Asyl-Kompromiss: Sachsens Kommunen stellen Bedingungen für Aufnahme

Erstveröffentlicht: 
01.10.2015

Städte und Gemeinden : Flüchtlinge sollten registriert und gesundheitlich durchgecheckt sein VON JüRGEN KOCHINKE Dresden. Die rapide steigenden Asylbewerberzahlen werden in Kürze voll auf die sächsischen Kommunen durchschlagen. Grund ist die Tatsache, dass jetzt monatlich rund 5000 Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes an die Städte und Kreise gehen.

 

Denn nach den üblichen drei Monaten Verweildauer, so lautet die Regel, beginnt das, was im garstigen Beamten-Jargon "Abverteilung" heißt und nun die übervollen Erstaufnahmelager entlasten soll. Damit aber steht ein heißer Herbst bevor. Nicht zufällig haben mehrere Christdemokraten erst kürzlich intern eindringlich gewarnt, in Sachsen drohe "die nächste Welle der Eskalation" - Proteste und Übergriffe der sogenannten besorgten Bürger inklusive.


Um diese Problemlage in halbwegs geordneten Bahnen zu halten - sofern sich das derzeit überhaupt sagen lässt -, fand gestern ein groß angelegter Asyl-Gipfel mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) statt. Und schon im Vorfeld war klar: Es würden zähe Verhandlungen werden, um die höchst unterschiedlichen Interessenlagen der versammelten Landräte, Oberbürgermeister aus kreisfreien Städten und der Staatsregierung unter einen Hut zu bringen. Am Ende stand eine Art Kompromiss. Bei dem aber hat sich die kommunale Seite mit einem kleinen Kniff erstmal halbwegs aus der Affäre gezogen.


Nach dem gestern ausgehandelten Deal akzeptieren die Kommunen zwar, Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen - aber nur unter Bedingungen: Sie müssen zuvor registriert und gesundheitlich durchgecheckt sein. Eine Bearbeitung durch die eigentliche Asyl-Behörde, das Amt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), kann auch später erfolgen. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Theoretisch müssen die Kommunen jetzt pro Monat rund 5000 Asylbewerber aufnehmen, faktisch aber sind es viel weniger. Das liegt daran, dass vor allem der Gesundheits-Check ein entscheidendes Nadelöhr darstellt, weil es überall an Ärzten und Laborkapazitäten mangelt.


Damit haben sich die Kommunen faktisch eine Art Puffer geschaffen. Wenn die Schätzungen zutreffen, dass von den monatlich 5000 Flüchtlingen derzeit nur ein magerer Teil zeitnah gesundheitlich untersucht werden kann, wird die große Mehrheit eben länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, als von Innenminister Markus Ulbig (CDU) stets verkündet.


Entsprechend wortkarg präsentierten sich die Beteiligten gestern nach fünfeinhalbstündiger Verhandlungsrunde samt Auszeit. Ministerpräsident Tillich zum Beispiel war nicht viel mehr abzuringen, als dass die Bamf-Untersuchung nun im Vorfeld nicht mehr notwendig ist. Konkrete Zahlen blieb er schuldig. Aber immerhin ließ er wissen, dass das Land von den Asyl-Geldern des Bundes noch in diesem Jahr 13 Millionen Euro an die Kommunen weiterleiten wird. Darüber hinaus will das Land Städten und Gemeinden helfen, leer stehenden Wohnraum für die Unterbringung von Flüchtlingen zu renovieren. Für insgesamt 1000 Wohnungen stehen fünf Millionen Euro bereit.


Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sowie Landrat Christoph Scheurer (CDU) aus dem Kreis Zwickau wurden kaum konkreter. Jung fand lobende Worte und meinte, dass "die Kommunikation zwischen Kommunen und Staatsregierung sich gut entwickelt hat". Allerdings liege mit der Integration "die eigentliche Aufgabe noch vor uns". Scheurer wiederum legte einen anderen Schwerpunkt: "Wir müssen auch für unsere alt-sächsischen Bürger Klarheit schaffen", sagte er gestern auf der Konferenz. Das ist ein kleiner Hinweis auf die derzeit angespannte Stimmungslage im Lande.