OBM Jung droht Freistaat mit Rückzug aus Asyl-Lenkungsausschuss

Erstveröffentlicht: 
21.08.2015

Rathaus-Chef besucht Notunterkunft in der Ernst-Grube-Halle / Kritik an sanitären Zuständen

 

Von Matthias Puppe


Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat sich gestern in der Ernst-Grube-Halle über die Situation der dort untergebrachten 375 Flüchtlinge informiert. Jung lobte das bisher ausnahmslos ehrenamtliche Engagement von Johannitern, Flüchtlingsrat und anderen Initiativen bei der Betreuung der Asylbewerber. Gleichzeitig griff er die Landesregierung scharf an und drohte damit, sich aus dem Lenkungsausschuss "Asyl in Sachsen" zurückzuziehen. Der Freistaat handele nicht transparent, habe die Entwicklung der Flüchtlingszahlen verschlafen und dabei auch Angebote der Stadt Leipzig ausgeschlagen.


"Seit Monaten wissen wir, dass die Zahlen der Asylbewerber steigen. Wir hatten deshalb dem Freistaat auch Angebote gemacht, frühzeitig eine Erstaufnahme in Leipzig vorgeschlagen", sagte Jung. Die Flüchtlingsthematik sei ein langfristiges Anliegen, könne nicht durch Notunterkünfte wie die Ernst-Grube-Halle gelöst werden. "Wir erleben gerade die größte Flüchtlingskatastrophe seit 1945, Millionen von Menschen werden noch nach Deutschland kommen. Wir dürfen Entscheidungen nicht von heute auf morgen treffen, sondern müssen die Lage ernst nehmen", sagte der OBM. Der Freistaat hätte bereits vor Monaten die ehemalige Kinderklinik in der Oststraße als Flüchtlingsunterkunft vorbereiten können.


Stattdessen werden nun Zeltstädte und Turnhallen genutzt - und Kommunen erst kurzfristig über den Bezug informiert. "Es kann doch nicht sein, dass die Mitarbeiter der Stadt aus der Zeitung davon erfahren", ärgerte sich Jung. In Richtung Landesregierung forderte er: "100 Prozent Transparenz, 100 Prozent Finanzierung und einen professionellen Umgang mit dem Thema". Sollte die Kommunikation zwischen Stadt und Land künftig nicht direkt und auf Augenhöhe erfolgen, will sich Jung aus dem Lenkungsausschuss Asyl in Sachsen zurückziehen, in dem Kommune und Freistaat in regelmäßigen Abständen über Flüchtlingsfragen beraten.


Trotz Kritik an der Grube-Halle als Flüchtlingsheim wollte Jung nicht ausschließen, dass auch die Stadt Leipzig in Zukunft Objekte mit solchen Kapazitäten benötigen werde. Unmittelbar gebe es zudem Anfragen des Landes, ob zwei städtische Gebäude zeitnah als Massenunterkunft genutzt werden können. "Konkret ist noch nichts", sagte Jung.


Notquartier ist fast voll, aber für 375 Personen gibt es nur zehn Duschen


In der Ernst-Grube-Halle waren zuletzt nur noch etwa 40 Betten leer - insgesamt 375 Flüchtlinge leben inzwischen hier auf engstem Raum. Der OBM ließ sich von Johanniter-Koordinator Lars Menzel durch das Gebäude führen, war danach sichtlich beeindruckt von der Leistung der vielen Freiwilligen, aber auch der Spendenbereitschaft der Leipziger. Auch die Netzwerke des Flüchtlingsrats hätten sich als effektiv erwiesen. Jung: "Wir werden darüber reden, hier mehr Hauptamtlichkeit zu schaffen, vielleicht eine weitere Stelle zu ermöglichen."


Trotzdem gebe es auch noch viele Baustellen in der Halle: So sei die sanitäre Situation nach wie vor problematisch. Das bestätigte auch Johanniter-Landesvorstand Bernd Bieler: "Es gibt lediglich zehn Duschen, jeweils fünf für Frauen und Männer. Eigentlich wurden uns von der Landesdirektion schon gestern zusätzliche Sanitärcontainer versprochen", sagte Bieler. Um schneller Abhilfe zu schaffen, werden nun auch wieder Gespräche mit der Uni Leipzig geführt.