Region. Eine Bekenner-DVD des Nationalsozialistischen Untergrunds ging 2011 an den rechten Patria-Versand, der auch in Obersulm tätig war. War dessen Inhaber ein V-Mann?
Von unserem Redakteur Daniel Stahl
Das Sortiment war groß: T-Shirts mit Aufdrucken wie "Frontkämpfer", "Vize-Weltmeister ´45" oder mit aufgesticktem Lorbeerkranz um die Zahl 88. Auch Musik-CDs waren im Angebot beim Patria-Versand, etwa eine mit dem Titel "Adolf Hitler lebt". Der Versand wurde im Jahr 2011 auch von Obersulm aus organisiert.
Doch das eigentlich Bemerkenswerte ist: Vom rechtsextremen Patria-Versand gibt es eine Verbindung zum Nationalsozialistischen Untergrund. Als das Terror-Trio Anfang November 2011 aufflog, wurden Bekenner-DVDs verschickt. Eine der bekannten 15 DVDs ging an den Axel-Springer-Verlag, eine andere etwa an die Linkspartei in Halle. Bislang ist nur ein Empfänger aus dem rechtsextremen Bereich bekannt, der diese Post ebenfalls erhielt: eben jener Patria-Versand.
Anmeldung in Obersulm
Dort soll die DVD am 23. November 2011 eingegangen sein. Das geht aus Unterlagen der Ermittlungsbehörden hervor. Als die DVD bei Patria im Briefkasten lag, war ein Mann aus Bayern Inhaber des Versands. Doch keine zwei Wochen später übernahm Roland Sokol den Versand. Er meldete das Gewerbe Anfang Dezember 2012 umgehend in Obersulm an, als "Einzelhandel mit Waren aller Art". Etwa zwei Monate später zog der Versand um, in die Nähe von Karlsruhe.
Warum das Gewerbe in Obersulm angemeldet war, ist nicht klar. Zur selben Zeit hatte Sokol eine Freundin in der Gegend. Sie bestreitet auf Stimme-Nachfrage, dass sie etwas mit dem Versand zu tun hatte. Chatprotokolle legen jedoch nahe, dass sie bei der Planung half. Doch Sokol hatte auch andere Verbindungen in die Region. Als langjähriger Aktivist der radikalen rechten Szene in Deutschland war er gut vernetzt, Mitglied etwa bei der "Kameradschaft Karlsruhe" und Anhänger von "Blood & Honour".
Auch bei den Ermittlungen zu den Taten des NSU tauchte sein Name auf. In Unterlagen sind Sokols Verbindungen nach Thüringen und Sachsen belegt. Er organisierte Szene-Treffen und Konzerte mit, trat dort mit seiner Band "Triebtäter" auf oder half als Ordner. Aus den Akten geht auch hervor, dass er dabei mit anderen Szene-Größen zusammenarbeitete, die als mögliche Kontakte des NSU-Trios gelten.
Roland Sokol kann sich dazu nicht mehr äußern. Er wurde am vergangenen Samstag in Karlsruhe beerdigt. Er starb an einer Krebserkrankung. Seit seinem Tod wird das Thema jedoch wieder brisant.
Ein Spitzel?
Denn Sokol war möglicherweise V-Mann des baden-württembergischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV). Das berichtet "Die Tageszeitung". Alte E-Mails, die unserer Redaktion vorliegen, könnten das nahelegen. Vom LfV gibt es dazu keine Angaben: Man äußere sich grundsätzlich nicht zu operativen Dingen, sagt ein Sprecher. Sokol könnte ein Bindeglied gewesen sein, das auch bei den Ermittlungen zu NSU-Unterstützern im Südwesten wichtig ist. Er soll Kontakte in das Heilbronner Umland, zum NSU-Netzwerk und zum Verfassungsschutz gehabt haben. Dafür interessiert sich auch der baden-württembergische NSU-Ausschuss. Gut möglich, dass Sokol dort in den nächsten Monaten zum Thema wird.
Beim Patria-Versand war auch eine CD von Gigi und den braunen Stadtmusikanten im Angebot. Lied Nummer vier ist der "Döner-Killer"-Song. Sokol schrieb im November 2011 an einen Geschäftspartner: "Sollen wir ein T-Shirt machen, wo drauf steht: ‘Döner-Killer? Find ich gut!’" Ob er sich auf das Lied bezog oder den NSU, schrieb er nicht.