Zeichen der Menschlichkeit oder "Zumutung für den Steuerzahler"? Asylbewerber haben Anspruch auf Bargeld
Von Dirk Schmaler
Hannover. Wer es als Flüchtling nach Deutschland geschafft hat und Asyl beantragt, der bekommt nicht nur ein Bett, Kleidung und Essen. Er hat auch Anspruch auf ein Taschengeld, das er sich in der Regel an einem Automaten in den Erstaufnahmeeinrichtungen oder bei der zuständigen Behörde auszahlen lassen kann. Für einen alleinstehenden Asylbewerber sind das 143 Euro pro Monat. Doch diese Praxis, die vor wenigen Jahren als Schritt zu mehr Menschlichkeit bundesweit begrüßt wurde, steht nun angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen erneut in der Kritik. Die Befürchtung: Vor allem für die vielen Asylbewerber vom Balkan, die nach Meinung der Behörden in 99 Prozent der Fälle keinen Asylgrund nachweisen können, sei das Bargeld ein Anreiz, nach Deutschland zu kommen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte gestern in der
"Welt", das Taschengeld für Asylsuchende aus den Balkanstaaten drastisch
zu kürzen, und nannte die Zuwendungen für diese Gruppe "eine Zumutung
für die deutschen Steuerzahler". "Echte Flüchtlinge", so der Minister,
seien zufrieden, wenn sie in Sicherheit lebten und versorgt würden.
Zuvor hatte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärt, man
könne darüber nachdenken, mehr Sachleistungen zu gewähren statt Bargeld.
"Die Höhe unserer Asylbewerberleistungen ist teilweise höher als ein
Erwerbseinkommen in Albanien oder Kosovo", hatte der Minister gesagt -
ohne freilich auf die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten dort und in
Deutschland einzugehen.
Wie viel Bargeld erhalten Flüchtlinge?
Alleinstehende Asylbewerber bekommen in Erstaufnahmeeinrichtungen ein
Taschengeld von 143 Euro im Monat - etwa für Busfahrten, Telefonkosten
oder Bildungsangebote. Erwachsene, die als Partner einen Haushalt
teilen, bekommen je 129 Euro. Kindern steht zwischen 85 und 92 Euro zu.
In den Unterkünften werden Dinge des täglichen Bedarf wie etwa Essen und
Möbel gestellt. Zudem gibt es Erstausstattungspakete für den Haushalt.
Bei einer Unterbringung außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen erhöht sich
der Satz auf bis zu 212 Euro pro Monat. Die Behörden übernehmen die
Wohnkosten (mindestens 6 Quadratmeter). Insgesamt erhalten Asylbewerber
in Deutschland an Bar- und Sachleistungen laut Gesetz 359 Euro im Monat.
Bekommen Asylbewerber Sozialhilfe?
Asylbewerber, die länger als 15 Monate in Deutschland leben und sich
währenddessen nicht einer Abschiebung entzogen haben, haben Anspruch auf
Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe. Dann erhält ein
alleinstehender Asylbewerber etwa 392 Euro plus Wohnkosten.
Kann Berlin diese Leistungen kürzen?
Karlsruhe hat Berlin ein enges Korsett vorgegeben. Nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgericht von 2012 mussten die Leistungen für
Asylbewerber deutlich angehoben werden. Die Richter entschieden, dass
die zuvor gezahlten 224,97 Euro pro Monat nicht in Einklang stünden mit
den als Existenzminimum für Sozialhilfebedürftige festgesetzten knapp
400 Euro plus Wohnung. Die Richter monierten zudem das zu geringe
Taschengeld von bis dahin 40,90 Euro pro Monat. Die neuen Sätze
orientieren sich annähernd an den Hartz-IV-Sätzen. Einen detaillierten
Nachweis, wo das Existenzminimum für Flüchtlinge liegt, gibt es bis
heute nicht. Auch die Barzahlungen sind nicht festgeschrieben. Experten
sind zudem skeptisch, ob man Balkan-Flüchtlinge anders behandeln dürfte
als andere Asylbewerber, so wie das CDU-Vize Armin Laschet fordert.
Wie viel Geld kostet die Steuerzahler das Taschengeld für Asylbewerber?
Weil das Geld von den Kommunen ausgezahlt und von den Ländern teilweise
erstattet wird, ist eine Kostenrechnung laut Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge unmöglich. Insgesamt könnte die Anzahl der Asylbewerber
2015 auf 500000 bis 600000 steigen. Die Barzahlungen dürften demnach
durchschnittlich pro Monat einen mittleren zweistelligen
Millionen-Betrag ausmachen.
Dürfen die Flüchtlinge Geld verdienen?
Seit Kurzem dürfen Asylbewerber nach drei statt nach neun Monaten
Aufenthalt arbeiten. Allerdings darf ein Asylbewerber nur eingestellt
werden, wenn sich auf die Stelle kein Deutscher und kein EU-Bürger
bewirbt. Erst nach 15 Monaten entfällt diese Einschränkung.