Tagebuch der Klimakarawane HANDEL MACHT KLIMA

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60 Aktivist_innen aus dem globalen Süden fuhren von den WTO Protesten in Genf zum Klimagipfel nach Kopenhagen, um auf die engen Verbindungen von Handelspolitik und Klima aufmerksam zu machen. Mit öffentlichen Veranstaltungen, Workshops und Aktionen wollen die Vertreter_innen von Bewegungen aus dem Süden zeigen, wie sich Klimawandel und Handelsliberalisierung auf sie auswirken und wie sie dagegen kämpfen. In Deutschland hat die Karawane unter anderem in Freiburg, Frankfurt/Main, Köln und Hamburg Halt gemacht, in Frankreich in Dijon und Paris, in Belgien in Brüssel - hier findet sich ein Tagebuch. Die Tage in Kopenhagen werden folgen!

 

Mittwoch, 07.12.09: Kopenhagen
Mit Blaulicht wurde die Karawane, gerade Kopenhagen erreichend, auf der P. Knudsen Gade von mehreren Polizeitransportern angehalten und gezwungen, ihnen zu folgen. Auf einem umzäunten Gebäude, in grellem Scheinwerferlicht und von Polizisten in Kampfmontur umgeben, wurden alle Namen und Passnummern zunächst aufgenommen und durchgecheckt. Anstatt wie versprochen, danach fahren zu können, mussten daraufhin alle Teilnehmenden im Bus der Ostroute aussteigen und den Bus durchsuchen lassen – der Bus der Westroute durfte derweil weiterfahren: die waren wohl höflicher gewesen. Oder hatten sie einfach nicht dermaßen energisch nach der Berechtigung der Aktion gefragt? Nun ja, die Polizisten holten mit allem anderen auch das Essen aus dem Gepäckraum und da wegen der Kontrollen und der Fährenüberfahrt keine richtige Mittagspause gemacht worden war, wurde nochmal zugegriffen. Leider fand die Kontrolle auf diesem umzäunten Hof ohne Mülleimer statt, so dass sämtliche Mandarinenschalen und Joghurtbecher auf dem Fußboden landen mussten. Nach dem Ausräumen fragten die Polizisten, ob sie es auch wieder einräumen sollten – da wurde allerdings drauf bestanden, wussten doch einige nur zu gut, wie schwierig es gewesen war, alles hineinzubekommen. Entsprechend oft musste auch diesmal wieder umgepackt werden…
Beim Klimaforum wartete nicht nur zahlreich Presse, sondern auch die abendliche Versammlung des Forums auf die Klimakarawane. Nachdem einige der Karawane dort rund eine halbe Stunde lang über die Ziele der Karawane gesprochen hatte, ging es weiter nach Christania, was ab nun als Herberge und ´Hauptquartier´ der Karawane für die kommenden zehn Tage in Kopenhagen dient.

Mittwoch, 07.12.09: Deutsch-Dänische Grenze
Zu früh gefreut.
Mit Blaulicht wurde die Karawane, gerade Kopenhagen erreichend, auf der P. Knudsen Gade von mehreren Polizeitransportern angehalten und gezwungen, ihnen zu folgen. Auf einem umzäunten Gebäude, in grellem Scheinwerferlicht und von Polizisten in Kampfmontur umgeben, wurden alle Namen und Passnummern zunächst aufgenommen und durchgecheckt.
Mittwoch, 07.12.09: Deutsch-Dänische Grenze
„Indien“ – „Norwegen“ – „Bangladesch“ – „Panama“ – „Südafrika“ – der Polizist ruft ein Land nach dem anderen aus zu seinem Kollegen, der die Strichliste führt. „Hast Du schon die Frau mit der Kamera?“, fragt dieser misstrauisch. Deutschland. Vom NDR, stellt sie klar, und wahrscheinlich genießt sie diesen Moment, hat er sie doch für eine dieser Video-Aktivistinnen gehalten, die sich gar nicht einbilden müssen, dass sie bei der Polizei als Journalistinnen durchgehen.
Kaum waren alle Pässe durchgeschaut, kam eine andere Order: Pässe einsammeln! Für die Karawane hieß das: nochmal warten. Und tatsächlich dauerte es einige Zeit, bis alle durchgecheckt waren. Dabei war dies doch erst die deutsche Grenze, die Ausreise also; wie sollte das erst nach der Fähre auf der dänischen Seite werden?
Doch dort war man entspannter. „Woher kommen denn deine Passagiere?“, wurde der Busfahrer Urs Stähli gefragt, das dänische Du übernehmend. „Ach, aus aller Welt!“, antwortete dieser stolz. Nun ja, da sah sich der Grenzbeamte doch wohl genötigt, alle Ausweise zu kontrollieren. Ob er dafür hereinkommen dürfe? Kein Vergleich mit dem schneidigen Ton der deutschen Uniformierten, die gewarnt hatten, wir sollten besser alle unsere Messer und alles „Pyrotechnische“ bei ihnen lassen, die Dänen kontrollierten viel schärfer als sie!

Dienstag, 08.12.09: Hamburg
Am Dienstagvormittag fuhren einige der Karawaneteilnehmenden zur besetzten Hamburger Universität, um dort Seminare anzubieten, doch der Großteil nahm teil an einer energiepolitischen Hafenrundfahrt, ausgerichtet vom Antiatombüro Hamburg (AAB). Seit Jahren würden sie versuchen, Kontakt zu bekommen zu Gruppen, welche dort leben, wo die Rohstoffe, die hier ankommen, ausgebeutet werden, erklärte Daniel vom AAB gleich zu Anfang. Fündig wurde er unter anderem in Leonor Maria Viloria Gonzalez aus Kolumbien – ihr Land steht an fünfter Stelle der Kohlelieferer für Deutschland, und umgekehrt, so wusste wiederum sie, geht ein Drittel aller exportierten Kohle Kolumbiens nach Deutschland. Es wurde gleich zu Beginn der Rundfahrt beschlossen, dass eine längerfristige Zusammenarbeit vom Antiatombüro mit ihr und weiteren angestrebt wird. Desweiteren zeigten Daniel und sein Kollege Malte die Schiffe für die Urantransporte, die über Hamburg verlaufen, sie zeigten neu aufgestellte riesige Agrartreibstoffsilos und die Werften, in denen modernste Kriegsschiffe gebaut werden, welche darauf ausgerichtet sind, im Küstennahbereich zu agieren – und den Nachschub von Ressourcen auf diese Art und Weise absichern zu können. Nicht zuletzt stieß die Baustelle des Kohlekraftwerks Moorburg auf Unverständnis: Wenn die Überschwemmungen in Bangladesh oder in Panama jetzt schon zu Opfern führen – wie kann dieser Neubau in einer solchen Dimension verantwortet werden?

