Merbitz: Polizei ist ab heute dauerhaft in Dölzig präsent

Erstveröffentlicht: 
16.09.2015

Einwohner machen ihrem Ärger über Asylbewerberunterkunft Luft

 

VON OLAF BARTH


Dölzig. Der Schkeuditzer Ortsteil Dölzig bekommt im Gewerbegebiet Westringstraße einen Polizeiposten sowie zusätzliche Streifen. Das kündigte am Montagabend Bernd Merbitz, Präsident der Polizeidirektion Leipzig, während einer von der Landesdirektion Sachsen (LDS) anberaumten Informationsveranstaltung an. Bereits heute sollen diese Maßnahmen greifen, versprach er. Damit reagierte Merbitz auf die Situation in dem Gewerbegebiet und die vehement vorgetragenen Ängste der Einwohner um ihre Sicherheit. "Wir nehmen Ihre Sorgen sehr ernst, wir sind für Sie da", sagte Merbitz. Einwohner schilderten an dem Abend in der Diskothek "Sax" ihre Sorgen und Ängste und kritisierten massiv die Standortentscheidung sowie Informationspolitik des Freistaates.


Wie berichtet, wurde in dem Gewerbegebiet am Freitag in einem vom Freistaat gekauften und größtenteils leer stehenden Bürokomplex eine Erstaufnahmeeinrichtung für vorerst 150 Asylbewerber und Flüchtlinge als Notunterkunft in Betrieb genommen. Maximal 700 sollen es laut Aussagen der Verantwortlichen nach weiteren Ausbaustufen werden. Damit zählt der 1800 Einwohner zählende Ort zu den fünf größten Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen, wie auf Nachfrage einer Bürgerin Walter Bürkel von der LDS informierte. 30 solche Einrichtungen gebe es bist jetzt insgesamt im Freistaat. Betreiber der Dölziger Einrichtung ist der Malteser Hilfsdienst, für ihn beantwortete Betty Brauer die Fragen der Einwohner. Außerdem im Podium: Gerlind Berndt vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB). Moderiert wurde die Veranstaltung vom Dresdner Medienexperten Peter Stawowy. Er bat alle von Anfang an darum, die Mikrofone zu nutzen und sich gegenseitig aussprechen zu lassen. Meistens klappte es.


Angst vor Überfremdung, Angst um Frauen und um die Kinder, die nun nicht mehr allein auf die Straße könnten, Angst um das persönliche Eigentum waren mehrfach Inhalte von teils sehr emotional, teils sehr resolut unter dem Beifall einens großen Teils der Zuhörer vorgetragenen Fragen. Ob man nicht eine nächtliche Ausgangssperre für die Asylbewerber einführen könne und wieso die Kinder auf ihrem Weg zur Schule mit den Ausländern in einem Bus fahren müssten. Bemerkungen, die manchen Dölziger in den hinteren Reihen beschämt den Kopf schütteln ließen. "Weil es auch Menschen sind", rief ein junger Mann, aber nicht laut genug. Eine Frau trat ans Mikrofon und erinnerte daran, nicht zu vergessen, was diese Flüchtlinge durchgemacht haben. Ihr würde bei manchen der Wortmeldungen und der diffusen Ängste übel werden. Sie erntete Beifall, aber noch mehr Buh-Rufe und Hohngelächter.


Viele, oft sehr persönlich gehaltene Wortmeldungen, die vor so großem Publikum sichtbar nicht jedem leicht fielen, drückten Sorgen aus, wie sich diese Einrichtung künftig auf das Leben in dem 1800 Einwohner zählenden Dorf auswirken könnte. Ein älterer Herr sprach von einem kurz vor dem Vollzug stehenden Verkauf seines Hauses. Jetzt wolle der Interessent nur noch 40 Prozent des ursprünglichen Preises zahlen. Auf eine Entschädigung machte der LDS-Vertreter keine Hoffnung. Damit darf wohl auch der Hotelbetreiber des Leipzig West nicht rechnen. Sein Hotel mit 15 Angestellten liegt nun genau zwischen der vom Landkreis Nordsachsen bald eröffneten Asylbewerberunterkunft und der vom Freistaat jetzt in Betrieb genommenen Erstaufnahmeeinrichtung. "Die Buchungen gehen zurück. Wir kämpfen um jeden Hotelgast, aber in den Internetportalen gibt es Bewertungen, die Gäste gehen woanders hin. Wer zahlt für die Ausfälle? Wie soll ein Hotel zwischen zwei solchen Einrichtungen funktionieren?", fragte fast schon verzweifelnd der Betreiber. Bürkel verwies auf die Gesetzeslage, die jetzt so eine Einrichtung an der Stelle erlaube. Er gab zu, dass das zu Härten führe. "Es ist also rechtlich zulässig, mich in die Pleite zu treiben?", merkte der Hotelier an und winkte enttäuscht ab.


Auf Nachfrage informierte Betty Brauer: "110 Syrer, meist Familien mit Kindern, zwei serbische Familien sowie Asylbewerber aus Iran, Irak und Pakistan sind eingezogen.". Und weshalb die Info-Veranstaltung nicht eher stattfand, begründete Bürkel mit Problemen bei der Organisation der Veranstaltung. Die Informationspolitik des Freistaates wurde noch einmal herb von der Dölziger Ortschaftsrätin Katrin Sachsenröder kritisiert. Dass die Ortschaftsräte von den Plänen für diese Einrichtung genauso wenig wussten wie alle anderen, bestätigte Oberbürgermeister Jörg Enke, der von den Behörden keine Informationen erhalten hatte und erst durch einen vertraulichen Anruf von den Vorgängen erfuhr. Sachsenröder wollte von der SIB-Vetreterin zudem wissen, seit wann genau diese Immobilie im Blick des Freistaates war. Berndt sagte, dass sie das gerade nicht wisse, da aufgrund der aktuellen Flüchtlingslage und der intensiven Suche nach Objekten vieles parallel laufe. Nach zweieinhalb Stunden beendete der Moderator die Veranstaltung und ließ die zuletzt gestellte Frage, "weil es eine berechtigte Frage ist", einfach im Raum stehen: "Warum ist keiner von den großen Politikern heute hier?"