Am gestrigen Montag, den 16.11.2015, haben hunderte Leute gegen den Aufmarsch von Pegida München demonstriert. Nachdem letzte Woche über 3000 Leute am 77. Jahrestag der Novemberpogrome den Marsch durch eine Blockade ganz einfach verhinderten, ließen sich viele Leute die Gelegenheit nicht entgehen und blockierten gestern ein weiteres Mal. Obwohl durch die schrecklichen Anschläge von Paris Pegida quasi die größtmögliche Steilvorlage für ihren antimuslimischen Rassismus und ihre reaktionären Gelüste gegeben war, lief der gestrige Abend etwas anders, als es sich Nazis, Rechtspopulist_innen und ihre „Freunde und Helfer“ wohl vorgestellt hatten.
Pegida begann ihren Aufmarsch, wie schon des öfteren, vor dem bayerischen Innenministerium, in direkter Sichtweite zur Feldherrnhalle, dem Ort des Hitlerputschs von 1923 und einem der Symbolorte des Nationalsozialismus in München. Wie mittlerweile gewohnt zogen die Rechten gegen 19:30 los in Richtung Ludwigstraße stadtauswärts, um dann über die Staatskanzlei, am Hofgarten vorbei über die Alfons-Goppel-Straße über die Oper zurück zum Odeonsplatz/Innenministerium zu laufen. Doch so weit kam es erstmal nicht. Etlichen der mehreren hundert Gegendemonstrant_innen war es zu blöd, geduldet von der Polizei den Nazis in weitem Abstand hinterher zu trotten. Stattdessen liefen Viele die kreisförmige Strecke in entgegengesetzter Richtung, also in Richtung Residenzstraße und weiter in die Innenstadt. Eine beherzte Gruppe schaffte es gegen kurz nach 20 Uhr die anfangs stark unterbesetzten Polizeiabsperrungen zu ignorieren und setzte sich an der Ecke Alfons-Goppel-Straße/Maximiliansstraße auf die Straße. Diese Blockade wurde zwar relativ schnell von der Polizei abgesperrt, so dass zusätzliche Unterstützung von weiteren ca. 100 Antifaschist_innen nur verbal erfolgen konnte. Dennoch konnte diese kleine Blockade den Aufmarsch mindestens eine Dreiviertelstunde aufhalten. Mittlerweile hatte sich die Situation dort zugespitzt: Pegida stand mit ihrem kompletten Marsch ca. 30 Meter vor der Blockade, einzelne Nazis bemühten sich filmender Weise in die Reihen der Gegendemonstrant_innen zu gelangen. Nach fünf Räumungsandrohungen der Polizei versprengten sich die Blockierenden, angesichts der geringen weiteren Erfolgsaussichten.
Währenddessen hatten sich aber bereits mehr als hundert Leute auf dem Odeonsplatz zu einer weiteren Blockade zusammengetan. Dort war die Stimmung gut, die Beteiligten stammten aus den unterschiedlichsten politischen Spektren und hielten den Polizeikräften ihre Entschlossenheit in Form von politischen Liedern und antirassistischen Slogans entgegen. Die sichtlich überforderte Polizei musste den nun bereits um knapp eine Stunde aufgehaltenen Pegida-Zug über die Fußgängerzone umleiten. Als dies ersichtlich wurde, reagierten die Gegendemonstrant_innen für Münchner Verhältnisse außerordentlich schnell: Die Blockade wurde kurzer Hand auf die Westseite des Odeonsplatz ausgedehnt. Die Polizei, allen voran das notorische USK, reagierte in gewohnt bayerischer Weise mit unmittelbarer Gewalt. Unter Faustschlägen und Schlagstockhieben wurde alles attackiert, was irgendwie nach Gegendemonstrant_innen aussah. Das traf bei weitem nicht nur die üblichen Verdächtigen, sondern auch „ganz normale Bürger_innen“. Aber auch damit war noch nicht alles gelaufen. Anstatt den Anweisungen der Polizei Gehorsam zu leisten, bildete sich im Handumdrehen eine weitere Blockade ca. 50 Meter nördlich, nun auf der Ludwigstraße. Pegida musste also die letzten 200 Meter hinter parkenden Autos auf dem Gehsteig zurück zu ihrem Endpunkt latschen.
Gerade vor dem Hintergrund der Flaute des Gegenprotest im Sommer und Frühherbst ist es umso erfreulicher, dass sich nun seit einigen Wochen kontinuierlich wieder viele Leute gegen Pegida auf die Straße stellen. Das „Problem“ Pegida hat sich nach den mehr als 30 Märschen in München alles andere als erübrigt. Gestärkt durch die momentane Hochkonjunktur rassistischer Hetze und Gewalt hat Pegida mittlerweile wieder konstant über 200 Teilnehmer_innen. Es ist davon auszugehen, dass die Zahlen in naher Zukunft nicht geringer werden. Pegida hat sich nicht nur in München inhaltlich und aktionistisch radikalisiert. Die Märsche lassen sich längst nicht mehr als Veranstaltungen eines aufgebrachten Bürgertums mit diffusen Sorgen kleinreden. Der generelle Ausdruck, die Parolen, Redebeiträge, Schilder und getragenen Symbole, lassen die schwammige Bezeichnung „rechtspopulistisch“ als ziemliche Verharmlosung erscheinen. Auch die Gewalttätigkeit geht nicht mehr nur von den seit Anfang an geduldeten organisierten Nazis aus, sondern scheint sich zu einer konstitutiven Größe des gesamten Marsches entwickelt zu haben.
Umso notwendiger sind antifaschistische Gegenaktionen gegen dieses Spektakel. Es ist wohl auch den erfolgreichen Blockaden am 9. November zu verdanken, dass sich auch jenseits autonomer Antifaschist_innen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Blockaden nicht nur legitim, sondern auch in München machbar sind. Der Wille, sich den Nazis tatsächlich zu widersetzen war gestern von einem breiten Spektrum getragen - und wohl auch deshalb erfolgreich.
Es sollte seit fast einem Jahr Pegida in München klar sein, dass allen voran die Polizei alles daran setzen wird, jede Woche einen Naziaufmarsch in München durchzudrücken. Es liegt an uns, etwas dagegen zu unternehmen.