"Dummejungenstreich"

Erstveröffentlicht: 
20.12.2009

Verfahren wegen Hakenkreuzen, SS-Symbolen und NS-Parolen am Freiburger Amtsgericht
Drei junge Männer sprühen bei Stegen Hakenkreuze auf die Straße. In Freiburg läuft ein Mann mit der Tätowierung "Sieg Heil Deutschland" herum. Sie werden zu Geldstrafen verurteilt. Der Preis für hilflose Provokationen?

 

Maren Meichsner, eine noch junge Staatsanwältin am Freiburger Amtsgericht, schlägt sich mit beiden Handflächen auf die Stirn. Mit dieser Geste will sie zeigen: Diese Jungs da drüben haben nichts begriffen. Soeben hat Richter Uwe Nowak die drei Angeklagten wegen "Zeichnung von verfassungswidrigen Symbolen" zu Geldstrafen von 200 beziehungsweise 300 Euro sowie in einem Fall zu 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt und ihnen allesamt zur Auflage gemacht, die nächsten zehn Monate nicht mehr in angetrunkenem Zustand in der Öffentlichkeit erwischt zu werden. "Sonst gibt es Jugendarrest", drohte Richter Nowak. Doch einer der drei fragte prompt von der Anklagebank zurück: "Gilt diese Auflage auch schon für Silvester?" Die Staatsanwältin wollte diese Dreistigkeit nicht fassen, der Richter antwortete cool: "Die Auflage gilt, sobald dieses Urteil rechtskräftig ist."

Drei Männer, zwischen 19 und 20 Jahre, waren diese Woche vor dem Freiburger Amtsgericht angeklagt worden, Anfang Juni in der Nähe von Stegen Hakenkreuze und SS-Symbole auf die Fahrbahn der Straße sowie auf ein Auto gesprüht zu haben. "Es war eine Schnapsidee" sagte der, der seine Freunde dazu verleiten konnte, nachdem sie zusammen einen Kasten Bier und eine Flasche Weinbrand getrunken hatten. Und: "Wir wollten provozieren."

Was eine Herausforderung mit den Symbolen eines Verbrecherstaates alles auszusagen vermag, war für den Amtsrichter Nowak am vergangenen Montag kein entscheidendes Thema. Er nahm den Angeklagten ab, keine besondere Affinität zur rechtsextremen Szene zu haben, und verzichtete auf politische Belehrungen wohl deshalb, weil während der Verhandlung sich herausstellte, dass zwei der Beschuldigten sich regelmäßig mit Beamten des Landeskriminalamtes Stuttgart treffen. Dort gibt es seit 2001 die Beratungs- und Interventionsgruppe BIG-Rex, deren Aufgabe darin besteht, junge Menschen vor dem Abgleiten in den Rechtsextremismus zu schützen. So wertete Richter Nowak deren Sprühaktionen als "Dummejungenstreich" und beschäftigte sich in seiner Urteilsbegründung viel mehr mit den Alkoholproblemen der Angeklagten, von denen mindestens zwei einräumte, "Probleme mit den Eltern" zu haben.

Wie reumütig sie den Gerichtssaal nach dem "milden Urteil" (Staatsanwältin Meichsner) verließen, mag dahngestellt sein. Immerhin räumten zwei von ihnen ein, dass die Gespräche mit den BIG-Rex-Beamten fruchtbar seien, während der dritte sagte: "Ich habe viele ausländische Freunde, in die rechte Szene rutsche ich nicht rein."

Doch eine andere Richterin am Freiburger Amtsgericht machte diese Woche vordergründig eine gegenteilige Erfahrung. Sie musste über einen 24-jährigen Mann urteilen, der im Mai 2009 mit nacktem Oberkörper auf eine Polizeikontrolle zugelaufen war. Auf seiner Brust war der Bundesadler tätowiert, darunter stand die Parole "Sieg Heil Deutschland".

"Über Geschichte habe ich genug gelesen"

Dabei unternahm die Richterin den Versuch, mit dem Angeklagten ein Gespräch über Verbrechen und Menschenverachtung des "Dritten Reiches" einzufädeln: "Über Geschichte habe ich genug gelesen", sagte der Mann, der von Hartz IV lebt.

Schließlich verurteilte ihn die Amtsrichterin zu einer Geldstrafe von 150 Euro. Doch einer Schuld bewusst zeigte sich der Angeklagte nicht: "Sie sehen doch, dass ich auch den Bundesadler eintätowiert habe. Der kann doch nicht verfassungsfeindlich sein. Der Spruch aber ist weder rassistisch, noch antisemitisch noch antislamistisch. Mit ihm will ich nur sagen, dass Deutschland seine wirtschaftlichen und sozialen Probleme auf friedliche Weise lösen soll. Ich fühle mich nicht schuldig."

 

Bildunterschrift: "Deutschland den Deutschen" und ein Hakenkreuz malten Unbekannte 2008 auf die Freibuger St.-Martin-Kirche.