Monatelang hatte ein verdeckter Ermittler der Polizei sich unter linke Studenten in Heidelberg gemischt. Die verklagten daraufhin das Land Baden-Württemberg. Ein Gericht befand nun: Der Spitzeleinsatz verstieß wohl gegen das Gesetz.
Er nannte sich "Simon Brenner", er schrieb sich für ein Studium in Heidelberg ein, er tat so, als hätte er linkspolitische Ansichten - und verstieß damit offenbar gegen das Gesetz: An diesem Mittwoch hat das Verwaltungsgericht in Karlsruhe über den Einsatz eines verdeckten Ermittlers verhandelt, der sich vor fünf Jahren ins linke Studentenmilieu der Universitätsstadt gemischt hatte.
Das Gericht ließ durchblicken, dass es den Einsatz des Polizeispitzels für rechtswidrig hält. Die Vorsitzende Richterin Anna Mayer sagte, sie habe Schwierigkeiten, einen konkreten Grund für die Anordnung zu sehen. Um eine Bespitzelung zu rechtfertigen, müsse die Gefahr einer Straftat mit erheblicher Bedeutung bestehen. Der Kläger, der damals ausspioniert werden sollte, sei aber nur schwer als potenzieller Straftäter anzusehen (Az.: 4 K 2107/11 - 4 K 2113 /11).
Einen endgültigen Beschluss fasste das Gericht am Mittwoch noch nicht. Ein Sprecher sagte aber, das Gericht werde wohl allen sieben Klagen stattgeben. Das Urteil soll den Parteien in einigen Wochen schriftlich zugestellt werden.
Das Polizeipräsidium Mannheim hatte 2010 die Anordnung gegeben, zwei Ziel- und zwei Kontaktpersonen auszuspionieren. Eine der Zielpersonen verklagte später das Land Baden-Württemberg wegen des Einsatzes, gemeinsam mit sechs Studenten, die "Simon Brenner" ebenfalls ausspioniert haben soll.
Er freundete sich mit Mitgliedern der linken Hochschulgruppe an
"Brenner" war damals offiziell an der Universität Heidelberg immatrikuliert. Zur Einschreibung in den Fächern Germanistik und Ethnologie im Sommersemester 2010 legte er einen Personalausweis und ein Abi-Zeugnis vor. "Brenner" freundete sich mit Mitgliedern der linken Hochschulgruppe Linke.SDS an, nahm am Erstsemestergrillen teil, demonstrierte gegen Atomstrom und fuhr sogar am 1. Mai mit seinen neuen Freunden nach Berlin.
Im August 2010 setzte er sich dann vom SDS ab, wechselte zur Kritischen Initiative, einer linken Gruppe, hervorgegangen aus den Studiengebührenprotesten 2007.
Durch einen Zufall flog "Brenner" im Dezember 2010 auf. Im Frankreich-Urlaub ein Jahr zuvor hatte er einer jungen Frau erzählt, er arbeite für die Polizei. Auf einer Party traf er diese Frau einige Monate später wieder - und sie enttarnte ihn.
Das Polizeipräsidium Mannheim, das im Prozess das Land Baden-Württemberg vertritt, begründete den Einsatz damit, dass man politische Straftaten habe verhindern wollen. Es habe eine klare Gefährdungsprognose gegeben, welche die Polizei veranlasst habe, tätig zu werden. Ein Anlass sei der Fund von Molotowcocktails bei einer Kontaktperson von einem der Kläger im Kraichgau gewesen. Die anderen sechs Kläger seien eigentlich nicht klageberechtigt, da über sie keine Daten erhoben worden seien.
Bis vors Bundesverwaltungsgericht
Die Kläger argumentierten jedoch, der Einsatz sei längst nicht auf die offiziellen Kontakt- und Zielpersonen beschränkt gewesen. Vielmehr habe "Simon Brenner" intensiv in der politisch aktiven studentischen Szene ermittelt und kaum oder gar keinen Kontakt zu seinen eigentlichen Zielpersonen aufgenommen. Ihm sei es darum gegangen, die Beziehungen und Strukturen von politisch aktiven Menschen in der Region zu erforschen und an seine Vorgesetzten weiterzugeben, sagte der Anwalt der Klägerseite, Martin Heiming.
Die Polizei hatte den Fall zunächst lange nicht kommentiert. Erst Mitte Januar 2011 bestätigte der damalige baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU), dass ein verdeckter Ermittler neun Monate lang die linke Szene in der Stadt ausspioniert hatte.
Dass erst fünf Jahre nach Enttarnung des Heidelberger Spitzels zum Prozess kommt, liegt an der Aktenlage. In einem Zwischenverfahren verlangten die Kläger die Herausgabe der Behördenakten zu dem Einsatz und zogen dafür bis vors Bundesverwaltungsgericht. Anfang dieses Jahres wurde immerhin ein Teil der Polizeiakten herausgegeben.
lov/kha/dpa