Montag, 07.12.09: Hamburg

„Warum fährst Du nach Kopenhagen?“, „Was sind Deine Kämpfe vor Ort?“ und „Was kommt nach Kopenhagen?“ waren einige der Fragen, welche bei der informell gehaltenen Veranstaltung am Montagabend in der Werkstatt 3 in Hamburg alle zu beantworten hatten: Die Moderationsmethode ´Weltcafé´, bei welcher verschiedene Fragen in verschiedenen Runden in verschiedenen Zusammensetzungen an Diskussionstischen miteinander erörtert werden, wurde an diesem Abend mit Teilnehmenden aus allen Kontinenten ihrem Namen wie wohl nur sehr selten gerecht. Trafen einmal Menschen aus Brasilien, Belarus und den Philippinen auf HamburgerInnen, dann am Tisch nebenan Menschen aus Panama, Südafrika und Norwegen. Natürlich waren die jeweiligen Fragen nie beendet beantwortet, wenn die nächste Runde eingeläutet wurde, doch das war ja gerade Sinn dieser Methode: Diskussionen anzuregen, die dann sowohl im anschließenden lockeren Zusammensein als auch in den folgenden beiden Tagen fortgeführt werden konnten.
Waren es in Freiburg vor allem Familien gewesen, welche sich als GastgeberInnen zur Verfügung gestellt hatten, und waren in Köln alle Karawaneteilnehmenden auf zwei Hausprojekte verteilt worden, so fanden sie nun überwiegend in Wohngemeinschaften Unterkunft. Dabei wurde wie auch schon die Tage zuvor nachts oft noch lange zusammen gesessen, um gegenseitig etwas vom alltäglichen Leben der anderen zu erfahren.

Sonntag, 06.12.09: Köln
Während auf der Körnerstraße ein alternativer Weihnachtsmarkt von den AnwohnerInnen organisiert war, wurden mit offener Tür im Allerweltshaus nicht nur Kaffee und heiße Waffeln angeboten, sondern vor allem verschiedene Workshops, die auch Vorbeigehende mit ansprachen – wer sich durch die kurze Vorstellung interessierte, konnte sich mit in kleine Diskussionsgruppen zurückziehen. Statt sich auf einzelne Kämpfe zu konzentrieren, sollten die übergreifend gewählten Themen der Arbeitsgruppen diese verbinden.
In der Arbeitsgruppe zu Wachstum (Ja? Nein? Oder am Besten negativ?) stellte Kannaiyan Subramaniam von den südindischen Bauernbewegungen das Verständnis von Wachstum in Frage, welches sich lediglich auf Massenproduktion fokussiere, aber nicht auf Massenbeschäftigung oder Massenversorgung. Hierfür sei eine dezentrale Landwirtschaft wesentlich geeigneter. „Was nützt Massenproduktion, wenn in Indien Hunderte Millionen von Menschen nicht einmal den einen Rupee haben, um sich ein Kilo Reis zu kaufen? Das Versprechen des immerfort steigenden Wohlstandes in Europa basiert auf der Ausbeutung des globalen Südens“.
„Wir sind für Nicht-Wachstum“, sagte Karim La Moha Muhammad, Fischer aus Indonesien. „Wachstum bedeutet industriellen Fischfang – doch der geht zu 90 Prozent in den Export, und so verursacht jedes Kilo Fisch einen CO2-Ausstoß.“ Das dürfe aber keine Romantisierung nicht-effizienter Arbeitsmethoden bedeuten, betonte Roland Vibal aus den Philippen von Sea Fish for Justice. „Niemand will den ganzen Tag arbeiten. Wir sind nicht gemacht, um zu arbeiten; wir sind gemacht, um zu denken und um voranzuschreiten. Wenn es die Möglichkeit gibt, nicht zu arbeiten, sondern sich selbst zu entwickeln, dann ist das gut. Aber das Problem ist, dass wir arbeiten müssen und immer noch nicht haben, was wir brauchen. Wir sind nicht gegen Handel, aber wir sind gegen dieses Handelssystem, zu dem wir gezwungen werden, und für das wir produzieren, aber durch das bei unserer eigenen Bevölkerung nichts ankommt.“
„Weder in Euren Ländern noch in unseren existiert wirkliche Demokratie“, stimmte ein deutscher Angestellter von BP zu. „Was mein Konzern will, dass ich es tue, das muss ich am Ende tun – trotz der Gewerkschaften bin ich darin letztendlich allein, und an den Vorstand meines Unternehmens kann ich mich erst recht nicht wenden, die sprechen nicht einmal mit mir“. Doch auf seine resignative Frage: „Was können wir tun?“ meldeten sich gleich viele zu Wort. „Organize! Organize! Organize! Link! Link! Link!“, „Stop consuming!“ „Alternative Formen des Austausches beginnen – wie zum Beispiel Umsonstläden oder die nichtkommerzielle Landwirtschaft, die ihre Produkte unentgeltlich und ohne Tauschlogik abgeben!“ – das waren einige der Antworten. „Das ist das Prinzip von Ernährungssouveränität“, sagte Ikhwan Muhammad, ein junger Farmer aus Indonesien: „Erst zu schauen, was kann lokal produziert werden, und dann, was muss global gehandelt werden. Und dabei selbst zu entscheiden, was wie und wie viel produziert wird.“
Auch bei Regen kann Demonstrieren richtig Spaß machen kann – diese Erfahrung machten mehrere hundert Teilnehmende an der Demonstration ´Für Klimagerechtigkeit!´ am verkaufsoffenen Sonntag am Nachmittag durch die Kölner Innenstadt. Kölner Traditionen prägten diese Demo: sowohl ältere (wie das – allerdings umgedichtete – Lied ´Die Karawane zieht weiter´) als auch jüngere (sich hinsetzen – countdown zählen – johlend losrennen). Die gute Stimmung war ansteckend – doch auch zahlreiche kurze Reden der Karawaneteilnehmenden vermittelten den für Weihnachten einkaufenden Passanten die Anliegen, und ließen so manche anhalten und sich mit einzelnen aus der Demonstration länger unterhalten.

