"Freiwillige Ausreise erfolgreicher und kostengünstiger"

Erstveröffentlicht: 
15.10.2015

Thüringens Migrationsminister Lauinger über verschärfte Abschieberegeln und die Grünen-Zustimmung zum Asylpaket

 

VON ANDREAS DEBSKI


Erfurt. Freiwillige Ausreisen sind billiger und erfolgreicher als Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern, sagt Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger (52, Grüne). Zwang solle es nur geben, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind - dann aber konsequent.


Thüringen wird sich beim Asylpaket morgen im Bundesrat enthalten - konnten sich die Grünen nicht durchsetzen?

 
Wir haben das sogenannte Asylpaket ausführlich im Kabinett besprochen und uns gemeinsam für eine Enthaltung entschieden. Wir Grüne hätten auch eine Zustimmung mitgetragen, respektieren aber die abweichende Auffassung unseres Koalitionspartners von der Linken.


Wie schwer fällt Ihnen und den Grünen dieser Kompromiss?

 
Die Grünen sind eine Partei, die seit vielen Jahren in der Flüchtlingspolitik leidenschaftlich diskutiert. So haben auch wir Thüringer Grünen das sogenannte Asylpaket diskutiert und natürlich gibt es dabei unterschiedliche Meinungen. Wir Grünen hätten dieses Paket so allein nicht beschlossen. Es beinhaltet einige positive Vereinbarungen. So beteiligt sich der Bund, wenn auch zu wenig, endlich strukturell an den Kosten zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen; positive Entscheidungen sind auch die Einführung der Gesundheitskarte, schnellere Sprachkurse oder Arbeitsvisa für Menschen aus Staaten des Balkan. Doch es gibt auch zahlreiche negative Aspekte, wie die Ausweitung sogenannter sicherer Herkunftsländer, Leistungskürzungen und letztlich Asylrechtsverschärfungen. Wie jedem Grünen, den ich kenne und der in der Abwägung für diesen Kompromiss ist, fällt mir die Zustimmung deshalb nicht leicht.


Ihr Innenminister-Kollege, Herr Poppenhäger, hat eine verschärfte Abschieberegelung angekündigt, Sie haben stets auf freiwillige Rückkehr gesetzt - welchen Weg geht Thüringen denn nun künftig?

 
Wenn eine Ablehnung des Asylantrags am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens steht und keine Duldungsgründe vorliegen sowie das Angebot zur freiwilligen Ausreise nicht angenommen wird, muss eine konsequente Rückführung umgesetzt werden. Hierin sind sich Herr Poppenhäger und ich voll und ganz einig. Die Zahlen zeigen ganz unmissverständlich, dass Rückführungen über den Weg der freiwilligen Ausreise aber deutlich erfolgreicher und in der Regel auch kostengünstiger sind als bei Abschiebungen. Deshalb sollte dieser Weg zunächst angeboten werden, bevor eine Abschiebung eingeleitet und durchgeführt wird.

 

Es war auch die Rede davon, dass die Abschiebequote erhöht werden muss.

 
Wir vereinfachen und beschleunigen das Abschiebeverfahren spürbar, indem wir eine doppelte Prüfung durch die Zentrale Abschiebestelle im Landesverwaltungsamt (ZAST) und die Ausländerbehörden abschaffen. Die ZAST wird dennoch weiter ausgebaut, um als Serviceeinheit für die Umsetzung der Ausreisen und Abschiebungen weiterhin zur Verfügung stehen zu können. Die kommunalen Ausländerbehörden sollen die Abschiebungen künftig ohne das Landesverwaltungsamt durchführen. Damit liegt die Kompetenz bei denen, die sich sowieso mit den Fällen am besten auskennen.


Rot-Rot-Grün steht weiterhin im Fokus, gerade die Asylpolitik wird bundesweit beobachtet. Wenn Sie auf andere Bundesländer - etwa Sachsen oder Bayern - blicken: Was macht Thüringen anders?

 
Wir als Landesregierung stehen für eine Flüchtlingspolitik, die sich an humanitären Grundsätzen ausrichtet - und sich konsequent an bestehende Bundesgesetze und Verordnungen hält und sie umsetzt. Deswegen habe ich im Frühjahr dieses Jahres ein Erstaufnahmekonzept vorgelegt, um gewappnet zu sein. Dies hilft nun angesichts der für alle unerwartet stark gestiegenen Flüchtlingszahlen, weshalb wir es nach wie vor sicherstellen können, alle Flüchtlinge in festen Unterkünften unterbringen zu können.


Thüringen hatte im vergangenen Jahr - neben Schleswig-Holstein - einen Winter-Abschiebestopp beschlossen. Wie stellt sich die Lage heute dar?

 
Über eine Regelung für dieses Jahr hat die Landesregierung noch nicht abschließend beraten. Eine Entscheidung dazu werden wir in Kürze treffen.
Interview: Andreas Debski