Die aktuelle Debatte um die steigende Zahl von Asylbewerbern in Deutschland hat der islamfeindlichen Bewegung Legida kaum Zulauf beschert. Den etwa 600 bis 700 rechtsgerichteten Demonstranten standen gestern Abend in der Innenstadt 3000 Leipziger gegenüber, die die Flüchtlinge willkommen hießen.
Von Andreas Tappert, Robert Nössler und Evelyn ter vehn
Die Diskussion um die wachsende Zahl von Asylbewerbern in der
Bundesrepublik hat gestern Abend 3000 Menschen auf die Straße geholt. In
der Innenstadt zeigten sie Flagge für ein weltoffenes Leipzig, hießen
die Flüchtlinge willkommen und erteilten "Leipzig gegen die
Islamisierung des Abendlandes" (Legida) eine klare Absage. Die
ausländerfeindliche Bewegung ihrerseits vermochte bei ihrem sogenannten
Abendspaziergang zum Waldstraßenviertel lediglich rund 600 bis 700
Teilnehmer zu mobilisieren. Beim vorherigen Aufzug am 3. August waren es
in etwa genauso viele gewesen.
Mit unmissverständlichen Worten hatten das Bündnis "Willkommen in
Leipzig - eine weltoffene Stadt der Vielfalt" und das Aktionsnetzwerk
"Leipzig nimmt Platz" in den vergangenen Tagen für eine Teilnahme an der
Anti-Legida-Demonstration geworben. Vom Erfolg waren die Organisatoren
und Sympathisanten der Protestaktion fast ein wenig überwältigt.
Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel jubilierte bei der Kundgebung an der
Hainspitze geradezu. "Leipzig ist eine großartige Stadt. Ich bin froh,
hier zu leben", rief er beim Anblick der Menschenmenge aus. Die hatte
sich nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche vor dem Gotteshaus
versammelt und von dort ihren Gang durch die City angetreten. Menschen,
die die Willkommens- und Toleranz-Botschaften auf den Transparenten
lasen, spendeten Beifall oder schlossen sich spontan an.
"Natürlich haben wir Platz für Flüchtlinge", wandte sich
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gegen rechte Demagogie und
bedankte sich bei den vielen Gegendemonstranten für "das klare Zeichen
gegen Rassismus". Diesen bezeichnete Jung als "ein Verbrechen".
Rassismus sei nicht einmal mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung
vereinbar. "Schleichend kommt der Rassismus in unsere Stuben, in unsere
Kinderzimmer, wir müssen dagegen halten, haltet dagegen!"
Fremdenfeindlichkeit habe in Sachsen auf beängstigende Weise Raum
ergriffen, sagte Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD).
"Sagen Sie klar, dass es nicht geht, Fremdenhass zu verbreiten - in
ihrer Nachbarschaft, überall. Das schafft eine Staatsregierung nicht
allein. Fremdenhass gehört hier nicht hin, und dagegen werden wir
verstärkt vorgehen." Erik Wolf, der Geschäftsführer des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB) für die Region Leipzig-Nordsachsen, drückte
seine Hoffnung aus, "dass der Protest weitergeht und nicht abreißt".
Am Richard-Wagner-Platz mussten die Legida-Anhänger auf ihren
prominentesten Redner, den Pegida-Gründer Lutz Bachmann, verzichten.
Nach Informationen von LVZ.de hatte er eine Autopanne. Gegen 19.30 Uhr
setzte sich die Legida-Demo in Bewegung, begleitet von einem gellenden
Pfeifkonzert der Gegner. Schon in der Käthe-Kollwitz-Straße kam der Zug
zum Stehen, weil linke Gruppen mit Sitzblockaden antworteten. Wegen
dieser und weiterer Blockaden wurden die Legida-Anhänger teils
umgeleitet, an einigen Stellen wurden sie an den Blockierern
vorbeigeführt.
Bei der Legida-Abschlusskundgebung auf dem Richard-Wagner-Platz
durchbrachen Gegner die Absperrungen der Polizei und rückten zwei Meter
dicht an die Legida-Anhänger heran. Polizisten konnten im letzten
Augenblick eine Massenschlägerei verhindern. Trotzdem flogen volle
Wasserflaschen und leere Bierflaschen auf die Legida-Demonstranten. Als
diese traditionell die deutsche Nationalhymne anstimmten, skandierten
die Gegner "Nie wieder Deutschland".
Die Polizei registrierte gestern vereinzelte Körperverletzungen. So
wurden Legida-Teilnehmer durch geworfene Flaschen verletzt und eine
versuchte Körperverletzung durch einen Legida-Anhänger festgestellt, der
daraufhin vorläufig festgenommen wurde. Im Waldstraßenviertel ging die
Scheibe eines parkenden BMW zu Bruch. Bereits gegen 17.15 Uhr hatte die
Polizei bei den Legida-Gegnern am Naturkundemuseum Pflastersteindepots
ausgehoben. Das Gewaltpotenzial sei hoch und die Stimmung aggressiv
gewesen, heißt es im Polizei-Bericht.
Trotzdem riefen die Legida-Organisatoren zu weiteren Demonstrationen
auf. "Am Montag sehen wir uns in Dresden und in Leipzig sind wir auch
bald wieder", wurde von der Bühne verkündet. Auf Nachfrage hieß es: "In
drei Wochen sind wir wieder in Leipzig."