Samstag, 05.12.09: Köln
Nach einem warmen Empfang durch verschiedene Gruppen im Allerweltshaus in Köln fand am Abend eine gut besuchte Veranstaltung über den Klimawandel und falsche Alternativen statt. .„Im Süden Überschwemmungen, im Norden Verwüstung“, fasste Badrul Amam von der Kleinbauernorganisation Krishok Federation aus Bangladesh die Folgen des Klimawandels für sein Land zusammen. Doch das ist nicht alles. „Wir hatten sechs Jahreszeiten in Bangladesh, mit unterschiedlichen Charakteristika, welche die Bauern genau kannten und für den Anbau nutzen konnten. Doch nun ist Regenzeit und es regnet nicht – alles ist durcheinander und die Jahreszeiten sind verloren.“
„Es wird von uns erwartet, dass wir uns anpassen. Aber wie? Ein Drittel unseres Landes wird untergehen, 30 Millionen Menschen werden direkt davon betroffen sein – sollen wir in Booten leben?“ Badrul bezeichnete das, was passiert, als ´forced migration´ und sprach entsprechend von ´forced migrants´: „Menschen müssen das Recht haben, überall hin zu migrieren, wohin sie hinwollen – aber diese Menschen haben kein Interesse daran zu migrieren! Die Menschen, die seit Generationen dort leben, werden dazu gezwungen. Das ist Zwangsmigration. Die Industrieländer heizen die Erde auf, und wir sind die Opfer. Wir sind ZwangsmigrantInnen.“
Zu falschen Alternativen sprach Igur Freeburetka vom Antiatomwiderstand in Belarus (Weißrussland). Obwohl von den Folgen des Unfalls in Tschernobyl drei Viertel der Bevölkerung betroffen seien – und das für Generationen – habe es nach einer massiven Medienkampagne für Atomkraft vor zwei Jahren die Entscheidung für einen AKW-Neubau gegeben. In der Bevölkerung wurde dies vor allem mit den wirtschaftlichen Vorteilen durchgesetzt. Gebaut werde nun das billigste Modell überhaupt; dieses stamme aus Russland, welches den Bau vorfinanziere. Von jenen, die Widerstand leisteten, wurden 500 Menschen zur Geheimpolizei zitiert, was die meisten entsprechend einschüchterte, zumal von zwei Wochen bis hin zu zwölf Jahren Haft alles möglich sei.
Inzwischen glaube auch die Mehrheit der Weltbevölkerung, Atomenergie könne als saubere Energie zur Abkühlung des Klimas beitragen. „Doch wenn es einen Atomunfall gibt, dann bedeutet das nicht nur den Schaden einer Generation, sondern der ganzen Menschheit!“, so Igor Freeburetka weiter. Er weiß, wovon er spricht: Als kleines Kind gehörte er zu den ´Kindern aus Tschernobyl´, die zur Erholung für einige Wochen nach Deutschland geholt wurden.
Giuseppe Villalaz von der Ethnie der Kuna aus Panama und Aktivist der Allianza Global de los Pueblos Indigenas sprach über eine falsche Alternative, welche von den Vereinten Nationen vorangetrieben und von der Weltbank mit Milliarden finanziert wird: dem Plan REDD (‘reducing emissions from deforestation and forest degradation’). Gerade Indigene seien direkt davon betroffen.
Die Idee von REDD sei es, Bäume und Wälder ´zu produzieren´. Die Weltbank berechne, wie viel CO2 pro Quadratkilometer gebunden werden, und zahle hierfür Geld an die nationalen Regierungen. Weil aber beispielsweise gentechnisch veränderte Eukalyptusbäume mehr CO2 aufnehmen könnten als der Tropenwald, werde dieser abgeholzt und durch Eukalyptusplantagen ersetzt. Da die Indigenen häufig keine offiziellen Besitztitel an den Gebieten haben, auf denen sie leben, wird der Wald ihnen enteignet. Welche zerstörerischen Folgen nicht nur die Abholzung an sich, sondern zudem auch Eukalyptus im Speziellen hätten – beispielsweise das mittelfristige Auslaugen des Bodens; das Sinken des Grundwassers und das Sterben vieler Tiere – diese Erfahrung sei an anderen Orten der Welt, unter anderem in Indien, bereits gemacht worden. An anderen Stellen werde im Rahmen von REDD auch Mais oder Soja für Agrosprit angebaut – statt für Lebensmittel.
„Für uns bedeutet die Mutter Erde nicht Geld. Sie bedeutet Essen, Medizin – alles. Sie ist unser Leben“, beschrieb Guiseppe Villalaz das Verständnis der Kuna. Allein in diesem Jahr mussten drei Dorfgemeinschaften der Kuna ihre Heimat verlassen. „REDD bedeutet für uns Vertreibung und den Verlust unseres traditionellen Lebens, wo der Tropenwald zerstört wird. Und dort, wo Anbaufläche für Agrarsprit verschwendet wird, bedeutet es weniger Ernährungssouveränität für alle.“
Samstag, 05.12.09: Frankfurt/ Main
„Hopp, Hopp, Hopp – Klimawandel stopp!“
Dieses zur Bewegung einladende Motto passte einfach zur Musik der Frankfurter Samba-Band, welche die Karawane auf ihrer Sightseeing-Tour zur Europäischen Zentralbank begleitete. Doch das Wetter (Regen) und die Umgebung (hässlich und am Wochenende verwaist) luden nicht dazu ein, den Aufenthalt dort zu sehr auszudehnen.
Stattdessen fuhr die Karawane gegen Mittag weiter zum Waldcamp der Bürger¬initiative „Kein Flughafenausbau“ gegen die vierte Startbahn des Frankfurter Flughafens. Mehrere Zelte, Hütten und Bauwägen stehen an dieser Stelle des Kelsterbacher Waldes, nachdem der vorherige Standort im Februar geräumt worden war. Wie schon der größte Teil des Waldes ist dort inzwischen bereits gerodet worden. „Die Abholzung und die Zerstörung dieses Stücks Natur und damit der Verlust des Naherholungsgebietes für die Menschen ist aber nicht der einzige Grund, warum wir gegen den weiteren Ausbau kämpfen“, sagte Dirk Treber von der Bürgerinitiative. „Der durch den Ausbau noch weiter zunehmende Flugverkehr trägt noch mehr zum Klimawandel bei; und der von der Welthandelsorganisation beförderte Freihandel noch mehr zum Ausbau von Flughäfen und ebenso wiederum zum Klimawandel. Darum freuen wir uns sehr, dass ihr uns besuchen gekommen seid, denn auch inhaltlich verbinden sich hier unsere Kämpfe!“

