Nun ist klar: Es wird nicht nur die zynischen Staatsfeierlichkeiten, sondern auch linksradikale Demos und Aktionen gegen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in Frankfurt/Main geben.
Kein Zweifel: Der Lack ist ab. Hätte es noch einen Beweis gebraucht, dass der deutsche Nationalismus seine angebliche „Zivilisierung“ durch die 68er und den rot-grünen „Aufstand der Anständigen“ unbeschadet überstanden hat – die vor den Augen der Weltöffentlichkeit durchgezogene Erpressung der linken Regierung in Griechenland samt einer beispiellosen Hetzkampagne der Qualitätspresse haben ihn erbracht. Die Mehrheit in diesem Land ist sich einig: Die Sanierung des europäischen Kapitalismus soll unter deutschem Kommando und zu Lasten der Schwächsten geschehen, hier und erst Recht anderswo. Die brutale Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer und die soziale Zerstörung Südeuropas durch das Spardiktat der Troika sind nur zwei Seiten derselben Medaille. Für den Griff des Standortes Deutschland nach der Poleposition auf dem Weltmarkt geht die Elite über Leichen und eine ganz große Koalition stimmt ihnen zu. Zwar hat der Einzelne auch hier immer weniger vom Erfolg der Exportindustrie, doch die nationalistische Rhetorik samt dem kaputten Stolz darauf, mit dem Exportweltmeister wenigstens den Pass zu teilen, verfängt bei vielen Menschen. Währenddessen will man von den unbezahlten Nazischulden nichts mehr wissen und im ganzen Land brennen wieder Flüchtlingsheime. Aber der Preis, denn Deutschland für das ungenierte Ausleben seines Ordnungsphantasien zahlen muss, kann hoch sein. Denn dass der „hässliche Deutsche“ wieder zurück ist, konterkariert das Bild des „sanften Hegemons“ in dessen Schatten sich das autoritäre Krisenmanagement in Europa bisher weitgehend reibungslos vollzogen hat. Das führt grenzübergreifend inzwischen zu wachsendem Widerstand und Boykottdrohungen gegen deutsche Produkte, selbst bei den bisherigen europäischen Partnern.
Wie gerufen kommt da der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung, an dem der deutsche Staat sich unter dem unverschämten Motto „Grenzen überwinden“ bei den bundesweiten Feiern in Frankfurt/Main mit der Erinnerung an die „friedliche Revolution“ von 1989 als zivilisatorische Kraft inszenieren will. Entsprechend ambitioniert ist das Lineup: Michail Gorbatschow kommt. Auch Jean-Claude Juncker, der Präsident der EU-Kommission. Helmut Kohl steht ebenfalls immer noch auf der Gästeliste. Und natürlich kommen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nebst ihrem halben Kabinett zum Festakt in der Alten Oper. Nicht zu vergessen Bundespräsident Joachim Gauck. An MinisterpräsidentInnen und Regierenden Bürgermeistern wird es ebenso wenig fehlen beim „Einheitsfest“. Und auch die gemeine Bürgerin soll mitfeiern, eine Million BesucherInnen werden zwischen Paulskirche und Mainufer erwartet um zwischen Ständen der Grenzschutzagentur Frontex, des Jobcenters und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie das „Zusammenwachsens Europas“ zu begießen. Schließlich sitzen wir ja alle in einem Boot, oder?
Aber: Dieser durchsichtige Versuch, der autoritären Fratze des deutschen Europas wieder die Maske von Weltoffenheit und Demokratie aufzusetzen, könnte scheitern – wenn wir dafür sorgen. Deswegen rufen wir dazu auf, die nationalistische Show am 3. Oktober in einen Event antikapitalistischer Kritik zu verwandeln und die Feier der Nation mit den Kosten ihres Erfolges zu konfrontieren. Denn Staat, Nation und Kapital sind zwar vieles, aber ganz sicher kein Grund zu feiern.