Nach Pegida-Demo: Maas fordert Justiz und Bürger zum Handeln auf

Erstveröffentlicht: 
20.10.2015

Nach der Pegida-Demonstration in Dresden hat sich Bundesjustizminister Heiko Mass (SPD) zu Wort gemeldet. Er fordert die Bürger auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi setzt dagegen mehr auf den Verfassungsschutz.

 

Dresden.  Nach den Protesten Tausender Anhänger der islam- und fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in Dresden sieht Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auch die Bürger in der Verantwortung, gegen rechtsradikale Hetze vorzugehen. „Die Justiz ist gefordert, aber jeder Einzelne auch“, sagte Maas am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. „Zu schweigen und rassistische, menschenverachtende Kommentare einfach hinzunehmen, geht in unserer heutigen Atmosphäre nicht mehr.“

 

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi forderte dagegen vor allem den Verfassungsschutz auf, rechtsradikale Hetzer „unter die Lupe“ zu nehmen. Insbesondere die sächsischen Sicherheitsbehörden seien hier gefragt, sagte sie am Dienstag im Deutschlandfunk.

 

Liveticker vom Pegida-Abend in Dresden

 

Bis zu 15.000 Menschen haben am Montagabend gegen das einjährige Jubiläum von Pegida demonstriert. Während es trotz rechter Provokationen rund um die vier Demos von „Herz statt Hetze“ komplett friedlich blieb, lieferten sich Hooligans und Neonazis auf der einen Seite und Linksautonome auf der anderen Seite an mehreren Stellen wüste Auseinandersetzungen. Am späten Abend eskalierte die Lage.

 

An den vier Demos des Sternlaufes beteiligten sich zunächst deutlich mehr Menschen als geplant. Allein von der TU aus zogen rund 4000 Menschen zum Altmarkt. Ähnlich viele kamen vom Straßburger Platz zum Neumarkt gelaufen. An der Demo vom Bahnhof Neustadt zum Schlossplatz beteiligten sich laut „durchgezählt“ sogar rund 5000 Menschen. Vom Bahnhof Mitte zum Postplatz zogen bis zu 2000 Menschen. Später kamen weitere Menschen direkt in die Innenstadt. „Durchgezählt“ sprach am Abend von 15000 bis 19.000 Menschen. Dabei blieben die Teilnehmer friedlich und entspannt. Obwohl die Polizei die Anreisenden der Pegida-Demo teils direkt durch die Menge schleuste, kam es zu keinerlei Ärger.

 

Bei Pegida selbst kamen laut „durchgezählt“ zwischen 15.000 und 20.000 Menschen auf dem Theaterplatz zusammen. Die Semperoper empfing das Pegida-Bündnis mit einer elektronischen Leinwand. Im Wechsel hieß es dort: „Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass“ und „Wir sind keine Kulisse für Intoleranz“.

Neben mehreren Rednern zeigte Pegida unter anderem einige Filme, in denen Pegida als heroische Bewegung gefeiert wurde. Zum ersten Mal war auch die von einem Dresdner komponierte „Hymne“ ihrer Bewegung zu hören. Zudem sprach der umstrittenen Schriftsteller Akif Pirinçci, der unter anderem für rechte Publikationen schreibt.

 

Bachmann feiert Pegida und will de Maizière anzeigen


Pegida-Gründer Lutz Bachmann feierte die asyl- und islamfeindliche Organisation als „noch nie dagewesene, breit aufgestellte Bürgerbewegung“. Gleich danach kündigte er eine Strafanzeige gegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) an, der die Pegida-Spitze „harte Rechtsextremisten“ genannt hatte. Diese Behauptung entbehre jeglicher Grundlage, sagte Bachmann, unterschlug dabei aber die Anklage wegen Volksverhetzung gegen ihn selbst. Bachmann ging sogar noch weiter. Zum Thema Volksverhetzung sagte der Pegida-Frontmann, er sei sich „keiner Schuld bewusst“.

 

Während sich Bachmann und auch Festerling an diesem Abend mit hetzerischen Äußerungen zurückhielten, sorgte Autor Pirinçci für einen Eklat. Der Rechtspopulist beschimpfte die Grünen als „Kinderfickerpartei“, die Politiker seien „Gauleiter gegen das eigene Volk“, die eine „Umvolkung“ in Deutschland betrieben. Die Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik kommen, bezeichnete er als „Invasoren“. Es schwadroniert von Muslimen, die „Ungläubige mit ihrem Moslemsaft vollpumpen“ und einer drohenden „Moslemmüllhalde“ in Deutschland, zitiert ihn Spiegel Online. Als die Menge „Widerstand“ skandierte, sagte Pirinçci, es gebe auch „andere Alternativen“. „Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“

 

Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei


Die Polizei, mit 1900 Einsatzkräften vor Ort, hielt die Gegendemos auf Abstand, auch als immer mehr Sternlauf-Teilnehmer von Altmarkt und Neumarkt in Richtung Pegida und auf die Sophienstraße zogen. Von dort und vom Schlossplatz, den die Polizei aber weiträumig gesperrt hielt, protestierten die Menschen lautstark gegen den Pegida-Aufmarsch. Weitgehend blieb es dabei friedlich. Blockadeversuche wie auf der Schlossstraße wurden friedlich beendet. Lediglich am Terrassenufer wurde es kurz brenzlig. Hier attackierten Polizisten einzelne Gegendemonstranten mit Faustschlägen ins Gesicht, als diese gegen abmarschierende Pegida-Teilnehmer protestierten.

 

Doch die eingesetzten Polizeikräfte reichten bei weitem nicht: Bereits vor Beginn der Veranstaltung lieferten sich linke Gegendemonstranten in der Nähe des Landtags heftige Scharmützel mit anreisenden Pegida-Teilnehmern. Dabei wurde ein Mann schwer verletzt. Meldungen, wonach er mit einer Eisenstange angegriffen wurde, dementierte die Polizei aber schnell.

 

Später kam es zu weiteren Aufeinandertreffen, unter anderem am Postplatz und hinter dem Zwinger. Zudem versuchten linke Gegendemonstranten in Richtung Pegida vorzudringen. Die Polizei verhinderte das durch den Einsatz von Pfefferspray.

 

Mit zunehmender Dunkelheit griffen dann immer öfter Neonazis und Hooligans Polizisten und Gegendemonstranten gezielt an. So lieferten sich Rechtextreme an der Ostraallee weitere Gefechte mit Gegendemonstranten und Beamten und warfen mit Böllern nach Polizisten. Am Bahnhof Mitte wurde laut Sächsischer Zeitung mindestens ein Marokkaner verletzt. Am Postplatz musste ein Konzert vorzeitig abgebrochen werden, da die Polizei die Teilnehmer nicht mehr vor aggressiven Hooligans schützen konnte. Später zog ein Gruppe Rechtsextremer ungehindert durch die Altstadt, lieferte sich vor der Almarktgalerie dabei Auseinandersetzungen mit der Polizei.

 

Erst gegen 23 Uhr beruhigte sich die Lage, nachdem es im Stadtgebiet an verschiedenen Orten noch zu Reibereien gekommen war. Die Dresdner Polizei ermittelt derzeit unter anderem wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung sowie Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Drei Personen wurden in Gewahrsam genommen. Sie müssen sich wegen Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz verantworten.

 

Am Abend brannten zudem sechs Autos. Wie die Sächsische Zeitung berichtet, hatten fünf der sechs Autos ein Pirnaer Kennzeichen. Demnach sei nicht ausgeschlossen, dass es sich um gezielte Brandstiftung gegen die Fahrzeuge von Pegida-Anhänger handelt.