Samstag, 05.12.09: Frankfurt/ Main
Mittags fand eine Klimaaktion statt, organisiert vom Kollektiv Urgence Climatique Justice Sociale, Friends of the Earth, Greenpeace, ATTAC und anderen Aktionsgruppen. Mehrere hundert Menschen hatten sich dazu in der Pariser Innenstadt versammelt. Nach einer flash mob-Aktion sprachen Allphonsine Nguba von Via Campesina aus dem Kongo und Amparo Sykioco von den Phillipinen vom Weltmarsch der Frauen über die Auswirkungen des Klimawandels in ihren Ländern. Frauen sind davon am meisten betroffen, denn ihnen obliegt die Pflicht, für die Ernährung der Familien zu sorgen. Dies ist aber durch die zunehmenden Dürren, Stürme, Verwüstungen und Überschwemmungen immer schwieriger. Extreme Wetterphänomene werden häufiger auch in Regionen, die davon bisher kaum betroffen waren, was zu Migrationsströmen führt. Pablo Rosales von den Phillipinen berichtete über die Auswirken des Klimawandels auf die traditionellen FischerInnen, die ihre Existenzgrundlagen verlieren, während Diego Cardona insbesondere die falschen Lösungen der staatlichen und internationalen Institutionen kritisierte, die mit marktorientierten Vorschlägen wie dem CO2-handel das Problem noch verschlimmern. Der Markt habe diese Probleme verursacht, die er nun zu lösen vorgebe.
Nach dem Mittagessen einer Pariser Suppenküche im Stalin-Park ging von dort aus die jährliche Demo gegen die Prekarisierung statt, zu welcher die Arbeitslosenbewegung AC und die Sans Papier, die illegalisierten papierlosen Einwanderer und ArbeitsmigrantInnen, aufgerufen hatten. Der Marsch mit mehreren tausend TeilnehmerInnen war laut und bunt und umfasste ein breites Spektrum von Menschen verschiedener Herkunft und politischer Spektren. Auffallend war der Unterschied zu den meisten Demonstrationen in Deutschland, bei denen außer zu expliziten Flüchtlingsthemen Nicht-Deutsche deutlich in der Minderheit sind. Dementsprechend war die Stimmung kämpferisch, jedoch nicht angeheizt, und die Demo erreichte ohne Zwischenfälle und Provokationen durch die Polizei ihr Ziel.
Im Anschluss daran traf sich eine kleine Gruppe der Karawane mit einer Infoladengruppe, während die meisten zum „Ministerium für die Regularisierung der sans papier“ fuhren. Dies befindet sich in einem riesigen Fabrikgelände, welches vor einem halben Jahr von Migranten besetzt wurde und von 3.000 Menschen aus 25 Nationen betrieben wird. Nach einem kurzen informellen Austausch bei Tee und Kaffee trafen mehr Menschen aus Umweltgruppen ein, die zu der Aktion am Vormittag mobilisiert hatten, sowie Solidaritätsgruppen der sans papier sowie, diese selbst. Thema der Diskussionsrunde war die Verbindung von Klimawandel und Migration. Viele MigrantInnen berichteten, dass es in erster Linie die Auswirkungen der Klimaveränderungen waren, die sie zur Migration veranlasst hatten, denn ihre Länder wurden immer trockener und unfruchtbarer und von den noch bewirtschaftbaren Böden wurden sie oft vertrieben. Der überwiegende Teil der Einwanderer sind ehemalige Kleinbauern, deren Land die Familien nicht mehr ernähren kann. Hinzu kommen die Auswirkungen des Weltmarktes, der die Subsistenzstrukturen und lokalen Märkte mit subventionierten Billigimporten zerstört. Einig waren sich die anwesenden sans papier und die KarawaneteilnehmerInnen, dass der Norden in der historischen ökologischen Verantwortung ist, weil er den Großteil des CO2-Austauschs produziert und die desaströsen Umweltzerstörungen verursacht hat, die den Klimawandel verursachen. Die Auswirkungen zeigen sich dagegen in erster Linie im Süden, während sich die Industrieländer gleichzeitig vor den Klimaflüchtlingen zu schützen versuchen. Daher müsse der Norden diese Verantwortung anerkennen und alle notwendigen Technologien zur Verfügung stellen, um dem Klimawandel zu begegnen; und gleichzeitig seine CO2-Produktion weitaus drastischer senken, als das bisher angedacht, denn um das zu erreichen, seien grundlegende Veränderungen der weltweiten Wirtschafts- und Machtstrukturen erforderlich. Und dazu sei eine globale Zusammenarbeit von sozialen Bewegungen und Menschen weltweit unabdingbar.
Diese – nicht neue – Erkenntnis wurde mit einem gemeinsamen Abendessen besiegelt...
Freitag, 03.12.09: Frankfurt/ Main
Die FrankfurterInnen, die am Freitagabend die Karawane zu einer Veranstaltung ins autonome Café Exzess eingeladen hatten, gaben hiermit die Gelegenheit, nicht nur von den Problemen und Kämpfen im globalen Süden zu erzählen, sondern auch von den hiesigen zu hören. Drei StudentInnen berichteten von der seitens der Polizei nur zwei Tage zuvor mit in Frankfurt seit langem nicht mehr derartig ausgeübter Brutalität durchgeführten Räumung des IG Farben-Universitätsgeländes. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, und Hunderte wurden mit Anzeigen überzogen.
Gleichzeitig berichteten die Studierenden auch über den Grund ihres Widerstandes: Der Einfluss der Privatwirtschaft wird immer unverhohlener. Selbst Hörsäle sind bei ihnen inzwischen nach Banken benannt, so zum Beispiel der ´Deutsche Bank´-Hörsaal oder der ´Commerzbank-Hörsaal´. Professuren könnten durch die Drittmittelfinanzierung regelrecht gekauft und die Inhalte auf diese Weise im Wesentlichen bestimmt werden. Einmischungen in Berufungsverfahren seien ohnehin üblich.
Den Studierenden bleibe durch die Verschulung des Systems zudem immer weniger Zeit, etwas anderes zu tun als sich Wissen einzutrichtern. So manche KarawaneteilnehmerIn musste hierbei an das große Transparent mit einem Zitat von Erich Kästner an der besetzten Universität in Freiburg denken, an dem sie auf ihrer Fahrraddemonstration am Morgen vorbeigekommen waren: „Der Mensch soll lernen, nur die Ochsen büffeln“.
