"Wir fühlen uns nicht ernst genommen"

Erstveröffentlicht: 
15.07.2015

Eine Bürgerversammlung in Großerkmannsdorf sollte in der vergangenen Woche Fragen der Einwohner zu einem geplanten Asylbewerberheim klären. Stattdessen wurden viele neue Fragen aufgeworfen. Nach der Veranstaltung wandten sich zwei Rossendorfer Frauen mit einem Brief an Landrat Michael Harig in Bautzen. Sie fühlen sich in ihren Ängsten nicht ernst genommen. Der MDR hat das Landratsamt um eine Stellungnahme gebeten.

 

von Katalin Vales

 

Grit Müller und Katrin Meye sind sauer. Die beiden Frauen aus Rossendorf wollten sich Anfang Juli in einer Bürgerversammlung über das geplante Asylbewerberheim in ihrem Ort informieren. Anfang August sollen 72 Asylbewerber in das 120-Seelen-Dorf bei Radeberg in eine bislang leerstehende Baracke einziehen. Nicht nur das Verhältnis von Asylbewerbern zu Einwohnern erhitzte die Gemüter. Aus Sicht der beiden Frauen verlief die Bürgerversammlung in der Kirche Großerkmannsdorf alles andere als optimal.

 

"72 Männer müssen nichts Schlechtes sein"


Fragen hatten die rund 130 Anwesenden unter anderem zur Zusammensetzung der Gruppe der Asylbewerber sowie zu deren Herkunft. Dazu konnten bei der Informationsveranstaltung allerdings weder Steffen Domschke, Stellvertreter des Landrats, noch Gerhard Lemm, Oberbürgermeister der Stadt Radeberg Auskunft erteilen. Wiederholt äußerten Einwohner Sicherheitsbedenken, für den Fall, dass 72 alleinstehende Männer in die Ortschaft kommen würden. Die Debatte wurde an dieser Stelle sehr emotional. Dazu trug auch eine Äußerung von Lars Eibisch bei. Der kommissarische Leiter des Ausländeramts im Landkreis Bautzen entgegnete lächelnd einer Frau, die ihrem Ärger Luft machte: "72 junge Männer müssen durchaus nichts Schlechtes sein." 

Grit Müller und Katrin Meye empfanden diese Bemerkung als "geschmacklos". In ihrem offenen Brief an den Landrat schreiben sie: "Wir als Frauen, die regelmäßig im Wald joggen oder laufen, fühlen unsere berechtigten Ängste durch den eigenwilligen Humor von Herrn Eibisch überhaupt nicht ernst genommen, im Gegenteil wir fühlen uns noch verhöhnt." Das Landratsamt Bautzen bedauert den Vorfall und entschuldigt sich.

 

"Einige Versammlungsteilnehmer stellten männliche Asylbewerber geradezu an den Pranger. Es wurde unterstellt, alle seien kriminell, gewaltbereit und frauenfeindlich. Aus den bisherigen Erfahrungen der Ausländerbehörde sind es jedoch gerade die jüngeren Männer, die lern- und arbeitswillig sind, über eine gute Vorbildung verfügen, an Sprachkursen teilnehmen und sich sportlich in Vereinen betätigen. Herr Eibisch wollte dies erklären. Er begann seine Erklärung mit dem oben zitierten Satz, welcher zu 'Buh-Rufen' führte. Seine sofortige Entschuldigung ging im Tumult unter. Weitere Erklärungen waren danach nicht mehr möglich. In Auswertung der Veranstaltung ist festzustellen, dass ein solcher Einleitungssatz unglücklich war. Herr Eibisch wollte sich nicht über die Sorgen der Anwohner lustig machen oder diese nicht erst nehmen. Objektiv betrachtet, ist der Satz weder unanständig, noch verwerflich. Im Zusammenhang mit der hoch emotionalen Diskussion an diesem Abend ist jedoch nachvollziehbar, dass sich einige Teilnehmer davon beleidigt sahen. Dass es zu diesem Missverständnis gekommen ist, dafür entschuldigen wir uns in aller Höflichkeit."

 

Stellungnahme des Landratsamtes Bautzen
9. Juli 2015

 

Landratsamt hat Verständnis


Ein Stück weit können die Vertreter des Landratsamts die Sicherheitsbedenken der Einwohner durchaus nachvollziehen: "Leider verhalten sich nicht alle Asylbewerber richtig, allerdings sind dies eher die Ausnahmen", heißt es in der Stellungnahme. Im Heim werde es rund um die Uhr eine Sozialbetreuung geben. "Beim Thema Sicherheit arbeiten Landkreis, Polizei und Heimbetreiber eng zusammen. Die Polizei wird ab Belegungsbeginn verstärkte Präsenz vor Ort zeigen, insbesondere durch regelmäßige Polizeistreifen."

 

Anwohner fordern Mitsprachrecht


Eigentlich sollte die Informationsveranstaltung Fragen klären. Stattdessen warf sie nach Ansicht der anwesenden Anwohner viele neue auf. Schwer verständlich war für die Rossendorfer, warum Einwohner so wenig Mitspracherecht bei der Asylthematik bekommen. Besonders die Äußerung von Oberbürgermeister Gerhard Lemm - "in der Asylfrage gibt es keine Demokratie" – sorgte für Unverständnis.

 

Nach Angaben des Landratsamts Bautzen ist vielen Bürgern nicht klar, dass das Landratsamt bei Asylangelegenheiten wenig Handlungsspielraum hat. Laut Pressesprecherin Franziska Snelinski hat das Landratsamt als Verwaltung die Aufgabe, Gesetze, die demokratisch gewählte Vertreter auf Bundes- oder Landesebene erlassen haben, umzusetzen. "Wie diese vollzogen werden, unterliegt keiner demokratischen Mitbestimmung", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landratsamts.

 

Doch gerade auf die Umsetzung dieser Gesetze hätten Katrin Meye und Grit Müller gern mehr Einfluss, zumindest in Rossendorf. In dem offenen Brief betonen sie erneut, was bereits in der Versammlung geäußert wurde: "Niemand hat etwas gegen ein paar Familien, circa 20 Menschen, die von den 120 Einwohnern integriert werden könnten, aber auf keinen Fall 72." Das Landratsamt sieht dagegen keine Alternative: "Aufgrund der steigenden Asylbewerberzahlen können wir es uns leider nicht leisten, vorhandene Kapazitäten nur teilweise auszulasten. Derzeit sind bis auf wenige Ausnahmen alle vorhandenen Plätze im Landkreis Bautzen belegt. Wir sind daher auf jeden möglichen freien Platz angewiesen."

 

Landratsamt liegen mehrere Beschwerden vor


Bürgerbriefe wie der von Grit Müller und Katrin Meye sind keine Seltenheit. Dem Landratsamt Bautzen liegen derzeit nach Auskunft von Pressesprecherin Franziska Snelinski Anfragen von insgesamt zwölf Bürgern vor, die zum Teil auch mehrere Briefe geschrieben haben. Innerhalb von vier Wochen möchte das Landratsamt diese Schreiben beantworten. Neben diesen Briefen ist auch eine Unterschriftensammlung mit 112 Unterschriften gegen das geplante Asylbewerberheim in der Siedlung Rossendorf eingegangen. Die Aussicht auf Erfolg für die Gegner des Asylbewerberheims scheint gering. In zwei Wochen werden die ersten Asylbewerber in Rossendorf eintreffen.