, wendet Deutschland das Dublin-Verfahren aktuell für alle Herkunftsländer und alle Mitgliedsstaaten außer Griechenland an. „Das gilt auch für syrische Staatsangehörige, seit dem 21. Oktober“, fügte er hinzu.

 

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüfe nun wieder alle Aspekte für die Übernahme eines Flüchtlings ins nationale Verfahren. Deutschland hatte im August beschlossen, das sogenannte Dublin-Verfahren für Syrer vorübergehend auszusetzen. Normalerweise wird bei jedem Asylbewerber zwingend geprüft, ob er zuerst in einem anderen Land europäischen Boden betreten hat und registriert wurde. Ist dem so, muss der Betroffene eigentlich dorthin zurück. Darauf wurde bei Syrern seit August offiziell verzichtet.

 

Die Rückführung von Asylbewerbern in andere europäische Staaten dürfte für Deutschland allerdings kurzfristig schwierig werden. Denn nur wenige der Flüchtlinge, die zuletzt ins Land gekommen waren, sind zuvor in einem anderen EU-Staat registriert worden.

 

In der Union wächst derweil die Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik der Regierung. Gerüchte über einen denkbaren Machtwechsel in der Union, angeführt von Finanzminister Wolfgang Schäuble, werden von der Führung allerdings entschieden zurückgewiesen. Was bleibt, ist eine tiefe „Orientierungslosigkeit“, wie sie auch der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, der CDU-Abgeordnete Gunther Krichbaum, in der Europa- und Flüchtlingsdebatte beklagt. Viele auch in der Fraktion hätten „so viel Orientierungslosigkeit noch nicht erlebt“.

 

Krichbaum wies auf die Grenzen der Belastbarkeit in der Flüchtlingsaufnahme hin und sprach sich entschieden für eine Begrenzung des Familiennachzugs aus. Flüchtlinge mit ihren Familien „sprengen unsere Möglichkeiten“.

 

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte, dass im Unionsteil der Regierung „wieder Ruhe im Karton“ herrschen müsse. Man habe deshalb vereinbart, dass der Bundesinnenminister „jede Woche“ vor den Fraktionsspitzen über den praktischen Fortgang der Flüchtlingspolitik berichten solle. Von einer „Aufforderung zum Rapport“ wollte die CSU-Frau Gerda Hasselfeld allerdings nicht wissen.

 

Der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Jürgen Weise, soll nach Darstellung aus SPD-Kreisen von der Anwendung des Dublin-Verfahrens für syrische Asylbewerber nichts gewusst haben. Wie mehrere Teilnehmer der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur berichteten, habe Weise, der zu Gast in der Fraktion war, dort beteuert, das sei auch für ihn eine Überraschung.


 

 

Deutsche Ausbildungshilfe für Afrika

Mit rund 15 Millionen Flüchtlingen ist Afrika, neben Asien, der große Flüchtlingskontinent. Der heute beginnende EU-Afrika-Gipfel auf Malta will deshalb Maßnahmen beschließen, um die Lebensbedingungen in den afrikanischen Staaten zu verbessern.

 

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kündigte ein Ausbildungsprogramm im Umfang von 38 Millionen Euro an, um Bleibeperspektiven zu fördern. „Wir machen die berufliche Ausbildung zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit in Afrika“, sagte er gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, dem auch diese Zeitung angehört. „Die Zahl der Afrikaner wird sich bis 2050 verdoppeln, schon heute ist die Hälfte der Bevölkerung vielerorts unter 18 Jahren.“

 

Jeder zweite Jugendliche sei in vielen Regionen ohne Ausbildung und Arbeit. „Investitionen in die Jugend Afrikas sind deshalb Investitionen in die Zukunft, auch in unsere Zukunft, wenn wir auf die Flüchtlingskrise sehen.“DW