Die Karawaneteilnehmenden klatschten als sie hörten, dass es als Protest gegen die Räumung des IG-Farben-Universitätsgeländes und als Solidaritätsbekundung am Donnerstag in Frankfurt eine große Demonstration gegeben hatte – und dass die Studierenden selbst weiterhin zusammenkommen und ihren Widerstand nicht aufgegeben haben.
„Regional den Widerstand globalisieren“ stand auf dem Transparent, welches über den jeweiligen ReferentInnen hing. Nach diesem Bericht über die Situation in Frankfurt gab es von Seiten der Karawane drei Beiträge.
Martín Drago von den Amigos de la Tierra in Uruguray berichtete nicht nur von den Auswirkungen der enormen Ausweitung des Sojaanbaus und der damit verbundenen massiven Abholzung von Tropenwald in Südamerika, sondern vor allem auch zu den Alternativen, für die seine Bewegung eintritt. Das Stichwort ´Ernährungssouveränität´ sei dabei nicht nur als ein Konzept zu verstehen, sondern als politisches Projekt. Es bedeute, darüber entscheiden zu können, wer wie was wann anbaut, wie Saatgut bewahrt, Wasser genutzt und wie die Erde bewahrt werden könne. Es sei ein anti-systemisches Projekt, welches einer anderen Logik als der herrschenden folge und eine Antwort gebe auf die Frage, wie nicht nur der Klimawandel, sondern auch die Wirtschafts- und Hungerkrise zu bewältigen sei. Dabei könne es nur durch weltweiten Widerstand zu einem wirklichen Umbau der Gesellschaften kommen.
Der indonesische Fischer Damanik Riza, aus seiner Sprache ins Englische übersetzt von Ikhwan Muhammad von der Via Campesina-Mitgliedsorganisation SPI-LVC, einer indonesischen Vernetzung von Kleinbauern und -bäuerinnen, LandarbeiterInnen und im Speziellen Jugendlichen, sah ebenfalls in Ernährungssouveränität und nicht zuletzt im weltweiten Kampf um Landrechte einen wesentlichen Beitrag gegen den Klimawandel. Der zunehmende Anbau von Agrartreibstoffen dagegen, noch einmal verstärkt durch einen 2007 geschlossenen Vertrag zwischen den Wirtschaftsblöcken ASEAN und EU, der hierzu eine Klausel enthält, welche die Versorgung der Europäischen Union mit sogenanntem Biosprit in großem Umfang sichern soll, bedeute nahezu eine weitere Verdreifachung der bereits auf 7 Millionen Hektar angewachsenen Palmöl-Anbaufläche auf 20 Millionen Hektar in den nächsten zehn Jahren. Dies bewirke nicht nur eine weitere Vertreibung von Indigenen und Kleinbauern, sondern wiederum Abholzung und die Anheizung des Klimawandels.
War das Indonesisch erst ins Englische, dann ins Deutsche und dann ins Spanische übersetzt worden, waren für den letzten Beitrag wieder nur zwei Übersetzungen notwendig. Kannaiyan Subramaniam von der südindischen Koordination von Kleinbauern und –bäuerinnen verwies darauf, dass im Prinzip alle landwirtschaftliche Forschung durch die Agrarmultis bezahlt werde – inklusive zahlreicher Forschungsreisen indischer AgarwissenschaftlerInnen, welche nach ihren Besuchen in die USA oder Europa den indischen Bauern und Bäuerinnen ihre angebliche Primitivität vorhielten. 267 neue Saatguten seien in Indien in den letzten Jahren eingeführt worden. Diese sogenannten Hochertragssorten entpuppten sich als extrem anfällig und damit äußert abhängig von Pestiziden. Hierdurch werde eine Abhängigkeit von Pestiziden erzeugt. Verstärkt werde diese dadurch, dass die Subventionen des indischen Staates in die Landwirtschaft nicht direkt den Bauern und Bäuerinnen und ihren Familien zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes zu Gute komme, sondern mit diesen der Pestizidverkauf subventioniert werde; hierfür spielten auch die jüngsten Verhandlungen in der Welthandelsorganisation eine Rolle, welche direkte finanzielle Hilfen untersagten. Durch die WTO würde zudem die Tür noch weiter geöffnet für Agrarkonzerne wie Cargill, und damit die beschriebenen Phänomene noch weiter verstärkt.
Wie sich die Effekte verstärken und zu einer Spirale führen, veranschaulichte Kannaiyan Subramaniam auch am Beispiel des Zuckeranbaus. Da der Staat es ablehne, Erzeugerpreise zu stützen, sei durch den Freihandel der Erlös für Zucker derartig gesunken, dass 40 Prozent der Zuckeranbauenden bis letztes Jahr aufgaben und in andere Bereiche abwanderten. Daraufhin erklärte die Regierung dieses Jahr, es werde in Indien nicht ausreichend Zucker produziert und dieser müsse darum importiert werden. Ein solcher Einfuhr aber drücke wiederum auf den Preis von Zucker und wiederum mehr Bauern und Bäuerinnen müssten aufgeben. Diese Politik treibe nicht nur die betroffenen Menschen mangels Alternativen häufig ins Elend, sondern setze eine Import- und Exportspirale in Gang, welche letztlich alle Lebensmittel quer über den Planet transportiere und somit massiv zum Klimawandel beitrage.
Erst diesen Monat, im November 2009, war der südindische Hafen Mangalore aus Protest gegen Billigimporte von seiner und einer Organisation von Kleinbäuerinnen blockiert worden. Und am 13. Dezember werde er selbst den Hafen in Kopenhagen mit blockieren – hierzu rufen bereits zahlreiche Gruppen auf, darunter der Weltweite Frauenmarsch.
Landwirtschaft, so Kannaiyan Subramaniam weiter, sei für einen Großteil jener gut siebzig Prozent der insgesamt über eine Milliarde zählenden Inder und Inderinnen, welche davon zu überleben versuchen, nicht nur Lebensunterhalt, sondern auch Lebensweise. Die staatliche Politik versuche, den Anteil jener, welche in der Landwirtschaft arbeiten, auf unter zehn Prozent der Bevölkerung zu drücken, verbunden mit einer entsprechenden Industrialisierung der Agrarwirtschaft. Die einzige Lösung, die Welt zu retten, aber liege in einer dezentralen Produktions- und Konsumtionsweise – und damit in dem Prinzip der Ernährungssouveränität.

