Neue Provokation Nazis patrouillieren in Bussen und Bahnen

Erstveröffentlicht: 
10.08.2015

DORTMUND Es ist die nächste Provokation der Dortmunder Neonazis: Die Rechtsextremen spielen sich nun auch in Bussen und Bahnen unter dem Begriff "Stadtschutz" als rassistische Hobby-Wachleute auf. Stadtbahn-Betreiber DSW21 will das nicht dulden. Und auch die Polizei schaut ganz genau hin. Doch dabei gibt es ein Problem.

 

Mitglieder der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“ gehen unter dem Etikett „Stadtschutz Dortmund“ seit gut einem Jahr in gelben T-Shirts auf – nach eigenen Aussagen – „Verbrecherjagd“. Nun bieten sie sich auch in Bussen und Bahnen als Helfer an. Es ist ein weiterer Versuch, rechtsextremes Gedankengut als Service an der Öffentlichkeit zu verkaufen. Die Dortmunder Stadtwerke DSW 21 sind alarmiert.


Jüngst posteten sie Bilder bei Facebook, die die Bande in einer U-Bahn zeigten. Nicht viel mehr als ein PR-Gag und eine weitere Provokation. Diese funktioniert, die Stadtwerke reagieren sofort: „Dazu gibt es eine klare Position unseres Hauses. Wir tolerieren und dulden das nicht“, macht DSW21-Sprecher Bernd Winkelmann auf Anfrage unmissverständlich klar. Das Unternehmen berät nun über geeignete Maßnahmen. Wesentlich sei, alle Beschäftigten zu sensibilisieren.

 

Stadtwerke: "Gelb ist eine positiv besetzte Farbe"

 

Kein leichtes Unterfangen: „Gelb ist in Dortmund eine positiv besetze Farbe und nicht ein Anlass, gleich zum Hörer zu greifen und die Polizei zu rufen“, sagt Winkelmann. Daher müssten die Beschäftigten im Zweifel noch genauer hinschauen, um ein BVB-Trikot von einem T-Shirt der Rechten zu unterscheiden. 


Das soll nun in die Belegschaft kommuniziert werden. 50 bis 60 Fahrausweisprüfer, 60 bis 70 externe Sicherheitskräfte und 850 Fahrdienstmitarbeiter bei Bus und Bahn sollen informiert werden, dass sich Neonazis anmaßen, unerlaubt „Sheriff“ spielen.

 

T-Shirts erinnerten Richter nur an Junggesellenabschiede

 

Auch die Polizei schaut mit Argusaugen hin und bringt jedes Delikt im Zusammenhang mit dem selbsternannten Stadtschutz zur Anzeige. Allerdings war der Polizeipräsident nach ersten Erfolgen letztendlich mit seiner Verbotsverfügung – er sah in den T-Shirts eine Uniformierung – vor Gericht gescheitert.


Die Richter erkannten Ähnlichkeiten zu Hemden, wie sie beispielsweise bei Junggesellenabschieden getragen werden. An der kritischen Haltung der Polizei gegenüber der rechten T-Shirt-Träger ändert das nichts: Sie hat Verfahren wegen Amtsanmaßung eingeleitet. „Eine Bürgerwehr dulden wir als Polizei nicht. Es gibt keine Notwendigkeit für eine Bürgerwehr. Erst recht nicht für Rechtsextremisten, die auf diesem Wege versuchen, Teil der öffentlichen Diskussion zu werden“, sagt Polizeipräsident Gregor Lange auf Anfrage.


Name erinnert an die SS

 

Der Name „Stadtschutz“ dürfte nicht zufällig gewählt sein. Zum einen liegen Assoziationen zum – bei den Neonazis verhassten – polizeilichen Staatsschutz nahe, zum anderen lässt sich die Bezeichnung mit SS abkürzen.


Der „Stadtschutz“ fügt sich in die Strategie der Partei ein, die vor allem auf die Einschüchterung des politischen Gegners sowie auf Provokationen setzt. Dazu gehören Hausbesuche beim politischen Gegner.


Was als PR-Gag und Provokation funktioniert, könnte sich zum Bumerang entwickeln: Denn die braunen Hobby-Wachleute nutzen das Vokabular der Nazis von damals. Sie liefern damit weitere Munition für einen möglichen Verbotsantrag, den der NRW-Innenminister lieber früher als später auf den Weg bringen würde.

 

Stadt: "Wir sind Frontstadt im Kampf gegen Rechtsextremismus"

 

Das Modell der „Bürgerwehren“ gehört für viele rechtsextremistische Strömungen zum Aktions-Repertoire. Sie wollen damit den eigenen Anhängern Handlungsfähigkeit beweisen und möglichen Unterstützern ein subjektives Sicherheitsgefühl vorzugaukeln. Allerdings sorgen sie in der Regel für das Gegenteil: Von den Gruppen geht eine hohe Aggressivität und – wie aktuelle Gerichtsverfahren zeigen – Gewalttätigkeit aus.


Diesem rechten Treiben Grenzen zu setzen, ist Hartmut Anders-Hoepgen besonders wichtig. „Wir sind Frontstadt und Hotspot im Kampf gegen Rechtsextremismus“, betont der ehrenamtliche Sonderbeauftragte des Oberbürgermeisters. Denn die Aktivisten versuchten in Dortmund exemplarisch, den Raumkampf in Großstädten für sich zu gewinnen.


Die Ruhrgebietsmetropole ist da ein Modellprojekt für extreme Rechte. Während sich die Neonazis vor allem im ländlichen Raum im Osten als „Kümmerer“ etablieren konnte, sind sie damit in Großstädten bislang gescheitert. In Dortmund soll dies nun anders werden. Ob die Rechten damit tatsächlich Erfolg haben, darüber entscheidet auch der Widerstand der Zivilgesellschaft.