Rechte Geschäfte: Verstrickungen von "Pro Deutschland" und "Eigentümerbund Ost" in Unterkünfte für Geflüchtete

Erstveröffentlicht: 
13.07.2015

In Lommatzsch sollen Asylbewerber in einem Wohnhaus untergebracht werden. Das soll Rechtspopulisten gehören.

 

Von Jürgen Müller

 

Das leer stehende Haus an der Königstraße in Lommatzsch ist in einem sehr guten Zustand, Dach, Fassade, Fenster, Hauseingangstür sind erneuert. Auch im Inneren wurde saniert. Diese Woche sollten hier wieder Bewohner einziehen. Das Landratsamt will dort Asylbewerber unterbringen.

 

Das Pikante: Das Haus wollen Rechtspopulisten kaufen. Der Eigentümerbund Ost, mit revanchistischen Zielen, hat beim Notar bereits eine Auflassungsvormerkung für die Immobilie eintragen lassen. Präsident des Eigentümerbundes Ost und gleichzeitig Generalsekretär der rechtsgerichteten Initiative „Pro Deutschland“ ist Lars Seidensticker. Seine Bewegung tauchte 2011 im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen im Bereich Rechtsextremismus auf. Einst gehörte Seidensticker der DVU an.

 

In den zwei Lommatzscher Wohnungen sollen sieben Asylbewerber untergebracht werden. Das bestätigt Kerstin Thöns, die Pressesprecherin des Landkreises Meißen. Die Not ist groß im Landkreis Meißen. Überall fehlt es an geeigneten Asylunterkünften. Da kam das Angebot der Rechtspopulisten, die noch gar nicht Eigentümer sind, gerade recht. Das Haus ist sogar teilmöbliert. Der unterschriebene Vertrag sei dann per Post gekommen. Insgesamt sollen in Lommatzsch 51 Flüchtlinge unterkommen. „Es ist schwierig, jeden Anbieter zu überprüfen“, sagt die Sprecherin.

 

Lars Seidensticker bestreitet aber sein Engagement in Lommatzsch. „Ich habe dort kein Eigentum“, sagt er. Auch sei er nicht mehr Generalsekretär von „Pro Deutschland“. „Ich habe diesen Job zum 30. April dieses Jahres gekündigt, habe mit Politik nichts mehr am Hut, bin komplett raus aus dem politischen Geschäft“, sagt er.

 

In seiner Geschäftsstelle hat sich das allerdings noch nicht herumgesprochen. Dort war zu hören, dass „unser Generalsekretär sich noch im Jahresurlaub befindet“. Später rudert Seidensticker zurück. Er sei nicht abgewählt worden, wolle aber beim nächsten Parteitag nicht mehr für den Vorstand kandidieren. „Ich habe mit Nazis nichts am Hut, habe mit denen nichts zu tun, bin kein Rassist“, sagt er. Er wohne nicht mehr in Berlin und möchte auch nicht mehr mit „Pro Deutschland“ in Verbindung gebracht werden. Dass er nach wie vor Präsident des Eigentümerbundes Ost ist, bestreitet er nicht. Und das würde ja sogar passen, sagt er. Auch der Eigentümerbund Ost bestehe aus Vertriebenen, aus Flüchtlingen oder deren Nachkommen aus den deutschen Ostgebieten. „Meine Großmutter war Vertriebene, ich weiß, was das bedeutet“, sagt er. Und räumt gleichzeitig ein, dass er sich in letzter Zeit des öfteren in Lommatzsch aufgehalten habe. Was er dort gemacht hat, will er nicht sagen.

 

Tatsächlich hat das Landratsamt jedoch den Vertrag nicht mit Lars Seidensticker, sondern mit einem Oliver Seidensticker abgeschlossen. Einem der SZ vorliegenden Registerauszug zufolge gehört der zum Vorstand des dubiosen Eigentümerbundes Ost. SZ-Recherchen ergaben, dass er allerdings gar nicht Eigentümer des Hauses an der Königstraße ist. Laut aktuellem Grundbuchauszug gehört einer 74-jährigen Lommatzscherin das Haus. In der Auflassungsvormerkung des Grundbuches ist seit dem 15. April dieses Jahres ein Kaufinteressent eingetragen: der Eigentümerbund Ost. Und dessen Präsident heißt Lars Seidensticker. Die Adresse der „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ ist identisch mit der des Eigentümerbundes Ost. Das Landratsamt Meißen hat jetzt reagiert. „Das Ordnungsamt prüft den Stand der Fertigstellung und die bisherigen Investitionen. Fest steht, dass in den nächsten Wochen keine Asylbewerber dort einziehen werden. Stellt sich heraus, dass Oliver Seidensticker nicht der Eigentümer des Hauses ist, ist der Vertrag nichtig.“ Ob das Landratsamt Meißen einen Mietvertrag mit dem Eigentümerbund Ost abschließt, falls der mal Besitzer der Immobilie wird, ließ Sprecherin Kerstin Thöns offen. „Wir machen bei Mietverträgen keine Gesinnungsprüfung.“

 

Doch hätte die Stadt verhindern können, dass dieser dubiose Verein das Haus erwirbt? Im Prinzip ja, sagt Bürgermeisterin Anita Maaß (FDP). „Wir hatten das Vorkaufsrecht, haben es aber nicht wahrgenommen, weil es dafür keinen Grund gab und wir für das Haus keine Verwendung gehabt hätten.“ Dass es anders geht, hat die Gemeinde Hirschstein vor vielen Jahren bewiesen. Dort wollte die NPD den Gasthof „Neue Schänke“ in Mehltheuer erwerben. Die Gemeinde kaufte die Immobilie, obwohl sie keine Verwendung dafür hatte. Später ließ sie das Gebäude abreißen. Hirschstein sollte kein Aufmarschgebiet für die NPD werden.