Freitag, 04.12.09: Freiburg
„Systemwandel statt Klimawandel“ war das Motto der Fahrraddemonstration durch die Freiburger Innenstadt am nächsten Morgen. Die unangemeldete Aktion verlief bei Sonnenschein und Musik von den Roving Bottles in genauso ausgelassener Stimmung wie der Abend davor. Im Sozialen Zentrum Gerther (www.syndikat.org/go) wurden die Teilnehmenden mit einem warmen Essen empfangen. Diese zeigten sich von dem Zentrum beeindruckt: „Die Kooperation mit ökologischen Bauern aus der Umgebung, die Versorgung mit lokal erzeugter, erneuerbarer Energie sowie die einzelnen Zentren für Frauen, Homosexuelle oder MigrantInnen sind etwas sehr Besonderes“, bemerkte Subramaniam Kannaiyan von den südindischen Bauernorganisationen, als er in einer Verabschiedungsrunde sich für die Gastfreundschaft und die lokale Organisation bedankte.

Freitag, 04.12.09: Dijon

Nach einer erholsamen Nacht in verschiedenen Privatquartieren verließ der Bus am Morgen Dijon in Richtung Paris. Dort gab es eine Einladung des Senats von Seiten der Grünen und linken Abgeordneten. Nach einem schnellen Mittagessen in einem nahe gelegenen Restaurant ließen alle einen intensiven Sicherheitscheck mit Röntgenuntersuchung des Gepäcks über sich ergehen, bevor die KarawaneteilnehmerInnen in einem Kellerraum des Senats Platz nahmen. Themen der beiden Podiumsdiskussionen waren Nahrungsmittelsouveränität und Klima.
Abends versammelte sich die Karawane in einem Kulturzentrum in der nahe gelegenen Stadt Montreuille. Dort gab es einen kleinen Imbiss, bevor alle auf zwei Nachtquartiere aufgeteilt wurden.

Donnerstag, 03.12.09: Freiburg
Mit Kaffee und Kuchen wurden die Teilnehmenden der Klimakarawane in der Freiburger ökologischen Siedlung Vauban empfangen, und dann von den Familien, in denen sie jeweils diese Nacht unterkommen konnten, mitgenommen. Gegen Abend kamen alle wieder zusammen für ein gemeinsames Essen, gefolgt von einer Veranstaltung, auf der im ersten Teil die Eindrücke aus den Protesten von Genf wiedergeben wurden. Dann folgten mehrere Beispiele über die Folgen von Freihandel in Asien in einem Teil, und in einem weiteren über jene der Ausbeutung von Ressourcen und dessen Folgen für die Umwelt und die Menschen in Lateinamerika.
Abstrakt ist etwas anderes. Tiefe Betroffenheit löste die Mitteilung aus, dass Benito Calixto Guzmán soeben von der Ermordung zweier seiner Compañeros erfahren hatte.
Dieser inhaltliche Teil des Abends wurde mit der Frage abgeschlossen, woher wir unsere Kraft fürs Kämpfen nehmen. Subramaniam Kannaiyan vom South Indian Coordination Committee for Farmers Movements machte klar, dass dies bei ihnen eine Frage von Leben und Tod sei – in den letzten fünfzehn Jahren, das heißt, seit die Folgen der Einführung des Freihandels in Indien 1991 spürbar wurden, begingen 200.000 Bauern aus Verzweiflung Selbstmord. Leonor Maria Viloria Gonzalez aus Kolumbien von der Bewegung ´Die Kraft der Frauen der Wayuu´ sah die Kraft wesentlich aus der Stärke der ´pachamama´, der Mutter Erde, kommen. José Elosegui von Amigos de la Tierra in Uruguray sagte, für ihn komme die Kraft daher zu wissen, dass es in den Bewegungen Lösungen gebe für die multiple (Klima-, Hunger- und Wirtschafts-)Krise: indem auf eine Abkehr des bisherigen Weges und auf dezentralere Ansätze gesetzt werde.
Danach begeisterte der Vauban-Chor ´Susi´ (benannt nach der Selbstorganisierten Unabhängigen Siedlungs-Initiative, www.susi-projekt.de, welche hinter der Initiative von Vauban steht) mit einem Konzert, darunter auch mit der Vertonung eines bissigen Textes von Bert Brecht über die Vernichtung von Kaffee und Weizen, um die Preise hoch zu halten – welches siebzig Jahre nach seiner Entstehung aktueller denn je wirkte.
Und dann?
Wurde getanzt!

