Innenminister Ulbig (CDU) besuchte Dresdner Flüchtlingslager / Mediziner warnt vor psychischen Folgen
Von Christoph Springer
Dresden. Die Dresdner Zeltstadt für Asylbewerber wird es
wahrscheinlich noch wenigstens ein Vierteljahr lang geben. Das lässt
sich aus den Aussagen von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU)
schlussfolgern, der sich das Notasyl im Stadtteil Friedrichstadt gestern
Vormittag zum ersten Mal angesehen hat. Ulbig ließ sich das vor zehn
Tagen errichtete Lager von Rüdiger Unger, dem Landesvorsitzenden des
Deutschen Roten Kreuzes (DRK), zeigen und wurde dabei unter anderem von
den Landtagsmitgliedern Christian Hartmann (CDU) sowie Juliane Nagel
(Linke) begleitet.
Angesichts des Areals, in dem gestern knapp 850 Flüchtlinge lebten,
kündigte Ulbig an, der Freistaat wolle bis zum Einbruch der kalten
Jahreszeit für alle Asylbewerber in Sachsen feste Unterkünfte schaffen.
Bleibt es dabei, dass weiter 200 bis 300 Asylbewerber pro Woche in
Sachsen ankommen, wird die Zeltstadt voraussichtlich noch bis Oktober
gebraucht. An den Bund richtete der Innenminister die Forderung,
Asylanträge müssten schneller bearbeitet werden. Und "eine gewisse
Konzentration" von Asylbewerbern sei vielleicht von Vorteil für eine
kürzere Verfahrensdauer, assistierte er westdeutschen Politikern, die
ähnliche Vorschläge gemacht hatten.
"Wir sind ganz dicht dran am Regelbetrieb", erklärte DRK-Landeschef
Rüdiger Unger die Situation in der Zeltstadt. Aber die Unterbringung
werde stetig verbessert. "So lange die Zeltstadt steht, wird sie nie
fertig sein", sagte Unger weiter. Als in der Zeltstadt am Wochenende
etwa 100 Syrer und Afghanen aufeinander losgingen, seien seine Kollegen
vom Roten Kreuz nicht in Gefahr gewesen. "Wenn so viele Menschen auf so
engem Raum leben, dann ist es klar, dass es zu Problemen kommen kann",
sagte er zu der Schlägerei. Die Helfer vom DRK würden sich in solchen
Augenblicken zurückziehen und nicht eingreifen. "Das hat aber nichts
damit zu tun, Gewalt zu respektieren", schränkte Unger ein. "Die
Betroffenen sind enormen Stressfaktoren ausgesetzt", sagte der Dresdner
Mediziner Veit Roessner zur Situation in der Zeltstadt. "Je länger der
Aufenthalt dauert, desto schlimmer wird es."
Gestern berichtete die Dresdner Polizei von einer weiteren
Auseinandersetzung zwischen Asylbewerbern. Die ereignete sich am
Sonntagabend auf der Straße vor dem Lager. Dort wurde um 20.40 Uhr ein
18-Jähriger aus Afghanistan von mehreren Unbekannten angegriffen und
verletzt, so die Beamten. Der junge Mann konnte in die Zeltstadt
flüchten und wurde dort medizinisch behandelt. Später brachte ihn der
Rettungsdienst zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus. Bei den
Angreifen soll es sich ebenfalls um Asylbewerber aus der Zeltstadt
handeln, sagte Polizeisprecherin Ilka Rosenkranz. Ob diese
Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Schlägerei vom Sonnabend
steht, war gestern noch unklar.
Im zweiten Notasyl der Landeshauptstadt an der Nöthnitzer Straße im
Dresdner Südwesten waren bis gestern Nachmittag noch keine Asylbewerber
eingetroffen. Die zwei Sporthallen, in denen rund 600 Flüchtlinge
unterkommen können, waren fertig präpariert; vor den Hallen wurde
gestern ein Zaun aufgebaut. Dietrich Gökelmann, der Präsident der
Landesdirektion Sachsen, sagte, es sei noch offen, wann die Hallen
gebraucht würden.
Das DRK teilte mit, dass nun wieder Sachspenden für die Dresdner
Flüchtlinge angenommen werden. "Die Kleidung und Schuhe werden in den
Räumlichkeiten des DRK-Kreisverbandes erfasst, nach Größen sortiert und
für die Ausgabe im Camp vorbereitet", sagte Sprecherin Ulrike Peter.
Parallel dazu bat sie um Spenden. Von dem Geld soll etwa frische
Unterwäsche für die Neuankömmlinge in den Lagern gekauft werden.