Rund 650 Menschen haben am Dienstagabend in der Thomaskirche an einer Bürgerversammlung zur Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Interpelz-Hochhaus am Brühl teilgenommen.
Leipzig. Flüchtlinge mitten in der Leipziger Innenstadt: Kann das gut gehen? Rund 650 Bürger wollten auf diese und weitere Fragen am Dienstagabend eine Antwort finden. Eingeladen in die gut gefüllte Thomaskirche hatten Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) und Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst.
Die Behördenchefin präsentierte zunächst die Fakten: Vom 9. November an werden nach und nach bis zu 510 Flüchtlinge in das ehemalige Interpelz-Hochhaus am Brühl einziehen. Untergebracht werden die Menschen in Zwei-, Vier- und Sechs-Bett-Zimmern. Die Essenversorgung erfolge zentral im Haus, Betreiber sei der Leipziger Stadtverband des Deutschen Roten Kreuzes. Zudem wolle die Kommune eine Kinderbetreuung und Begegnungszimmer einrichten.
Und eines sei auch klar, betonte Kador-Probst, bis zum 15. April 2016 müssen alle Bewohner wieder ausziehen. Der Eigentümer, die private Stadtbau AG, habe das Haus nur als Interim zur Verfügung gestellt. Das Unternehmen arbeite bereits intensiv an eigenen Plänen und wolle den DDR-Bau zu einem Hotel umgestalten. Deshalb, so die Amtsleiterin, erfolgten jetzt auch keine aufwendigen baulichen Veränderungen.
Die Besucher verfolgten die Ausführungen interessiert und hatten zunächst Fragen wie: Kann ich eine Patenschaft übernehmen oder wie kann ich helfen? Nach einer Dreiviertelstunde kam dann das von Anfang an erwartete Thema Sicherheit doch noch zur Sprache. Kador-Probst hatte zuvor von sechs Wachleuten berichtet, die stets im Haus arbeiteten. Einem Besucher des Forums erschien das zu wenig, zumal Kador-Probst nur noch ein weiteres Details nennen wollte. Rund um das Haus sollen keine Zäune aufgestellt werden, um alte Zugänge nicht zu kappen und nicht noch eine besondere Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Polizeipräsident Merbitz: Legida schürt Hass - künftig mehr Beamte in der City
„Ich glaube nicht, dass diese sechs Wachleute das Problem der Sicherheit in den Griff bekommen“, meinte der Leipziger und wendete sich mit seinem Bedenken direkt an Bernd Merbitz. Leipzigs Polizeipräsident hatte zusammen mit seinem Stellvertreter und Führungskräften aus dem Revier Mitte die Diskussion verfolgt und schien auf so ein Stichwort nur gewartet zu haben.
Merbitz griff sich das Mikrofon und nutzte die Gelegenheit noch einmal, um deutliche Worte zum Thema Legida zu finden. „Natürlich haben wir auch ein Problem. Wenige hundert Meter weiter trifft sich regelmäßig Legida. Ich möchte keine skandalösen Veranstaltungen, ich glaube es reicht jeden Montag. Wenn man jetzt die Frage stellt, was der Stadt gut tut: Auf keinen Fall Legida“, betonte er. Dem Bündnis gehe es nicht darum, das christliche Abendland zu bewahren, sondern darum Hass zu schüren.
Eine Reaktion von Legida kam einige Stunden später via Facebook. „Her Merbitz, zum Glück ist das nur Ihre Meinung und nicht die ihrer Kollegen“, heißt es in einem Post. Viele Zuschriften, die Legida von Polizisten erhalten haben will, sprächen eine andere Sprache.
Merbitz kündigte während der Bürgerversammlung an, dass künftig mehr Polizisten in der Innenstadt zu sehen sein werden und das trotz Personalknappheit. In Abwandlung des berühmten Merkel-Zitats zur Flüchtlingskrise erklärte Merbitz: „Ich sage nicht, wir schaffen alles.“
Für den Fall, dass es dennoch vor dem Zehngeschosser Probleme geben sollte, kündigte der Polizeipräsident an: „Dann stufe ich es als gefährdetes Objekt ein und wir marschieren massiv auf, das wollen Sie nicht.“ Und einmal in Fahrt, legte er auch zu einem weiteren Thema nach: zum bevorstehenden Weihnachtsmarkt. Im Vorfeld waren seit Wochen vor allem in den sozialen Netzwerken im Internet Bedenken wegen des Flüchtlingsheims in der Nachbarschaft laut geworden. „Lassen Sie solche Reden, jetzt gehe der muslimische Weihnachtsmarkt los. Das schürt nur Hass“, sagte Merbitz an die Adresse der Wortführer.
In Richtung Flüchtlinge betonte der Polizeipräsident: „Wir haben mit einigen Probleme, die reglementieren wir, da gibt es keine Ausnahme.“ Vor dem Gesetz seien alle gleich.
Ohne Widerspruch blieb die Ausführungen des Polizeipräsidenten nicht. Ein Mann aus Eutritzsch pochte auf sein Versammlungsrecht. Er sei schon 1989 auf die Straße gegangen und mache das heute wieder, deshalb sei er aber kein Nazi. Die Reaktion aus dem Podium kam prompt. „Sie laufen aber mit Nazis mit“, rief ihm ein anderer Besucher entgegen. Bürgermeister Fabian entgegnete später auf den Vorwurf, die Stadt kümmere sich stärker um Flüchtlinge als um deutsche Bürger in Not: „Sie könne sicher sein, dass wir uns um alle Menschen, die sich in schwierigen Situationen befinden, bemühen.“
Matthias Roth