Donnerstag, 03.12.09: Dijon

Während der eine Bus nach Freiburg weiterfuhr, ging es für die zweite Gruppe Richtung Frankreich. Im hoch gelegenen Gebirge lag Schnee, was für Begeisterung sorgte; und da viele TeilnehmerInnen aus dem Süden noch niemals Schnee gesehen oder gar berührt hatten, gab es einen Zwischenstopp kurz vor der französischen Grenze. Nach einer kleinen Schneeballschlacht ging es weiter und ohne Probleme an der Grenze erreichte der Bus am frühen Abend Dijon. Dort wartete eine Gruppe von Mitgliedern von Confederation Paysanne und ATTAC mit einem typisch französischen Buffet mit lokalem Bio-Käse, Oliven und Brot, dazu Wein und Gemüse aus eigenem Anbau. Da es schon recht spät im Zeitplan war, gab es nur eine kurze Vorstellungsrunde und danach eine kleine Diskussionsrunde von lokalen KleinbäuerInnen der CP mit einigen BäuerInnen der Karawane. Von dort aus fuhr der Bus zu einem Stadtteilzentrum am Rande Dijons für eine offizielle Veranstaltung. Der Saal war mit über 100 Menschen erstaunlich gut gefüllt; die Diskussion nach den Präsentationen war angeregt und intensiv. Schwerpunkte waren die Folgen und Lösungen der Energiekrise, insbesondere die Fragen über „Bio“krafstoffe, die von den KarawaneteilnehmerInnen massiv kritisiert wurden; und die Atomenergie. Während einzelne ZuhörerInnen diese als ökologisch „saubere“ Energie verteidigten, wurde genau dies von anderen erregt widerlegt.

Donnerstag, 03.12.09: Genf
“Twice: down – twice: W – F”, schlug jemand scherzhaft als zu rufenden Slogan für die WWF-Kundgebung vor, in Anlehnung an das in den vergangenen Tagen öfter zu hörende “Down – Down – WTO!”. Denn als Abschluss der ´Corporate Criminals Tour´ besuchten die beiden Busse der Klimakarawane als letzte gemeinsame Station (vor ihren getrennten Fahrten durch Frankreich und Belgien bzw. durch Deutschland) die Zentrale des World Wildlife Fund vor den Toren Genfs.
Der WWF ist kein Unternehmen und keine Bank, sondern eine Nichtregierungsorganisation, doch wird sie von den Teilnehmenden der Karawane als deren Politik ermöglichend angesehen: Insbesondere die seit einigen Jahren vom WWF durchgeführten Runden Tische, wie zum Beispiel zu „nachhaltigem“ Soja oder Palmöl gebe Agrarmultis wie Cargill die Plattform, selbst Gensoja als „nachhaltig“ zu deklarieren. „Sie sind die Lobby der Transnationalen!“, rief Javiera Rulli von der argentinischen Organisation Grupo de Reflexion Rural den vereinzelt aus ihrem Gebäude herauskommenden MitarbeiterInnen des WWF zu. „Ihre Runden Tische sind eine Form des Greenwashing! Ihre Arbeit ist eine Form der Kolonialisierung! Ihre Arbeit hilft uns nicht, ihre Arbeit schwächt uns!“
Nach knapp einer Viertelstunde kam das Angebot seitens der WWF-Belegschaft, einige Repräsentanten ins Warme zu lassen, um miteinander zu sprechen. Doch die Karawane lehnte ab und bestand darauf, zusammen zu bleiben – die Kälte sei da nebensächlich. Jorge Galleano von der Alianza de Campesinos aus Paraguay führte weiter die Gründe für den Besuch aus: „Wir sind gekommen, um ihre Politik der Runden Tische abzulehnen. Es ist unverantwortlich, auf diese Weise Prozesse zu begleiten, welche unser Wasser und unsere Lebensmittel vergiften, durch welche unsere Gemeinschaften vertrieben werden. Sie sind mitverantwortlich, wenn mit offensichtlichem Zusammenhang mit den Landaneignungen durch die Agrarmultis unsere Companeros ermordet werden!“
„Wir möchten Ihnen klar machen, dass wir ihre Programme nicht akzeptieren!“, erklärte ebenso Roland Vibal aus den Philippinen von Sea Fish for Justice, einer Vernetzung von Fischern, hinzu, mit Blick auf ein WWF-Programm zur Rettung der Korallenwelt, unter anderem finanziert durch die Weltbank, aufgrund dessen Tausende von Fischerfamilien ihre Lebensgrundlage verlieren. „Sie finden Ihre Lösungen ohne jede Partizipation der betroffenen Bevölkerung. Wir werden Sie im Januar in Manila, wenn Sie dort beim Business Summit mitmachen, mit Demonstrationen empfangen. Der Klimawandel kann nicht ´repariert´ werden durch technische Innovationen. Wir können den Klimawandel nur abwenden, indem wir aufhören, die Ressourcen dieser Welt derartig zu verkonsumieren!“
„Wir sind gekommen, um ein völlig anderes Modell der Landwirtschaft zu verteidigen“, fügte auch Maureen Santos von der Kleinbauernorganisation REBRIB aus Brasilien hinzu. Denn wenn es keinen fundamentalen Umschwung gebe, drohten die resultierenden Schäden für Umwelt und Menschen außer Kontrolle zu geraten.
Nach ungefähr einer weiteren Viertelstunde ergriff einer der Monsanto-Vertreter das Wort: „Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Sie hierher zu uns gekommen sind – aber wir sind auch sicher, dass Sie Verständnis dafür haben werden, dass wir mit den bevorstehenden Kopenhagen-Verhandlungen sehr viel zu tun haben!“.
Gesagt, gegangen.
Wie hatte Javiera Rulli in ihrem Beitrag bemerkt? „Dies sind keine neuen Botschaften für Sie. Wir haben mehrfach gegen ihre Runden Tische demonstriert, und wir haben zahlreiche Erklärungen dagegen abgegeben. Doch Sie hören nicht zu!“

