Beifall aus der Union für de Maizière

Erstveröffentlicht: 
10.11.2015

Im Streit um die Flüchtlingspolitik regt sich auch Kritik an Kanzleramtsminister Altmaier


Von Dieter Wonka

 

Berlin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erfährt viel Zuspruch in der Unionsfraktion für seinen härteren Kurs in der Asylpolitik. Er solle im Amt bleiben und auch in nächster Zeit als „Mann für Recht und Gesetz“ die staatliche Ordnung in Deutschland garantieren, hieß es. Im Vergleich zur Stellung von Flüchtlingskoordinator und Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) genieße de Maizière sogar „große Sympathie“ und „hohen Respekt“, versichern zahlreiche Fraktionsmitglieder mit Unionsparteibuch.

 

„Breite Übereinstimmung“ habe es im CDU-Präsidium zu der von de Maizière thematisierten eingeschränkten Aufenthaltserlaubnis für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge und deren Anspruch auf Familiennachzug gegeben, hob CDU-Generalsekretär Peter Tauber hervor.

 

Nach einem Protestanruf des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel beim Kanzleramtsminister hatte der Innenminister vergangenen Freitag seine öffentliche Erklärung zurückgezogen, dass syrische Flüchtlinge ab sofort nur noch per Einzelfallprüfung Aufenthaltstitel erhalten sollten und dass ein möglicher Familiennachzug nicht infrage komme. Diese Problematik soll nun aufgrund „großen Gesprächsbedarfs“ mit den zuständigen Innenministern von Bund und Ländern behandelt werden.

 

Zu einem Politikum im Kräftemessen zwischen Altmaier und de Maizière um den richtigen Asylkurs wird der aktuelle Syrien-Streit nun mit einem Antrag des Ex-Innenstaatssekretärs und Bundestagsabgeordneten Christoph Bergner. Der präsentierte gestern in der Fraktion einen Solidaritätsantrag für den Bundesinnenminister. „Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt die Entscheidung, syrischen Flüchtlingen subsidiären Schutz zu gewähren, und bedauert die vorläufige Rücknahme aus Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD.“ Der Antrag ist auch ein indirektes Misstrauensvotum gegen Flüchtlingskoordinator Altmaier. Bergner verweist in der Begründung seines Antrages darauf, dass de Maizière seine entsprechenden Syrien-Pläne bereits am vergangenen Dienstag in der Fraktion eindeutig und klar vorgestellt habe. „Alle Fraktionsmitglieder, auch alle anwesenden Regierungsmitglieder, haben diese Aussage hören können.“

 

Altmaier hatte am Wochenende erklärt, von de Maizières Plänen bis vergangenen Freitag nicht informiert gewesen zu sein.

Unionsabgeordnete schätzen den Rückhalt für de Maizière in der Sache auf mindestens zwei Drittel der Parlamentarier. Demonstrativ hatte sich auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hinter den Asyl-Vorschlag seines Innenminister-Kollegen gestellt, der pauschal zunächst allen Syrern nur noch Einjahres-Schutzaufenthalte in Deutschland genehmigen lassen wollte. Das von de Maizière gewünschte Einzelfallverfahren für jeden Syrien-Flüchtling würde zu einem enormen Arbeitsbelastung bei den Prüfbehörden führen, bei denen sich bereits jetzt mehr als 300 000 unerledigte Flüchtlingsanträge stapeln.

 


 

Die Asylgesetze – ein Glossar

Politisches Asyl: Nach Artikel 16a des Grundgesetzes genießen politisch Verfolgte Asyl. Dieses Grundrecht hat Verfassungsrang. Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn sie dem Einzelnen wegen seiner politischen Überzeugung, seiner Religiosität oder wegen für ihn unverfügbarer Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt. Das Asylrecht dient dem Schutz der Menschenwürde in einem umfassenden Sinn. Allgemeine, also nicht an die Person gebundene Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege, Naturkatastrophen oder Perspektivlosigkeit sind hingegen grundsätzlich keine Gründe für politisches Asyl.

 

Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention: Nach der Genfer Flüchtlingskonvention wird ein Ausländer als Flüchtling anerkannt, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Dieser Flüchtling „darf nicht als „Ausländer zweiter Klasse“ behandelt werden.

 

Subsidiärer Schutz: Auf subsidiären Schutz kann ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser Anspruch haben, dem weder durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch durch das Asylrecht Schutz gewährt werden kann. Er wird als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt, wenn er Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (etwa die Todesstrafe) droht.

 

Familiennachzug: Anspruch auf Familiennachzug hat, wer im Schutzland selbst über einen registrierten Aufenthaltstitel verfügt, wer über ausreichenden Wohnraum zur Unterbringung der Familienmitglieder verfügt und wer sich in gesicherten Lebensverhältnissen befindet.

 


 

„Frau Merkel hatte Herz, aber keinen Plan“

Wien. In der Flüchtlingskrise hat sich Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für Einwanderungskontingente ausgesprochen. „Wir brauchen eine Lösung, die den Strom der Flüchtlinge kontrolliert und, ja, auch begrenzt“, sagte Schröder am Montag in einem Vortrag beim österreichischen Energiekonzern OMV. „Eine Politik der Abschottung wird genauso wenig funktionieren wie eine Politik der einfach nur offenen Tür.“ So wie bisher könne es jedenfalls nicht weitergehen. Die Aufnahmekapazitäten seien begrenzt, die Helfer am Ende ihrer Kräfte. Solche Kontingent-Flüchtlinge, die nicht das Asylverfahren durchlaufen müssten, könnten sofort eine Arbeit aufnehmen, meinte Schröder. Eine Voraussetzung sei jedoch die faire Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Im Mittelpunkt der europäischen Flüchtlingspolitik sollte der humanitäre Anspruch stehen, „kein Mensch darf auf der Flucht durch Europa sterben“, so der SPD-Politiker. Die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel lobte und tadelte Schröder. „Frau Merkel hatte Herz, aber eben keinen Plan“, sagte er.