Während sich Sachsens CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich ebenso wie Innenminister Ulbig den Forderungen von Bayerns Landeschef Horst Seehofer (CSU) anschloss, der sich vor dem Hintergrund weiter steigender Zahlen von Asylsuchenden für “spezielle Aufnahmezentren” von Menschen “ohne Bleibeperspektive” ausgesprochen hatte, hält die Kritik an dem bereits bestehenden Zeltlager auf der Bremer Straße an. Dresdens Ausländerbeauftragte Kristina Winkler hatte auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche die Zustände gerade für Kinder als “eklatanten Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen” kritisiert.
Dort war es auf Grund der angespannten Situation schon mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen den in Zelten untergebrachten Menschen gekommen. Das für das Lager verantwortliche Deutsche Rote Kreuz (DRK) zeigte sich ungeachtet der anhaltenden Kritik optimistisch und bedankte sich in sozialen Netzwerken bei allen freiwilligen Helferinnen und Helfern für die bisher geleistete Arbeit. Das Lager war ohne vorherige Ankündigung Ende Juli eröffnet worden.
In der vergangenen Woche hatten zwei der im Zeltlager arbeitenden Dresdner Mediziner in einem Interview mit der Zeit angesichts der Zustände von einer “humanitären Katastrophe” gesprochen und damit bundesweit für Empörung gesorgt. Sie berichteten davon, dass vor Ort noch nicht einmal die “Mindeststandards” der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Flüchtlingscamps eingehalten werden. Richtlinien, “an die man sich normalerweise selbst im Krieg halten müsste”. “Die Stadt Dresden und der Freistaat Sachsen”, so die Ärzte weiter, “sorgen nicht für gesetzlich geregelte Mindeststandards, die für alle Menschen in Deutschland gelten.”
Erst nachdem sich zu Beginn aufgrund der hygienischen Zustände Krankheiten ausgebreitet hatten, waren auf Anraten von freiwilligen Ärzten die Dixi-Toiletten durch Container mit fließendem Wasser ersetzt worden. Auch Ali Moradi, der Geschäftsführer des Sächsischen Flüchtlingsrates, hatte von “kaum zumutbaren Bedingungen” gesprochen. Die Zelte für bis zu 34 Personen bieten lediglich Platz zum Schlafen. “Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten und keine Privatsphäre für Familien mit Säuglingen und Kleinkindern, für Frauen und andere besonders Schutzbedürftige.” Die steigende Zahl von Asylsuchenden sei seiner Ansicht nach “keine Rechtfertigung” für die derzeit in Sachsen praktizierten “humanitär und sozial untragbaren Lösungen”.
In einem Radiointerview mit Asylsuchenden von der Bremer Straße durch coloRadio kommen verschiedene Bewohner zu Wort, deren persönliche Einschätzungen zur Unterbringung sehr gemischt ausfallen. So wird bemängelt, dass unterschiedliche Nationalitäten teilweise zusammen in den gleichen Zelten untergebracht sind. Es gab auch Fälle in denen die Familien getrennt wurden.
Die anfänglich prekäre Situation um die sanitären Einrichtungen und der Mangel an Bettwäsche habe sich nach den Protesten aber verbessert. Viele der Interviewten drücken auch tiefe Dankbarkeit darüber aus, dass sie hier sein dürfen und darüber, dass die Menschen denen sie in Dresden bisher begegnet sind, sehr hilfsbereit und an ihren Lebensgeschichten interessiert waren. Alle hoffen jedoch, nicht lange in diesem Zeltlager wohnen zu müssen, da es für über 1.000 Menschen einfach zu wenig Platz bietet. Gefragt nach ihren Perspektiven, äußererten viele den Wunsch, in Deutschland arbeiten zu dürfen und die Sprache zu erlernen, um am gesellschaftlichen Leben partizipieren zu können. Interne Konflikte im Lager sind in den meisten Fällen ethnisiert. Das zeigt sich beispielsweise in Vorurteilen die vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohene Menschen gegenüber Menschen aus Afghanistan haben.
Nach der Verlegung von rund 250 Asylsuchenden in eine neu eröffnete Erstaufnahmeeinrichtung in Leipzig hat sich die Lage vor Ort inzwischen etwas entspannt. Neben der anhaltenden Spendenbereitschaft aus der Bevölkerung und einer verbesserten Lebensmittelversorgung haben sich durch die Bereitstellung von Duschen und Containern inzwischen auch die hygienischen Zustände deutlich verbessert, zwei Ärzte des DRK seien mittlerweile ständig vor Ort. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) zeigte sich zuversichtlich, bis Ende Oktober alle Menschen in “feste Unterkünfte” verlegen zu können. Das Zeltlager selbst soll nun Stück für Stück durch Container ersetzt und winterfest gemacht werden. Zugleich gehen auch die Planungen für eine Erstaufnahmeeinrichtung an der Stauffenbergallee weiter voran, dort sollen nach den Vorstellungen der Landesregierung Ende 2016 in insgesamt 16 Gebäuden Platz für bis zu 700 Menschen geschaffen werden.