Mittwoch, 02.12.09: Genf
Der heutige, dritte Stadtrundgang – oder auch: Corporate Tour – führte zu Genfer „Klimakriminiellen“ von globaler Bedeutung: Die Schweiz und ganz besonders Genf sind zentral für den weltweiten Rohstoffhandel. Vier von zehn der größten Schweizer Firmen ziehen ihren Gewinn aus dem Handel mit Öl, Gas, Kohle oder Agrarprodukten – und stoßen einen Großteil der jährlichen Kohlendioxidemissionen aus, welche zum Klimawandel führen.
Darunter: Mercuria. Ihr Einstieg in die Produktion von Agrartreibstoffen aus Ländern wie Malaysia oder Kolumbien bedeutet zudem die Ausweitung von Monokulturen, die Zerstörung von Tropenwald und die Vertreibung ganzer Dörfer. Diego Cardona aus Kolumbien beschrieb bei dieser ersten Station solche Vertreibungen tausender von Kleinbauern und Indigenen aufgrund von Landaneignungen, wobei auch vor Gewalt nicht zurückgescheut wird. Zudem aber wies er auch auf den Zusammenhang mit dem für die Erde untragbaren westlichen Konsummodell hin, der hierzu führt. Er forderte die Anerkennung der historischen Schuld des globalen Nordens gegenüber dem globalen Süden.
Anschließend warfen Bauern aus verschiedenen Ländern – wie Indien und Indonesien – von der weltweiten Organisation Via Campesina symbolisch Erde auf die Straße und danach Saatkörner. Andere Teilnehmende der Karawane spielten Vertreter von Mercuria, entrissen ihnen das Saatgut und schütteten es in ihren Benzinkanister.
Morgan Stanley and JP Morgan bildeten als Top-Finanziers der Öl-, Gas- und Kohleindustrie die nächste Station des Rundgangs. Während sie vom Handel mit Kohlendioxid-Emissionsrechten profitieren, verhindern sie durch Lobbypolitik wirkliche Maßnahmen gegen den Klimawandel. „They make money out of pollution – they make profit out of climate change!“, erklärte Badrul Alam von der Bauernorganisation Krishop Federation aus Bangladesh. Ein Drittel der Fläche seines Landes wird im Jahr 2050 unter Wasser sein – so die Prognosen, und 30 Millionen Menschen hiervon betroffen. „Die Menschen in Bangladesh sind unschuldig am Klimawandel. Wir sagen klar: Wir haben das Recht zu leben! Es wird von uns erwartet, dass wir uns in unser Schicksal ergeben – aber dazu sind wir nicht bereit“.
Einen unerwarteten Zwischenstopp gab es bei der Bank BNP Paribas – aber doch nicht so unerwartet, wie sich das einige wünschten, die gerne mit einigen Bankern im Gebäude gesprochen hätten – Polizisten versperrten den Eingang. Die BNP Paribas finanziert in Zentralasien das größte Öl- und Gasprojekt der Welt, in Indien das weltweit größte Abbaugebiet von Bodenschätzen überhaupt – und nebenbei Unschönes wie in den USA den Abbau von Bergkuppen für Kohleabbau.
Den letzten Stopp bildete Trafigura, der größte private Öl- und Metallhändler der Welt, der wesentlich zum CO2-Ausstoß, zur Abholzung von Tropenwäldern sowie der Anhäufung von Giftmüll – und damit unwiederbringlich zur Naturzerstörung – beiträgt. Es kam bereits zu Giftmüllunfällen von Trafigura mit einigen Dutzend Toten und hundertausend Erkrankten. Damit verbunden werden lokale Gemeinschaften im globalen Süden ihrer Rechte beraubt, lokale natürliche Ressourcen für ihr eigenes Auskommen zu nutzen. „Alle wissen, dass die Ausbeutung von Öl und Mineralien der wichtigste Grund für den globalen Klimawandel ist“, so Alexandra Almeida von der Acción Ecologica aus Ecuador. „Die lokalen Auswirkungen sind: Die Verschmutzung von Wasser und Luft, die Verseuchung von Lebensmitteln sowie Erkrankungen der Haut und der Atemwege.“ Sie schloss poetisch: „Wenn das Öl fließt, blutet die Erde.“

Samstag, 28.11.09: Genf

Bei strahlendem Sonnenwetter begann am Samstag, den 28.11., auf dem Place Neuve die Demonstration gegen die Welthandelsorganisation. Einige aus der Karawane trugen das Fronttransparent, direkt dahinter folgten mehrere Traktoren der weltweiten Bauernvernetzung Via Campesina mit Plakaten. Eine Saxophonband sorgte mit musikalischer Begleitung für gute Stimmung. Insgesamt umfasste der Demonstrations¬zug mindestens 5.000 Menschen, diese vertraten teilweise Gewerkschaften, Bauern¬verbände, Umweltgruppen und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen.
Schon kurz nach Beginn kippte allerdings die Stimmung: Als in eine Geschäftsstraße eingebogen, begannen einige aus der Demonstration heraus Scheiben von Banken und Juwelieren ein- und mit Farbbeuteln zu bewerfen. Fast zeitgleich feuerte die Polizei Tränengas in den Demozug. In den engen Gassen der Genfer Innenstadt verteilte sich das Gas schnell im ganzen Zug und viele verließen die Demo. Auch die Gewerkschaften und größeren Organisationen zogen sich zurück, weil für die Sicherheit der Teilnehmenden nicht mehr garantiert werden konnte. Hier zeigte sich, dass die einzelnen Blöcke der Mobilisierung vorwiegend unabhängig voneinander agierten, und so löste sich die Demo weitgehend auf. Verhandlungen mit der Polizei blieben erfolglos; diese drohte, bei einem Weiterzug in Richtung WTO alle Teilnehmenden festzunehmen. Die Karawanegruppe zog sich in ein Hausprojekt in der Nähe des Bahnhofs zurück, in dem Mitglieder von Via Campesina untergebracht waren. Die Stimmung blieb angespannt; die Konfrontationen waren so nahe, dass die Fenster geschlossen werden mussten, weil das Tränengas der Polizei eindrang. Einige Stunden wurde so ausgeharrt, bis die Polizei einwilligte, dass die Karawane zur nahe gelegenen Tramhaltestelle gehen konnte, um von dort zum Theater Pitoeff zu fahren, wo das Abendessen vorbereitet wurde. Später am Abend hatte sich die Situation in der Innenstadt beruhigt, so dass alle an der Karawane Teilnehmenden gefahrlos ihre Schlafquartiere erreichen konnten.